ZPO §§ 91 Abs. 2 S. 3; RVG VV Nrn. 7003-7006
Leitsatz
Ein Rechtsanwalt, der sich als Naturalpartei in eigener Sache vor einem auswärtigen Prozessgericht selbst vertritt, hat grundsätzlich Anspruch auf Erstattung seiner Reisekosten nach den Bestimmungen des RVG.
OLG München, Beschl. v. 24.4.2012 – 11 W 627/12
1 Sachverhalt
Der in Leipzig als Anwalt niedergelassene Kläger hatte sich in einem Verfahren vor dem AG München/LG München I selbst vertreten. Nach erfolgreichem Abschluss des Verfahrens meldete er seine Kosten in Höhe der Kosten eines beauftragten Anwalts an, darunter auch Reisekosten von Leipzig nach München. Die Rechtspflegerin hat die Reisekosten antragsgemäß festgesetzt. Dagegen wendet sich der Beklagte mit seiner sofortigen Beschwerde. Zur Begründung wird ausgeführt, bei einem Streitwert von 900,00 EUR und Gebühren i.H.v. 397,50 EUR könnten nicht Reisekosten als Parteikosten in Höhe von 734,24 EUR geltend gemacht werden. Die Terminsvertretung durch den Kläger selbst sei nicht notwendig gewesen, da dieser zu beiden Terminen nicht persönlich geladen gewesen sei. Er hätte sich bei dieser einfach gelagerten Sache durch einen Münchner Unterbevollmächtigten vertreten lassen können. In diesem Fall wäre nur eine 1,0-Verfahrensgebühr in Höhe von 65,00 EUR angefallen. Die Rechtspflegerin habe die Festsetzung aufgrund einer Entscheidung des 8. Zivilsenats des BGH (NJW 2003, 1534) vorgenommen, die eine dem Gesetz widersprechende Mindermeinung darstelle. Die vom 8. Zivilsenat herangezogene Bestimmung in § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO sage nur aus, dass ein Rechtsanwalt, der sich selbst vertrete, dies nicht umsonst tun müsse, sondern die gleichen Gebühren wie ein von einem anderen beauftragter Rechtsanwalt berechnen dürfe. Zur Frage, ob der Rechtsanwalt auch zu einem auswärtigen Termin reisen dürfe, enthalte die Bestimmung nichts. Demzufolge lehnten auch andere Zivilsenate des BGH die Kostenerstattung in vergleichbaren Fällen ab.
Der Kläger ist dagegen der Auffassung, bei den vom Beklagten zitierten abweichenden Entscheidungen des BGH seien die Sachverhalte im Wesentlichen anders gelagert gewesen. Es seien dort jeweils die Reisekosten von Rechtsanwälten betroffen gewesen, die von Insolvenzverwaltern an deren Sitz mit der Führung eines Rechtsstreits vor einem auswärtigen Gericht beauftragt worden seien. Der Kläger habe vorliegend aber gerade keinen Leipziger Kollegen beauftragt, sondern sich in zulässiger Weise selbst vertreten. Wenn man einen auswärts klagenden Rechtsanwalt zwingen würde, einen am Gerichtsort ansässigen Kollegen zu beauftragen, würde das generelle Selbstvertretungsrecht leer laufen.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
1. Nach der Rspr. des BGH gilt der kostenrechtliche Grundsatz, dass die Hinzuziehung eines in der Nähe des Wohn- oder Geschäftsorts ansässigen Rechtsanwalts durch eine bei einem auswärtigen Gericht klagende oder verklagte Partei im Regelfall eine Maßnahme zweckentsprechender Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung darstellt (BGH NJW 2003, 898; NJW 2007, 2048).
2. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz gilt dann, wenn schon im Zeitpunkt der Beauftragung des Rechtsanwalts feststeht, dass ein eingehendes Mandantengespräch für die Prozessführung nicht erforderlich sein wird. Dies ist regelmäßig dann anzunehmen, wenn es sich bei der fraglichen Partei um ein gewerbliches Unternehmen handelt, das über eine eigene, die Sache bearbeitende Rechtsabteilung verfügt. Eine solche Partei ist nämlich in der Lage, einen am Sitz des Prozessgerichts ansässigen Prozessbevollmächtigten schriftlich oder telefonisch zu informieren (BGH a.a.O.; BGH NJW 2003, 2027).
3. Dieser für gewerbliche Unternehmen entwickelte Grundsatz kann nach der Rspr. des BGH und des Senats im Regelfall auf einen Insolvenzverwalter übertragen werden, der selbst Rechtsanwalt ist und einen an seinem Sitz ansässigen Prozessbevollmächtigten bestellt oder gar ein Mitglied der Rechtsanwaltssozietät, der er selbst angehört. Dieser ist nämlich wie sachkundige Mitarbeiter einer Rechtsabteilung in der Lage, einen am Ort des Prozessgerichts tätigen Prozessbevollmächtigten sachgerecht über den Gegenstand des jeweiligen Verfahrens zu unterrichten. Nach der schriftlichen Übermittlung der erforderlichen Informationen kann in diesen Fällen auch die Beratung und Abstimmung des prozessualen Vorgehens schriftlich oder mit Mitteln der Telekommunikation erfolgen (BGH NJW 2004, 3187; NJW-RR 2007, 129; Senat NJW-RR 2004, 715 = AnwBl 2004, 451 = Rpfleger 2004, 376).
4. Ein Rechtsanwalt, der sich als Insolvenzverwalter oder in sonstiger Weise als Partei kraft Amtes selbst vertritt, und andere Parteien, die selbst Rechtsanwalt sind und einen in der Nähe ihrer Kanzlei ansässigen Prozessbevollmächtigten mit ihrer Vertretung vor einem auswärtigen Gericht beauftragen, können nicht abweichend behandelt werden. Auch bei diesen kann davon ausgegangen werden, dass sie aufgrund ihrer Ausbildung in der Lage sind, den maßgeblichen Sachverhalt unter Berücksichtigung juristischer Aspekte einem am Ort des Prozes...