FamFG § 114 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
- Dem Beteiligten muss zugestanden werden, die aus dem Fehlen einer fraglichen Verfahrens- oder Verfahrenshandlungsvoraussetzung gezogenen nachteiligen Folgen ohne die auf ihr beruhenden besonderen Erschwernisse anfechten zu dürfen, damit ihm aus einer etwa fehlerhaften Beurteilung keine Nachteile im Rechtsschutz entstehen.
- Eine ohne Postulationsfähigkeit an das Gericht gerichtete verfahrenseinleitende Erklärung ist unwirksam und bewirkt nichts. Sie darf nicht zugestellt werden. Eine Gerichtsgebühr entsteht nicht.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 26.5.2016 – 13 WF 125/16
1 Sachverhalt
Der Beschwerdeführer wendet sich gegen die Auferlegung der Verfahrenskosten nach dem folgenlosen Einreichen eines Antrages zur Abänderung eines Unterhaltstitels.
Der Beschwerdeführer hat einen von ihm selbst unterzeichneten Antrag auf Abänderung eines Unterhaltstitels einge reicht. Das AG hat den Beschwerdeführer auf den Anwaltszwang hingewiesen und mitgeteilt, es könne nichts veranlasst werden. Ungefähr ein Jahr darauf hat es mit dem angefochtenen Beschluss dem Beschwerdeführer die Verfahrenskosten auferlegt, weil er den Antrag nicht weiter verfolgt habe. Dies beruhe auf analoger Anwendung des § 269 Abs. 4 ZPO.
Acht Tage nach der Zustellung des Beschlusses hat der Beschwerdeführer in einem mit "Beschwerde" überschriebenen Schriftsatz erklärt, er widerspreche dem Beschluss. Das AG hat daraufhin mitgeteilt, es habe nach den gesetzlichen Bestimmungen entschieden. Sofern der Beschwerdeführer Beschwerde einlegen wolle, sei dies gegenüber dem Gericht zu erklären. Der Beschwerdeführer hat erklärt, er widerspreche erneut. Das AG hat beschlossen, dieser zuletzt erklärten Beschwerde helfe es nicht ab.
2 Aus den Gründen
1. Die Beschwerde ist zulässig.
a) Die Beschwerde ist wirksam eingelegt. Sie unterliegt nicht dem Anwaltszwang.
Der in Unterhaltssachen geltende Anwaltszwang (§ 114 Abs. 1 FamFG) gilt auch für die sofortige Beschwerde gegen Kostenentscheidungen, die ohne eine Entscheidung in der Hauptsache getroffen werden (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 91a Abs. 2 S. 1, 269 Abs. 5 S. 1 ZPO). Die sofortige Beschwerde gegen eine Kostenentscheidung kann nicht vor dem Urkundsbeamten der Geschäftsstelle erklärt werden (§ 569 Abs. 3 ZPO), so dass die für diese Erklärungen vorgesehene Ausnahme vom Anwaltszwang (§§ 114 Abs. 2 Nr. 6 FamFG, 78 Abs. 3 ZPO) nicht gilt.
Die Entscheidung über die hier angefochtene Kostenlast hängt aber davon ab, ob überhaupt ein Unterhaltsverfahren begonnen hat. Das AG hat die eingereichte Antragsschrift nach einem Verweis auf den Anwaltszwang unbearbeitet weggelegt, insbesondere nicht einem etwaigen Antragsgegner zugestellt oder formlos mitgeteilt. Für die Rechtmäßigkeit der angefochtenen Kostenentscheidung wird es darauf ankommen, ob der Beschwerdeführer den Antrag selbst wirksam einreichen konnte und welche Folgen ein etwaiger Verstoß gegen den Anwaltszwang ausgelöst hat. So, wie eine Verfahrens- oder Verfahrenshandlungsvoraussetzung als gegeben unterstellt werden muss, solange um sie gestritten wird (für die Postulationsfähigkeit: MüKo-ZPO-Toussaint, 4. Aufl., 2013, § 78 Rn 67), muss dem Beteiligten zugestanden werden, die aus dem Fehlen einer fraglichen Verfahrens- oder Verfahrenshandlungsvoraussetzung gezogenen nachteiligen Folgen ohne die auf ihr beruhenden besonderen Erschwernisse anfechten zu dürfen, damit ihm aus einer etwa fehlerhaften Beurteilung keine Nachteile im Rechtsschutz entstehen.
b) Die Beschwerde ist statthaft.
Das AG hat dem Beschwerdeführer nach dem Wortlaut des angefochtenen Beschlusses "Verfahrenskosten … auferlegt". Es hat selbst § 269 Abs. 4 ZPO für analog anwendbar gehalten. Jedenfalls hat es in einer Hauptsache weder vorher noch zugleich mit dem angefochtenen Beschluss eine Entscheidung getroffen. Für Fälle dieser Art ist die sofortige Beschwerde vorgesehen (§§ 91a Abs. 2 S. 1, 269 Abs. 5 S. 1 ZPO). Ob vor dem angefochtenen Beschluss überhaupt ein Verfahren begonnen hat, darf sich auf die Statthaftigkeit der Beschwerde nicht auswirken. Jedenfalls ist eine Entscheidung ergangen, die nach Form und Inhalt den Anschein einer verbindlichen gerichtlichen Entscheidung in einem Verfahren vermittelt. Der dadurch Beschwerte muss sie anfechten können. Er muss eine Beschwer auch – erst recht – dann beseitigen können, wenn sie außerhalb eines (Verfahrens-)Rechtsverhältnisses mit dem Anspruch auf Verbindlichkeit festgesetzt worden ist und ihr jegliche Rechtsgrundlage fehlt.
c) Die Beschwerdefrist ist gewahrt.
Die Beschwerdefrist beträgt zwei Wochen (§§ 113 Abs. 1 FamFG, 569 Abs. 1 S. 1 ZPO), wenn die angefochtene Entscheidung in einem Verfahren ergangen wäre. Diese Frist hat der Beschwerdeführer mit seinem acht Tage nach der Zustellung eingereichten Schriftsatz gewahrt. Er hat diese Erklärung nicht nur als "Beschwerde" bezeichnet, sondern auch ausgeführt, er widerspreche der ergangenen Entscheidung, und er hat begründet, weshalb er mit ihr nicht einverstanden sein könne. Nach dieser Erklärung hätte der Beschwerdeführer nicht aufgefordert ...