ZPO §§ 100 Abs. 4, 91 Abs. 1
Leitsatz
- Schließen die Parteien einen Vergleich, in dem sich die Beklagten zur Zahlung der Hauptforderung als Gesamtschuldner verpflichten, wird hinsichtlich der Kosten jedoch nur vereinbart, dass die Beklagten die Kosten tragen, so kommt eine gesamtschuldnerische Haftung der Beklagten für die Kosten nicht in Betracht.
- Die Reisekosten einer Partei zum Termin sind stets erstattungsfähig, unabhängig davon, ob das Gericht das persönliche Erscheinen der Partei angeordnet hatte.
LG Baden-Baden, Beschl. v. 17.6.2013 – 4 O 333/11
1 Sachverhalt
Die Parteien hatten im Termin zur mündlichen Verhandlung einen Vergleich geschlossen, wonach die drei Beklagten sich verpflichtet hatten, an den Kläger eine bestimmte Geldsumme als Gesamtschuldner zu zahlen. Hinsichtlich der Kosten wurde lediglich vereinbart, dass die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits einschließlich des Vergleichs tragen. Der Kläger beantragte daraufhin die Festsetzung seiner Kosten, und zwar gesamtschuldnerisch gegen sämtliche Beklagten zu 1) bis 3). Die Beklagten widersprachen, da nur hinsichtlich der Hauptforderung, nicht aber hinsichtlich der Kosten eine gesamtschuldnerische Haftung vereinbart worden sei. Auf die Vorschrift des § 100 Abs. 4 ZPO könne nicht abgestellt werden, da diese nur dann gelte, wenn die gesamtschuldnerische Haftung in der Hauptsache durch Urteil erfolge. Der Festsetzungsantrag des Klägers wurde insoweit zurückgewiesen.
2 Aus den Gründen
Werden mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt, so haften sie auch für die Kostenerstattung, unbeschadet der Vorschrift des Abs. 3, als Gesamtschuldner (§ 100 Abs. 4 S. 1 ZPO). Voraussetzung gesamtschuldnerischer Haftung ist, dass sie bezüglich der Hauptsache in der Urteilsformel ausgesprochen oder wenigstens in den Gründen erkennbar gemacht ist (vgl. Zöller, ZPO, 29. Aufl., § 100 Rn 11).
Vorliegend wurde ein Vergleich zwischen den Parteien geschlossen. Ein Vergleich ist ein Vertrag, durch den der Streit oder die Ungewissheit der Parteien über ein Rechtsverhältnis im Wege gegenseitigen Nachgebens beseitigt wird (§ 779 BGB).
Im § 1 des Vergleichs heißt es, "die Beklagten bezahlen als Gesamtschuldner an den Kläger (…) gemäß § 2 des Vergleichs "tragen die Beklagten die Kosten des Rechtsstreits und dieses Vergleichs"."
In der Hauptsache ist die gesamtschuldnerische Haftung unstreitig geregelt. Vorliegend handelt es sich jedoch gerade nicht um ein Urteil, sondern um einen Vergleich. Sie wurden somit gerade nicht als Gesamtschuldner "verurteilt", sondern die Parteien einigten sich in der Hauptsache auf die gesamtschuldnerische Leistung. Im Kostenpunkt bestimmten die Parteien hingegen keine gesamtschuldnerische Haftung. Der Rechtsnatur des Vergleichs ist es ferner geschuldet, dass auch nicht in den Gründen einer gesamtschuldnerischen Haftung eruiert werden könnte. Dass eine gesamtschuldnerische Haftung von den Parteien gewollt war, kann mangels ausdrücklicher Bestimmung im Vergleich weder angenommen noch entsprechend (§ 100 Abs. 4 ZPO) ausgelegt werden. Mangels ausdrücklicher Regelung muss sogar angenommen werden, dass eine gesamtschuldnerische Haftung im Kostenpunkt von den Parteien nicht gewollt war, weshalb im Zweifel nach Kopfteilen festzusetzen war (§ 420 BGB).
Jeder Partei muss das Recht zugestanden werden – auch neben ihrem Prozessbevollmächtigten – persönlich der Verhandlung ihres eigenen Rechtsstreits beizuwohnen, sodass die Kosten, die eine anwaltlich vertretende Partei für die Teilnahme an einem Gerichtstermin aufwendet, unabhängig davon zu erstatten sind, ob das Gericht das persönliche Erscheinen angeordnet hatte oder nicht (vgl. OLG Köln v. 19.4.2006 – 17 W 63/06; OLG Karlsruhe v. 16.11.1978 – 13 W 170/78).
3 Anmerkung
Die ZPO kennt eine gesamtschuldnerische Kostenhaftung mehrerer Streitgenossen grundsätzlich nicht. Vielmehr gilt der Grundsatz, dass mehrere Streitgenossen gem. § 100 Abs. 1 ZPO nach Kopfteilen haften.
Eine Ausnahme enthält § 100 Abs. 4 ZPO. Danach ist eine gesamtschuldnerische Haftung für die Kosten des Verfahrens möglich und somit auch eine Kostenfestsetzung gegen mehrere Streitgenossen als Gesamtschuldner.
Eine solche gesamtschuldnerische Haftung kommt allerdings nur für mehrere Beklagte in Betracht, nicht auch für mehrere Kläger. Darüber hinaus setzt die Vorschrift des § 100 Abs. 4 ZPO voraus, dass mehrere Beklagte als Gesamtschuldner verurteilt worden sind. Daran fehlte es hier. Es liegt keine "Verurteilung" vor, sondern eine vergleichsweise Übernahme. Nach einhelliger Kommentierung reicht eine vergleichsweise Übernahme der Klageforderung als Gesamtschuldner nicht aus, um damit allein schon eine gesamtschuldnerische Haftung auch für die Kosten zu begründen. Dazu besteht auch kein Anlass, weil die Parteien im Vergleich ohne Weiteres die gesamtschuldnerische Haftung vereinbaren können.
Im zugrunde liegenden Fall war die angefallene Vergütung des klägerischen Prozessbevollmächtigten sowie die 1,0-Gerichtsgebühr der Nrn. 1210, 1211 Nr. 3 GKG-KostVerz. kopfanteilig, gegen die Beklagten festzusetzen...