ZPO § 567 Abs. 3; BerHG §§ 1 Abs. 1 Nr. 2, 2 Abs. 1; RVG §§ 15 ff.

Leitsatz

  1. Im Verfahren über die Beschwerde gegen die Festsetzung der Vergütung nach Gewährung von Beratungshilfe ist eine Anschlussbeschwerde nicht statthaft.
  2. Soweit im Fall der Rechtsverteidigung gegen urheberrechtliche Abmahnungen die behaupteten Verletzungshandlungen unterschiedlichen Urhebern zuzuordnen sind, liegt auch bei gleichgelagerten Parallelfällen mehr als eine Angelegenheit i.S.d. §§ 15 ff. RVG vor.
  3. In gleichgelagerten Parallelfällen steht dem Antragsteller jedoch wegen der im Erstverfahren gewährten Beratung regelmäßig eine andere Hilfsmöglichkeit zur Verfügung, deren Inanspruchnahme ihm i.S.d. § 1 Abs. 1 Nr. 2 BerHG zuzumuten ist.
  4. Erst wenn eine Möglichkeit der Selbsthilfe nicht angenommen werden kann, weil von einer wesentlichen Abweichung der Fallgestaltung vom Erstverfahren auszugehen ist, ist zu prüfen, ob aufgrund der Abweichung lediglich eine weitere Beratung oder auch eine Vertretung i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG erforderlich ist.

LG Halle (Saale), Beschl. v. 21.3.2012 – 2 T 251/11

1 Sachverhalt

Der Antragsteller beantragte in insgesamt zehn Teilverfahren Beratungshilfe, nachdem er in zehn Fällen wegen Urheberrechtsverletzungen wegen unberechtigten Herunterladens von Musik- und Filmwerken von unterschiedlichen Rechtsanwaltskanzleien jeweils außergerichtliche Abmahnungen erhalten hatte. In den Teilverfahren 25 II 838/10 und 25 II 1013/10 war dem Antragsteller ein Beratungshilfeschein erteilt worden, in den übrigen Teilverfahren machte er über seinen Verfahrensbevollmächtigten nachträglich Beratungshilfe geltend.

Mit Beschluss verband die Rechtspflegerin die zehn Teilverfahren gem. §§ 5 S. 1 BerHG, 20 FamFG und setzte die Vergütung antragsgemäß auf 1.523,20 EUR fest.

Auf die Erinnerung der Beteiligten zu 2), der Landeskasse, änderte das AG die Vergütung auf einen Betrag i.H.v. 641,41 EUR ab und führte zur Begründung aus, dass es sich bei den zugrunde liegenden Beratungsgegenständen zwar nicht um dieselbe Angelegenheit, sondern um verschiedene Angelegenheiten i.S.d. BerHG handele. Jedoch sei nicht in allen Fällen eine Vertretung durch einen Rechtsanwalt i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG erforderlich. Das BerHG unterscheide zwischen der bloßen Beratung und der Vertretung. Selbst wenn ein durchschnittlicher Rechtsuchender ohne anwaltliche Beratung als nicht in der Lage anzusehen sei, angemessen auf Abmahnschreiben zu reagieren, reiche es in Wiederholungsfällen regelmäßig aus, wenn sich der Rechtsuchende darüber beraten lasse, ob es sich bei dem jeweiligen Wiederholungsfall um einen solchen handele, auf den in vergleichbarer Weise reagiert werden könne wie im Erstverfahren. Nur wenn keine vergleichbare Reaktion auf das Abmahnschreiben tunlich sei, könne eine erneute Vertretung durch einen Rechtsanwalt als erforderlich angesehen werden. Die Vergütung setze sich folglich im vorliegenden Fall aus einer (Vertretungs-)Gebühr in Höhe von 255,85 EUR für das Erstverfahren und neun weiteren (Beratungs-)Gebühren in Höhe von insgesamt 385,56 EUR für die übrigen Teilverfahren zusammen.

Dagegen legte der Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers und Beteiligte zu 1) Beschwerde ein. Eine Vertretung sei in allen Teilverfahren notwendig und erforderlich gewesen, weil der Antragsteller von seinen intellektuellen Fähigkeiten her nicht in der Lage gewesen sei, die im Rahmen einer Beratung erhaltenen Informationen differenziert zu verwerten und an den jeweiligen individuellen Sachverhalt anzupassen. Das Gericht habe das Vorliegen dieser Fähigkeiten zur Selbstvertretung rechtsfehlerhaft nicht geprüft.

Die Beteiligte zu 2) legte für die Landeskasse ebenfalls Beschwerde ein und bezog sich hierin auf eine andere Erinnerung, in der sie ausgeführt hatte, dass wegen der Gleichartigkeit der Beratungsgegenstände bei urheberrechtlichen Abmahnungen im Einklang mit der überwiegenden Rspr. der Amtsgerichte im Landgerichtsbezirk vom Vorliegen lediglich "einer" Angelegenheit i.S.d. BerHG auszugehen sei. Im Übrigen seien die intellektuellen Fähigkeiten des Antragstellers im Beratungshilfeverfahren nicht zu prüfen.

Das AG half den Beschwerden nicht ab und legte die Rechtssache dem LG zur Entscheidung vor.

2 Aus den Gründen

1. Die gem. §§ 56 Abs. 1 und 2, 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthafte Beschwerde der Beteiligten zu 2) ist als unzulässig zu verwerfen, weil sie nicht innerhalb der Zwei-Wochen-Frist des § 33 Abs. 3 S. 3 RVG eingelegt worden ist.

Eine Auslegung des Rechtsmittels als Anschlussbeschwerde i.S.d. § 567 Abs. 3 S. 1 ZPO kommt nicht in Betracht. Die Vorschriften der §§ 33, 55, 56 RVG sollen nach dem Willen des Gesetzgebers unabhängig von den Beschwerdevorschriften in den verschiedenen Kostengesetzen das Verfahren der Gebührenfestsetzung und das Beschwerdeverfahren grundsätzlich abschließend regeln. Die Beschwerderegelungen des Hauptsacheverfahrens – und damit im vorliegenden Fall die Vorschriften über die sofortige Beschwerde gem. §§ 567 ff. ZPO – sind nicht ergänzend heranzuziehen (vgl. Begründung des Gesetzentwurfes zum ...

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