RVG § 30
Leitsatz
Der Gegenstandswert für eine asylrechtliche Untätigkeitsklage durch eine Onlinekanzlei unter Verwendung standardisierter Schriftsätze ist lediglich mit 2.500,00 EUR zu bemessen.
VG Oldenburg (Oldenburg), Beschl. v. 6.3.2018 – 15 A 8409/17
1 Sachverhalt
Mit Kostenfestsetzungsantrag beantragte der Prozessbevollmächtigte der Kläger, die der Beklagten aufzuerlegenden außergerichtlichen Kosten des Verfahrens auf der Grundlage eines Gegenstandswertes von 5.000,00 EUR zu berechnen.
Daraufhin beantragte das Bundesamt für Migration und Flüchtlinge im vorliegenden Verfahren der Untätigkeitsklage, gem. § 30 Abs. 2 RVG einen geringeren Gegenstandswert festzusetzen. Der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Gegenstandswert sei im vorliegenden Verfahren unbillig, weil der Prozessbevollmächtigte der Kläger bereits in der Klageschrift nur die Verpflichtung der Beklagten zum weiteren Betreiben des Verfahrens beantragt habe.
Dem trat der Prozessbevollmächtigte der Kläger unter Darstellung des für ihn mit einer Untätigkeitsklage verbundenen Arbeitsaufwandes entgegen, der mindestens fünf Stunden betrage und der bei einer Streitwertbemessung unterhalb von 5.000,00 EUR außer Verhältnis zu seinem Verdienst stehe. Auch sei die mit der Untätigkeitsklage begehrte Fortführung des Asylverfahrens sehr wohl für die Kläger von Bedeutung. Für sie sei es aus psychologischer Sicht wichtig, nach mehrmonatigen Warten eine Entscheidung über ihren Asylantrag zu erhalten. Weiter verwies er auf Fundstellen in der Rspr. und Lit., nach denen ein Grund für eine Abweichung vom Regelgegenstandswert nicht bestehe, so dass es bei der Wertbestimmung des § 30 Abs. 1 RVG bleiben müsse.
Das Gericht hat den Wert auf 2.500,00 EUR festgesetzt.
2 Aus den Gründen
Das Gericht setzt nach § 33 Abs. 1 RVG den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit durch Beschluss fest. Nach § 30 Abs. 2 RVG kann ein höherer oder niedrigerer Wert festgesetzt werden, wenn der nach § 30 Abs. 1 RVG bestimmte Wert nach den besonderen Umständen des Einzelfalls unbillig ist.
Im vorliegenden Fall sieht das Gericht in std. Rspr. (vgl. Beschl. v. 3.2.2017 – 15 A 5411/16, 10.8.2017 – 1 A 3954/17, 7.12.2017 – 2 A 4358/17) den Gegenstandswert des § 30 Abs. 1 S. 1 RVG i.H.v. 5.000,00 EUR für unbillig an, weil beantragtes Ziel des Klageverfahrens (Untätigkeitsklage nach § 75 VwGO) nur die Fortsetzung des Asylverfahrens war. Ein derartiges Klagebegehren ist weder von der Bedeutung für die Kläger noch vom Aufwand für deren Prozessbevollmächtigten vergleichbar mit einer beantragten (Sach-)Entscheidung durch das Gericht.
Das Gericht hat bereits erhebliche Zweifel daran, dass der von dem Prozessbevollmächtigten der Kläger dargestellte Zeitaufwand für die Einreichung einer Untätigkeitsklage tatsächlich zutreffend ist. Das Geschäftsmodell des als "Online-Kanzlei" firmierenden Rechtsanwaltes besteht ausweislich des entsprechenden Internetauftritts darin, sich "auf einige wenige “Rechtsberatungsprodukte‘" zu beschränken, die sich regelmäßig wiederholen, um auf diese Weise über die Zahl der auf diese Weise eingegrenzten Verfahren mit einmal entstandenem Aufwand für die Erstellung einer Mustervorlage für das jeweilige Rechtsproblem und in der Folgezeit lediglich ggfs. erforderlichen Aktualisierungen möglichst viele Verfahren abdecken und mit insgesamt wenig Aufwand entsprechende Umsätze generieren zu können. Um die effiziente Verfahrensgestaltung weiter zu erhöhen, wird dabei gleichzeitig "auf physische Termine" verzichtet und diese werden "durch digitale Kommunikationswege (E-Mail, Telefon/-fax, Whatsapp, Facebook, Skype, u.a.)" ersetzt (https://..., abgerufen am 6.3.2018).""
Konkret zur hier streitgegenständlichen Untätigkeitsklage in Asylverfahren heißt es auf der Homepage des Verfahrensbevollmächtigten (https://..., abgerufen am 6.3.2018):
"Behörde entscheidet nicht über Ihren Asylantrag? Sie warten seit einem Jahr darauf, dass das BAMF (Bundesamt für Migration und Flüchtlinge) Ihrem Asylantrag stattgibt? Ihr Termin zur Anhörung wird immer wieder verlegt?"
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Danach genügt es für die Einreichung einer Untätigkeitsklage, dass ein Kläger eine Ablichtung seines Asylantrags, etwa per WhatsApp, an den Prozessbevollmächtigten übersendet, aus dem dieser dann das Datum des Asylantrags, das Herkunftsland und das Aktenzeichen des Bundesamtes übernimmt und in eine im Übrigen vollständig standardisierte Untätigkeitsklage einfügt. Dafür bedarf es, anders als geltend gemacht, weder der Beauftragung eines Dolmetschers noch der Akteneinsicht in die Asylakte im laufenden Verwaltungsverfahren, die ausweislich des Verwaltungsvorgan...