RVG §§ 8 Abs. 1, Abs. 2, 15 Abs. 2; BGB §§ 194 ff.; FamFG § 137 Abs. 5
Leitsatz
Wird über die Ehesache und einzelne Folgesachen vorab entschieden und werden andere Folgesachen abgetrennt, so wird die Vergütung aus den vorab entschiedenen Gegenständen zwar fällig, die Verjährung ist jedoch gehemmt bis zum rechtskräftigen Abschluss oder der anderweitigen Erledigung der abgetrennten Folgesache.
OLG Stuttgart, Beschl. v. 28.3.2018 – 8 WF 57/18
1 Sachverhalt
In dem am 26.4.2006 bei dem FamG eingeleiteten Scheidungsverfahren hatten die Beteiligten am 17.11.2011 einen Vergleich über den Zugewinnausgleich geschlossen. Mit Beschl. v. gleichen Tag hat das FamG die Folgesache nachehelicher Unterhalt aus dem Scheidungsverbund abgetrennt, die Scheidung ausgesprochen, über den Versorgungsausgleich entschieden und die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben. Am 26.3.2013 haben sich die Parteien auch über den nachehelichen Unterhalt verglichen.
Die Gegenstandswerte wurden wie folgt festgesetzt:
Ehesache |
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9.450,00 EUR |
Versorgungsausgleich |
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1.890,00 EUR |
Zugewinnausgleich |
25.548,00 EUR |
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nachehelicher Unterhalt |
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9.600,00 EUR |
Mit ihren am 13.8.2015 und 14.8.2015 eingegangenen Anträgen hat die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin, der Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung ihrer Verfahrensbevollmächtigten bewilligt war, Festsetzung ihrer Vergütung gem. § 55 RVG wie folgt beantragt:
Für den nicht abgetrennten Verbund:
Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
508,30 EUR |
(Wert: 36.888,00 EUR) |
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Terminsgebühr Nr. 3104 VV |
469,20 EUR |
(Wert: 36.888,00 EUR) |
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Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV |
354,00 EUR |
(Wert: 25.548,00 EUR) |
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Pauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Summe netto |
1.351,50 EUR |
19 % MwSt, Nr. 7008 VV |
256,79 EUR |
Summe brutto |
1.608,29 EUR |
und für die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt:
Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
314,60 EUR |
(Wert: 9.600,00 EUR) |
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Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
290,40 EUR |
(Wert: 9.600,00 EUR) |
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Einigungsgebühr, Nr. 1003 VV |
242,00 EUR |
(Wert: 9.600,00 EUR) |
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Pauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Summe netto |
867,00 EUR |
19 % MwSt, Nr. 7008 VV |
164,73 EUR |
Summe brutto |
1.031,73 EUR |
Die Vertreterin der Staatskasse hat mit Einwilligung der Präsidentin des LG – abgesehen von einer Einigungsgebühr aus einem Gegenstandswert von 9.600,00 EUR – die Einrede der Verjährung erhoben. Zur Begründung hat sie ausgeführt, die verjährten Gebühren seien gem. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG mit Beendigung des Rechtszugs, also mit der Entscheidung v. 17.11.2011 fällig geworden, die dreijährige Verjährungsfrist sei daher mit dem 31.12.2014 abgelaufen.
Die Kostenbeamtin, die sich der Rechtsauffassung der Vertreterin der Staatskasse angeschlossen hat, hat die Verfahrenskostenhilfevergütung auf lediglich 287,98 EUR festgesetzt.
Die von der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin gegen diese Entscheidung eingelegte Erinnerung wurde durch Beschluss der Familienrichterin zurückgewiesen. Gegen diese Entscheidung richtet sich die Beschwerde der Verfahrensbevollmächtigten der Antragstellerin.
2 Aus den Gründen
Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG zulässige Beschwerde hat in der Sache überwiegend Erfolg.
Gem. § 111 Abs. 5 FGG-RG sind auf das Verfahren die nach Inkrafttreten des Gesetzes zur Reform des Verfahrens in Familiensachen und in den Angelegenheiten der freiwilligen Gerichtsbarkeit geltenden Vorschriften anzuwenden.
Die von der Staatskasse erhobene Verjährungseinrede greift nicht durch.
Durch die Abtrennung der Folgesache nachehelicher Unterhalt mit Beschluss des AG v. 17.11.2011 erfolgte keine Lösung aus dem Verbund, die abgetrennte Sache blieb Folgesache (§ 137 Abs. 5 S. 1 FamFG), so dass § 16 Nr. 4 RVG weiter gilt und das ganze Verfahren als eine Angelegenheit nur einheitlich abgerechnet werden kann. Zutreffend geht das AG zunächst davon aus, dass die Abtrennung Teilfälligkeiten der Gebühren gem. § 8 Abs. 1 S. 2 RVG zur Folge hat: Die Gebühren, die auf bereits entschiedene bzw. durch Vergleich beendete Gegenstände entfallen, wurden mit Ausspruch der Scheidung und Entscheidung über den Versorgungsausgleich am 17.11.2011 fällig, da hinsichtlich dieser Gegenstände der Rechtszug beendet wurde (Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., § 21, Rn 23). Hinsichtlich der Gebühren, die sich auf die abgetrennte Folgesache nachehelicher Unterhalt beziehen, trat die Fälligkeit hingegen erst mit der Beendigung des gesamten Verfahrens durch den Vergleich v. 26.3.2013 ein.
Das AG übersieht aber, dass nach § 8 Abs. 2 RVG die dreijährige Verjährungsfrist des § 195 BGB für die bereits am 17.11.2011 fällig gewordenen Gebühren bis zum endgültigen Abschluss des als eine Angelegenheit zu behandelnden Verbundverfahrens am 26.3.2013 gehemmt (Fölsch/N. Schneider/Thiel/Volpert, in: Schneider/Wolf [Hrsg.], RVG, 8. Aufl., § 16, Rn 49 f.; N. Schneider, FF 2014, 105 ff., I 2 c) und daher bis zur Antragstellung am 13.8.2015 noch nicht abgelaufen war.
Die Verfahrenskostenhilfevergütung berechnet sich daher gem. § 49 RVG in der bis zum 31.7.2013 gültigen Fassung wie folgt: