ZPO §§ 98 S. 2, 103 Abs. 1; BGB § 779
Leitsatz
- Einigen sich die Parteien in einem Prozessvergleich über die "Kosten des Rechtsstreits", so werden hiervon nur diejenigen Kosten erfasst, über die noch nicht rechtskräftig entschieden worden ist.
- Soweit bereits eine rechtskräftige Entscheidung über die Kosten vorliegt (hier: über Kosten eines zwischenzeitlichen Rechtsmittelverfahrens), werden diese nicht ohne Weiteres von der vergleichweisen Kostenregelung erfasst. Insoweit bedarf es vielmehr einer ausdrücklichen Erwähnung im Vergleich.
BGH, Beschl. v. 14.2.2017 – VI ZB 24/16
1 Sachverhalt
Die Parteien streiten über die Reichweite eines Vergleichs über die "Kosten des Rechtsstreits" bei bereits vorliegender rechtskräftiger Entscheidung über die Kosten der Rechtsmittelzüge.
Die Klägerinnen nahmen die Beklagten wegen eines Brandschadens in Anspruch. Mit Grund- und Teilschlussurteil erklärte das LG die Klage dem Grunde nach für gerechtfertigt. Die von den Beklagten geführten Rechtsmittel der Berufung und der Revision blieben im Ergebnis erfolglos. Die Kosten der Rechtsmittelzüge erlegte der erkennende Senat den Beklagten mit Urteil von 1.10.2013 auf. Auf Antrag der Klägerinnen setzte die Rechtspflegerin des LG die außergerichtlichen Kosten der Revisionsinstanz gegen die Beklagten fest, die diese beglichen. In dem sodann vor dem LG geführten Betragsverfahren verglichen sich die Parteien am 17.2.2015. Der Vergleichstext lautet auszugsweise:
"Von den Kosten des Rechtsstreits tragen die Klägerinnen als Gesamtschuldner 25 % und die Beklagten als Gesamtschuldner 75 %." "
Auf Antrag der Klägerinnen hat die Rechtspflegerin des LG die Gerichtskosten der Revisionsinstanz und am 3.3.2016 die außergerichtlichen Kosten der Berufungsinstanz im vollen Umfang gegen die Beklagten festgesetzt. Der Beklagte zu 3) beglich sämtliche Kosten.
Die von den Beklagten zu 1) und 2) gegen die Beschlüsse vom 26.1. und vom 3.3.2016 geführten sofortigen Beschwerden hat das OLG, soweit für das Rechtsbeschwerdeverfahren noch relevant, zurückgewiesen. Hiergegen wenden sich die Beklagten zu 1) und 2) mit ihrer vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde hat in der Sache keinen Erfolg.
1. Das Beschwerdegericht hat zur Begründung seiner Entscheidung im Wesentlichen ausgeführt: Maßgeblich für die Verteilung der Kosten des Rechtsmittelzuges sei die Kostenentscheidung des BGH v. 1.10.2013 und nicht die im Prozessvergleich vom 17.2.2015 getroffene Kostenvereinbarung. Zwar seien unter "Kosten des Rechtsstreits" dem Wortlaut nach grundsätzlich die in allen Instanzen entstandenen gerichtlichen und außergerichtlichen Kosten zu verstehen. Vor dem Hintergrund einer bereits vorliegenden rechtskräftigen Grundentscheidung über die Kosten des Rechtsmittelzuges sei die Formulierung aber auslegungsbedürftig. Nach dem maßgeblichen Empfängerhorizont hätten die Beklagten nicht davon ausgehen können, dass sich die Klägerinnen mit dem von ihnen formulierten Vergleichsvorschlag dieser ihnen günstigen Rechtsposition begeben wollten. Auch nach der gesetzlichen Auslegungsregel des § 98 S. 2 ZPO sei ohne ausdrückliche Vereinbarung nicht davon auszugehen, dass die Parteien von rechtskräftigen Kostenentscheidungen abweichende Regelungen treffen wollen.
2. Dies hält rechtlicher Überprüfung stand. Zutreffend hat das Beschwerdegericht die Kostenentscheidung des Senats vom 1.10.2013 als Grundlage der begehrten Kostenfestsetzung herangezogen. Der Prozessvergleich der Parteien im Betragsverfahren vor dem LG vom 17.2.2015 ist dagegen insoweit nicht maßgeblich. Er erstreckt sich nicht auf die bereits von der genannten rechtskräftigen Kostengrundentscheidung erfassten – gerichtlichen und außergerichtlichen – Rechtsmittelkosten (vgl. OLG Schleswig SchlHA 82, 61; OLG München MDR 1982, 760; OLG Stuttgart MDR 1989, 1108; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 16.12.2008 – VI-W (Kart) 2/08, juris Rn 8 f.; OLG Nürnberg FamRZ 2010, 752; OLG Köln JurBüro 2014, 366; entgegen OLG Hamburg JurBüro 1996, 593; OLG Koblenz MDR 2006, 357; JurBüro 2012, 428; OLG Jena, Beschl. v. 29.1.2013 – 9 W 45/13, juris Rn 3).
a) Ob die tatrichterliche Auslegung eines Prozessvergleichs im Rechtsbeschwerdeverfahren nur darauf überprüft werden kann, ob anerkannte Auslegungsgrundsätze, gesetzliche Auslegungsregeln, Denkgesetze, Erfahrungssätze oder Verfahrensvorschriften verletzt sind oder ob, weil es sich (auch) um eine Prozesshandlung handelt, die Auslegung eines Prozessvergleichs auch hinsichtlich seines materiell-rechtlichen Teils unbeschränkt überprüft und damit selbstständig vorgenommen werden kann, wird in der Rspr. nicht einheitlich beantwortet (vgl. für eine uneingeschränkte Überprüfbarkeit: BAGE 42, 244, 249 f.; dagegen: BGH, Urt. v. 4.4.1968 – VII ZR 152/65, MDR 1968, 576; offenlassend: BGH, Urt. v. 11.5.1995 – VII ZR 116/94, NJW-RR 1995, 1201, 1202; v. 8.12.1999 – I ZR 101/97, NJW-RR 2001, 614, 619; v. 22.6.2005 – VIII ZR 214/04, NJW-RR 2005, ...