ZPO § 4
Leitsatz
Die geltend gemachten vorprozessualen Anwaltskosten sind im Berufungsverfahren als Streitwert erhöhender Hauptanspruch zu berücksichtigen, soweit dem Kläger die zugrunde liegende Hauptforderung in erster Instanz aberkannt worden ist und er sein Begehren mit der Berufung insoweit nicht weiterverfolgt.
BGH, Beschl. v. 26.3.2013 – VI ZB 53/12
1 Sachverhalt
Die Klägerin ist Eigentümerin eines Pkw, der bei einem Verkehrsunfall beschädigt wurde. An dem Unfall beteiligt war der Beklagte zu 1) als Fahrer eines bei der Beklagten zu 2) haftpflichtversicherten Pkw. Die anwaltlich vertretene Klägerin nahm ihren Kaskoversicherer in Anspruch, der Ersatz in Höhe von 6.740,28 EUR leistete. Die Reparaturkosten belaufen sich ausweislich der Werkstattrechnung, die über einen Betrag von 6.492,47 EUR lautet, in dem Kosten für ein Ersatzfahrzeug in Höhe von 321,30 EUR brutto (270,00 EUR netto) enthalten sind, auf 6.222,47 EUR netto. Der merkantile Minderwert beträgt 750,00 EUR, die Gutachterkosten belaufen sich auf 747,81 EUR. In der Fahrzeugversicherung ist der Klägerin im Jahr 2011 durch Rückstufung ein Rabattverlust in Höhe von 103,56 EUR entstanden. Mit der Klage hat sie Ersatz weiteren Schadens in Höhe von 2.555,46 EUR begehrt. Darin enthalten ist eine Kostenpauschale von 25,00 EUR. Daneben hat sie Ersatz weiterer 693,50 EUR für die vorgerichtliche Schadensregulierung verlangt, wovon 555,60 EUR auf Anwaltskosten entfallen, die durch die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers entstanden sind. Das AG hat eine Haftung der Beklagten unter Zugrundelegung einer Haftungsquote von 50 % angenommen. Es hat die Beklagten zur Zahlung von 1.314,28 EUR nebst Zinsen verurteilt und dem Feststellungsantrag bezüglich des Anspruchs auf Ersatz des künftigen Rückstufungsschadens zur Hälfte entsprochen. Daneben hat es der Klägerin 156,50 EUR vorgerichtliche Anwaltskosten für die Geltendmachung der Ansprüche gegen die Beklagten nach einem Gegenstandswert von (1.314,28 EUR + 250,00 EUR =) 1.564,28 EUR zuerkannt. Im Übrigen hat es die Klage abgewiesen und ausgeführt, Ansprüche auf Ersatz der (gesondert in Rechnung gestellten) Mietwagenkosten und der Kosten für die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers seien nicht begründet. Für die vorgerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten sei eine 1,3-fache Geschäftsgebühr anzusetzen. Als Kostenpauschale seien nur 20,00 EUR zu ersetzen. Gegen dieses Urteil hat die Klägerin Berufung eingelegt, mit der sie – über die ihr vom AG zugesprochenen Beträge hinaus – die Verurteilung der Beklagten zur Zahlung der Anwaltskosten für die Inanspruchnahme des Kaskoversicherers (555,60 EUR) sowie – unter Zugrundelegung eines höheren Gegenstandswerts und unter Ansatz einer 1,5-fachen Geschäftsgebühr – Ersatz restlicher vorgerichtlicher Anwaltskosten für die Geltendmachung des Schadensersatzanspruchs gegen die Beklagten in Höhe weiterer 231,00 EUR begehrt.
Mit dem angefochtenen Beschluss hat das LG die Berufung als unzulässig verworfen. Es hält das Rechtsmittel für unzulässig, weil der Wert des Beschwerdegegenstands 600,00 EUR nicht übersteige (§ 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO). Die Beschwer der Klägerin betrage nur 555,60 EUR. Die daneben für die außergerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten verlangten 231,00 EUR würden als Nebenforderung geltend gemacht und wirkten sich deshalb nicht auf den Streitwert aus. Dagegen wendet sich die Klägerin mit der Rechtsbeschwerde.
2 Aus den Gründen
1. Die Rechtsbeschwerde ist gem. § 522 Abs. 1 S. 4, § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1 ZPO statthaft. Sie ist auch im Übrigen zulässig, denn eine Entscheidung des Senats ist jedenfalls zur Sicherung einer einheitlichen Rspr. erforderlich (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO).
2. Die Rechtsbeschwerde ist auch begründet. Die von der Klägerin verlangten vorprozessualen Kosten von 231,00 EUR für die außergerichtliche Inanspruchnahme der Beklagten sind entgegen der Auffassung des Berufungsgerichts streitwerterhöhend zu berücksichtigen.
a) Das Berufungsgericht ist zwar zutreffend davon ausgegangen, dass vorprozessual aufgewendete Kosten zur Durchsetzung des im laufenden Verfahren geltend gemachten Hauptanspruchs nicht werterhöhend wirken, wenn dieser Hauptanspruch Gegenstand des laufenden Verfahrens ist. Wird der materiell-rechtliche Kostenerstattungsanspruch neben der Hauptforderung, aus der er sich herleitet, geltend gemacht, ist er von dem Bestehen der Hauptforderung abhängig und stellt deshalb eine Nebenforderung i.S.v. § 4 Abs. 1 ZPO dar. Dieses – eine Werterhöhung ausschließende – Abhängigkeitsverhältnis besteht, solange die Hauptforderung Gegenstand des Rechtsstreits ist (vgl. Senatsurt. v. 12.6.2007 – VI ZR 200/06, Schaden-Praxis 2007, 370 [= AGS 2007, 578]; Senatsbeschl. v. 15.5.2007 – VI ZB 18/06, VersR 2007, 1713 [= AGS 2007, 516]; v. 25.9.2007 – VI ZB 22/07, NJW-RR 2008, 374; u. v. 4.12.2007 – VI ZB 73/06, VersR 2008, 557 [= AGS 2008, 187]; BGH, Beschl. v. 30.1.2007 – X ZB 7/06, VersR 2007, 1102 [= AGS 2007, 231]).
b) Etwas anderes gilt jedoch, wenn und soweit der geltend gemachte Hauptanspruch nic...