BerHG §§ 2 Abs. 2, 6 RVG § 44
Leitsatz
- Den §§ 2 Abs. 2, 6 BerHG lässt sich keine Definition des Begriffs "Angelegenheit" entnehmen. Deshalb kann grundsätzlich das entsprechende Begriffsverständnis aus dem RVG auf das BerHG übertragen werden.
- Im Bereich familienrechtlicher Beratungsgegenstände werden unterschiedliche juristische Auffassungen vertreten. Der Senat schließt sich der Auffassung an, dass in generalisierender Betrachtung von bis zu vier möglichen Angelegenheiten auszugehen sei, nämlich:
- Scheidung als solche,
- persönliches Verhältnis zu den Kindern (Personensorge, Umgangsrecht),
- Fragen im Zusammenhang mit der Ehewohnung und dem Hausrat,
- finanzielle Auswirkungen von Trennung und Scheidung (Unterhalt, Güterrecht, Vermögensauseinandersetzung).
OLG Schleswig, Beschl. v. 25.4.2013 – 9 W 41/13
1 Sachverhalt
Das AG hatte der Beteiligten, die sich von ihrem Ehemann getrennt hatte, Beratungshilfe "für folgende Angelegenheit": "Beratung/Vertretung a) Trennung, b) Umgang, c) Unterhalt, d) Fahrzeug" gewährt. Die Antragstellerin, die für die Beteiligte als Rechtsanwältin in den vier Komplexen tätig geworden war, beantragte daraufhin die Festsetzung von Gebühren und Auslagen in Höhe von 4 x jeweils 99,96 EUR (Gebühr gem. Nr. 2503 VV in Höhe von 70,00 EUR zzgl. 14,00 EUR Post- und Telekommunikationspauschale gem. Nr. 7002 VV und 19 % Umsatzsteuer). Der Rechtspfleger setzte zugunsten der Antragstellerin 99,96 EUR fest und lehnte eine weitergehende Festsetzung ab. Die gegen den ablehnenden Beschluss gerichtete Erinnerung der Antragstellerin wies das AG nach Nichtabhilfe durch den Rechtspfleger zurück. In dem Beschluss wurde die Beschwerde zugelassen. Das LG wies die Beschwerde zurück und ließ die weitere Beschwerde zu. Auf die weitere Beschwerde der Antragstellerin hob der Senat den Beschluss des LG auf und verwies die Sache zur erneuten Verhandlung und Entscheidung an das LG zurück, weil der Einzelrichter der Sache rechtsgrundsätzliche Bedeutung beigemessen und gleichwohl die Sache nicht der Kammer übertragen hatte. Das LG wies die Beschwerde der Antragstellerin daraufhin erneut zurück und ließ wiederum die weitere Beschwerde zu, und zwar nunmehr durch Beschluss der Kammer.
Mit ihrer weiteren Beschwerde beansprucht die Antragstellerin weiterhin die Festsetzung von weiteren 3 x 99,96 EUR mit der Begründung, dass der Beteiligten Beratungshilfe für vier Angelegenheiten bewilligt worden sei und sie, die Antragstellerin, unbestritten in diesen vier Angelegenheiten tätig geworden sei. Sie hat auf Nachfrage des Senats klargestellt, dass sie die festgesetzten 99,96 EUR als für die Angelegenheit "Trennung" festgesetzt ansehe.
Die weitere Beschwerde hatte teilweise Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Antragstellerin kann entgegen der Annahme des LG für die von ihr entfalteten Tätigkeiten aufgrund der gewährten Beratungshilfe Gebühren und Auslagen für insgesamt drei Angelegenheiten beanspruchen, also zwar nicht weitere 3 x 99,96 EUR, wohl aber weitere 2 x 99,96 EUR.
Nach den §§ 2 Abs. 2, 6 BerHG wird Beratungshilfe in "Angelegenheiten" gewährt. Daraus folgt, dass einem Rechtsanwalt, der im Rahmen der Beratungshilfe tätig wird und dafür gem. § 44 Abs. 1 S. 1 RVG nach den Bestimmungen des RVG aus der Landeskasse zu vergüten ist, eine Vergütung pro Angelegenheit zusteht, auch wenn nur ein Beratungshilfeschein erteilt worden ist. Wann allerdings von mehreren Angelegenheiten und wann von nur einer Angelegenheit auszugehen ist, lässt sich dem BerHG nicht entnehmen. Eine Definition des Begriffs "Angelegenheit" enthält das BerHG nicht.
Der Begriff der Angelegenheit findet sich auch im RVG. Nach allgemeiner Ansicht kann das dortige Begriffsverständnis grundsätzlich auf das BerHG übertragen werden (OLG Hamm, Beschl. v. 11.3.2011 – 25 W 499/10). Entscheidend für das Vorliegen einer Angelegenheit nach dem RVG ist, ob ein gleichzeitiger Auftrag, ein gleicher Rahmen und ein innerer Zusammenhang gegeben ist; insgesamt muss ein zeitlicher und sachlicher Zusammenhang der Bearbeitung bestehen (Gerold/Schmidt/Madert, RVG, 18. Aufl., § 15 Rn 7 ff.).
Bei der Ausfüllung dieser Kriterien werden im Bereich familienrechtlicher Beratungsgegenstände unterschiedliche Auffassungen vertreten.
Nach einer Ansicht, der auch das LG folgt, handelt es sich um zwei Angelegenheiten, wenn die Beratung Regelungen für die Zeit vor Rechtskraft der Scheidung (Trennungszeit) und solche danach betrifft. Danach können allerdings auch nicht mehr als zwei Angelegenheiten vorliegen. Aus der Vorschrift § 16 Nr. 4 RVG, nach der eine Scheidungssache und die Folgesachen dieselbe Angelegenheit sind, könne abgeleitet werden, dass der Gesetzgeber die Trennungszeit und die dafür zu treffenden Regelungen nicht als zur Scheidungssache und den Folgesachen gehörend ansehe. Daraus folge, dass die Rechtskraft der Scheidung eine Zäsur bilde und Beratungen für die Zeit davor und danach zwei Angelegenheiten betreffen würden. Dass die Beratung für die Trennungszeit als nur eine Angelegenheit eingeordnet würde, biete den Vorteil, dass der Urkundsbe...