RVG § 15 Abs. 2 S. 1 RVG VV Vorbem. 4.2, Nr. 7002
Leitsatz
Bei einem Beschwerdeverfahren in Strafvollstreckungssachen handelt es sich um eine "besondere Angelegenheit" i.S.d. § 15 RVG. Die Postentgeltpauschale der Nr. 7002 VV kann deshalb im Beschwerdeverfahren gesondert verlangt werden.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 29.4.2013 – 1 Ws 46/13
1 Sachverhalt
Die Strafvollstreckungskammer hatte durch Beschluss festgestellt, dass die von Gesetzes wegen eingetretene Führungsaufsicht des Verurteilten nicht entfällt, die Dauer der Führungsaufsicht auf fünf Jahre festgesetzt sowie Auflagen und Weisungen für die Dauer der Führungsaufsicht erteilt. Dagegen hat der Verurteilte durch seinen Anwalt Beschwerde gem. §§ 463 Abs. 2, 453 Abs. 2, 304 StPO eingelegt. Der Vorsitzende des Strafsenats hat den Anwalt daraufhin als Pflichtverteidiger gem. § 140 Abs. 2 StPO beigeordnet. Später hat der Senat dann die die Beschwerde als unbegründet verworfen.
Der Pflichtverteidiger beantragte daraufhin beim LG, seine Vergütung für das Beschwerdeverfahren mit 309,40 EUR festzusetzen, und zwar 132,00 EUR Grundgebühr, 108,00 EUR Verfahrensgebühr für sonstige Verfahren in der Strafvollstreckung, 20,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale, 49,40 EUR Umsatzsteuer. Die Kostenbeamtin des LG hat die erstattungsfähigen Kosten auf 128,52 EUR festgesetzt, dabei vom Kostenantrag des Verteidigers 132,00 EUR Grundgebühr sowie die Postentgeltpauschale von 20,00 EUR in Abzug gebracht, da diese im Strafvollstreckungsverfahren (Grundgebühr) bzw. im Beschwerdeverfahren (Post- und Telekommunikationspauschale) nicht (noch einmal) entstanden seien. Der festgesetzte Betrag errechnet sich somit aus 108,00 EUR Verfahrensgebühr für sonstige Verfahren in der Strafvollstreckung gem. Nr. 4204 VV sowie 20,52 EUR Umsatzsteuer Nr. 7008 VV.
Gegen diesen Festsetzungsbeschluss hat der Verteidiger Erinnerung eingelegt und diese auf die Versagung der Erstattung der Post- und Telekommunikationspauschale nebst Umsatzsteuer (20,00 EUR und 3,80 EUR) beschränkt. Der Verteidiger des Betroffenen vertritt die Auffassung, dass auch im Beschwerdeverfahren die Post- und Telekommunikationspauschale angefallen sei.
Der Bezirksrevisor hat beantragt, die Erinnerung als unbegründet zurückzuweisen, da die Postentgeltpauschale im erstinstanzlichen Strafvollstreckungsverfahren und im strafvollstreckungsrechtlichen Beschwerdeverfahren nur einmal entstehe.
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle des LG hat der Erinnerung nicht abgeholfen und die Sache der Strafvollstreckungskammer zur Entscheidung vorgelegt. Diese hat die Kostenfestsetzung insoweit aufgehoben, als die Festsetzung einer Pauschale für Post- und Telekommunikationsleistungen abgesehen worden ist und die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle angewiesen, bei der erneuten Festsetzung der genannten Pauschale auch für das Beschwerdeverfahren zu berücksichtigen und den zusätzlichen Betrag nebst darauf entfallender Mehrwertsteuer zur Auszahlung anzuweisen.
Gegen diese Entscheidung hat der Bezirksrevisor die vom LG zugelassene Beschwerde eingelegt, der das LG nicht abgeholfen hat.
Die Beschwerde hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Gem. § 15 Abs. 2 S. 2 RVG kann der Rechtsanwalt im Grundsatz "die Gebühren" in jedem Rechtszug fordern (vgl. auch § 17 Nr. 9 RVG). Damit korrespondiert die Vorbem. 4.2 VV (Abschnitt 2: Gebühren in der Strafvollstreckung), wonach im Verfahren über die Beschwerde gegen die Entscheidung in der Hauptsache "die Gebühren" besonders entstehen. Soweit ersichtlich wird in der obergerichtlichen Rspr. zu diesen Gebühren auch die Auslagenpauschale gerechnet (vgl. OLG Braunschweig StraFo 2009, 348; OLG Schleswig AGS 2005, 444).
Zwar spricht gegen diese Auslegung § 1 Abs. 1 S. 1 RVG, wonach sich die anwaltliche Vergütung aus den "Gebühren" und den "Auslagen" zusammensetzt, sodass zu den "Gebühren" an sich nicht die "Auslagen" gehören, damit auch nicht die Postentgeltpauschale. Andererseits bestimmt Nr. 7002 VV, dass die Pauschale für Entgelte für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen "in jeder Angelegenheit" anstelle der tatsächlichen Auslagen nach Nr. 7001 VV gefordert werden können. Damit besteht ein Widerspruch zwischen § 15 Abs. 2 S. 2 RVG, nach der der Rechtsanwalt nur "Gebühren" in jedem Rechtszug fordern kann, und Nr. 7002 VV, die dieses auch für "Auslagen" ermöglicht. Entsprechend drängt sich die Frage auf, ob die einfachgesetzliche Regelung des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG der Anm. zu Nr. 7002 VV vorgeht. Dies kann letztlich jedoch dahin gestellt bleiben, da die Vorschrift des § 15 Abs. 2 S. 2 RVG entgegen dem Wortlaut und der Regelung des § 1 Abs. 1 S. 1 RVG dahingehend auszulegen ist, dass jedenfalls neben Gebühren auch Auslagen erfasst sind. Hierfür spricht die historische Auslegung. Denn in den Gesetzesmaterialien (BT-Drucks 15/1971, Entwurf Kostenrechtsmodernisierungsgesetz, S. 229) wird für die Beschwerdegebühren des vorliegend einschlägigen Abschnitts 2 hervorgehoben, dass die insoweit gesondert anfallenden Gebühren nicht wie nach der Vorbem. 4.1 VV (zu Abschnitt 1...