GKG § 63; RVG § 33
Leitsatz
Eine Festsetzung des Wertes der Tätigkeit eines Prozessbevollmächtigten für die bloße Verhandlung über nicht rechtshängige Gegenstände, über die kein Vergleich zustande kommt, ist weder nach § 63 GKG noch nach § 33 RVG möglich.
LAG Baden-Württemberg, Beschl. v. 25.7.2011 – 5 Ta 77/11
1 Sachverhalt
Im Ausgangsverfahren begehrte der Kläger zunächst die Feststellung, dass er nicht verpflichtet sei, für einen Monat im Voraus täglich Einsatzplanungen mit Zeitvorgaben bei seinem Filialdirektor abzugeben. Nach Erhalt einer Beendigungskündigung erweiterte er die Klage um einen hiergegen gerichteten Kündigungsschutzantrag. Im Gütetermin 2010 schlossen die Parteien sodann nach Erörterung einen umfassenden Vergleich unter Widerrufsvorbehalt über die Beendigung des Arbeitsverhältnisses sowie weitere, nicht anhängige Gegenständen, u. a. restliche Lohnforderung, Provisionen, Dienstwagen, Stornoreserve, Haftungsentlassung, Urlaub, Rückgabe eines Laptops, Zwischenzeugnis.
Der Vergleich wurde sodann widerrufen; die Klageforderungen wurden anerkannt.
Nach Anhörung der Parteien und ihrer Prozessbevollmächtigten hat das ArbG gem. § 63 Abs. 2 GKG den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert auf vier durchschnittliche Bruttomonatsvergütungen des Klägers (eine Vergütung für den allgemeinen Feststellungsantrag und drei Vergütungen für den Kündigungsschutzantrag) festgesetzt.
Eine Festsetzung des Wertes des Gegenstandes der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten des Klägers gem. § 33 Abs. 1 RVG hat es mit der Begründung abgelehnt, eine Wertfestsetzung nach der letztgenannten Vorschrift setze eine (gewesene) Anhängigkeit der betreffenden Gegenstände vor Gericht voraus. Dies sei für die weiter gehenden Positionen des Vergleichs nicht der Fall gewesen. Deshalb komme eine von dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert abweichende Festsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG nicht in Betracht.
Mit der Beschwerde begehren die Prozessbevollmächtigten des Klägers weiterhin die Festsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG.
Das ArbG hat der Beschwerde nicht abgeholfen, sondern diese dem LAG zur Entscheidung vorgelegt, das diese als unbegründet zurückgewiesen hat
2 Aus den Gründen
Die Beschwerde der Prozessbevollmächtigten des Klägers ist gem. § 33 Abs. 3 S. 1 RVG statthaft. Sie ist form- und fristgerecht eingelegt worden (§ 33 Abs. 3 S. 3 RVG) und auch im Übrigen zulässig, aber unbegründet. Das ArbG hat zu Recht eine Festsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG neben einer solchen gem. § 63 Abs. 2 GKG verneint. Denn im Streitfall ist kein Raum für eine Wertfestsetzung gem. § 33 Abs. 1 RVG neben einer Festsetzung gem. § 63 Abs. 2 GKG.
1. Grundsätzlich bindet § 32 Abs. 1 RVG die Gebühren des Rechtsanwalts an den für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert. Diese Bindung bleibt auch bei einer zum Wegfall der Gerichtsgebühren führenden vergleichsweisen Beilegung des Rechtsstreits insgesamt (vgl. Vorbem. 8 GKG-KostVerz.) bestehen. Denn auch bei einer zum Wegfall der Gerichtsgebühren führenden Beendigung des Rechtsstreits (beispielsweise durch Vergleich oder Klagerücknahme vor streitiger Verhandlung) ist eine Wertfestsetzung nach § 63 Abs. 2 GKG vorzunehmen (vgl. hierzu Natter/Gross-Pfitzer, ArbGG 1. Aufl. § 12 Rn 139 m. w. Nachw.). Diese ist damit nach § 32 RVG auch für die Gebühren des Rechtsanwalts bindend (vgl. Hartmann, KostG, 40. Aufl., § 32 RVG Rn 3). Für die Durchführung eines Wertfestsetzungs- und gegebenenfalls eines Gerichtsgebühren auslösenden Beschwerdeverfahrens nach § 33 RVG (vgl. insoweit Nr. 8614 GKG-KostVerz. u. § 33 Abs. 9 RVG, wonach das Beschwerdeverfahren nicht gerichtsgebührenfrei ist), ist in diesem Fall kein Raum (std. Rspr. der für Streitwertbeschwerden zuständigen Kammer des LAG Baden-Württemberg 18.2.2010 – 5 Ta 14/10).
Die Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG für die Rechtsanwaltsgebühren ist gegenüber der Wertfestsetzung gem. § 32 Abs. 2 RVG subsidiär (Hartmann, KostG, 40. Aufl., § 33 RVG Rn 3). Dem Rechtsanwalt steht kein Wahlrecht zwischen dem Antrag nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG i.V.m. § 63 Abs. 2 GKG und dem Antrag nach § 33 Abs. 1 RVG zu. Nach § 23 Abs. 1 S. 1 RVG richtet sich der Gegenstandswert der anwaltlichen Tätigkeit im gerichtlichen Verfahren nach den für die Gerichtsgebühren maßgeblichen Vorschriften und § 32 Abs. 1 RVG ordnet die Maßgeblichkeit der zu den Gerichtsgebühren getroffenen Wertfestsetzung für die Gebühren des Rechtsanwalts an. Zur Sicherstellung dieses vom Gesetzgeber angeordneten Gleichlaufs der Berechnung von Gerichtsgebühren auslösendem Streitwert und vergütungsrechtlichem Gegenstandswert kann der Rechtsanwalt nach § 32 Abs. 2 S. 1 RVG aus eigenem Recht die Festsetzung des Werts beantragen und Rechtsmittel gegen eine vorgenommene Wertfestsetzung einlegen. § 33 Abs. 1 RVG ermöglicht einen auf diese Vorschrift gestützten Antrag nur, wenn sich die Gebühren für die anwaltliche Tätigkeit in einem gerichtlichen Verfahren nicht nach dem für die Gerichtsgebühren maßgebenden Wert berechnen oder eine Wertfestsetzung für die Gerichtsgebühren im gerichtlich...