RVG §§ 31, 15 Abs. 5 S. 2; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 6
Leitsatz
Für die Berechnung der Zweijahresfrist des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG, nach deren Ablauf im Falle der Zurückverweisung eine Anrechnung ausgeschlossen wird, kommt es nicht auf die Verkündung des Rechtsmittelurteils an, sondern auf den Zeitpunkt der Kenntnisnahme des Rechtsanwalts von der Zurückverweisung.
OLG Hamburg, Beschl. v. 4.4.2014 – 8 W 84/13
1 Aus den Gründen
Die bis zum Urteil des OLG vom 21.7.2009 entstandene Verfahrensgebühr ist nicht nach Vorbem. 3 Abs. 6 VV auf die nach der Zurückverweisung durch den BGH entstandene Verfahrensgebühr für das erneute Verfahren anzurechnen. Die in dieser Vorschrift bestimmte Anrechnung der Verfahrensgebühr ist nach § 15 Abs. 2 S. 2 RVG ausgeschlossen. Danach entfällt die Anrechnung und gilt die weitere Tätigkeit als neue Angelegenheit, wenn der frühere Auftrag seit mehr als zwei Jahren erledigt ist. Das ist hier der Fall.
In Rspr. u. Lit. besteht uneingeschränkte Einigkeit dahingehend, dass § 15 Abs. 5 S. 2 RVG auch bei einer Zurückverweisung gem. § 21 RVG eingreift (OLG Köln OLGR 2009, 601 f.; OLG München OLGR 2006, 681; OLG Düsseldorf OLGR 2009, 455).
Für die Frage des Fristablaufs kommt es entgegen der Ansicht der Beklagten und des LG nicht auf den Zeitpunkt der Urteilsverkündung am 8.12.2011 an, wodurch der Rechtstreit unmittelbar wieder beim OLG anhängig geworden ist. Vielmehr ist auf den Zeitpunkt der Entgegennahme der Information des Rechtsanwalts für das weitere Tätigwerden abzustellen (so ausdrücklich OLG Köln OLGR 2009, 601, bzw. auf den Zeitpunkt des Ansinnens, in derselben Angelegenheit erneut oder weiter tätig zu werden (so Gerold/Schmidt-Mayer, RVG, 21. Aufl., § 15 Rn 125), Dafür spricht zum einen der Wortlaut des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG. Er stellt auf die weitere Tätigkeit ab (auf die Aufnahme der weiteren anwaltlichen Tätigkeit stellt im Übrigen der von der Beklagten zitierte Beschl. d. FG Baden-Württemberg v. 10.3.2011 ab). Eine weitere Tätigkeit setzt notwendigerweise zunächst eine Kenntnis von der Zurückverweisung voraus. Zum anderen und insbesondere spricht für die Maßgeblichkeit des Zeitpunktes der Kenntnisnahme von der Zurückverweisung der Sinn und Zweck dieser Bestimmung. Mit ihr soll nach der Gesetzesbegründung dem Umstand Rechnung getragen werden, dass ein Rechtsanwalt, der eine längere Zeit mit der Sache nicht befasst war, sich in diese erneut einarbeiten muss (BGH NJW 2006, 861 f.; OLG München a.a.O.). Eine erneute Befassung bzw. eine erneute Einarbeitung kann aber erst dann erfolgen, wenn von der Zurückverweisung Kenntnis genommen werden konnte.
Diese Kenntnis bestand im vorliegenden Fall ausweislich des in der Akte befindlichen Empfangsbekenntnisses erst mit der Zustellung des BGH-Urteils am 11.1.2012. Das war zwei Kalenderjahre nach Erledigung des Auftrags. Diese war unstreitig am 31.12.2009.
2 Anmerkung
Die Entscheidung des OLG, so erfreulich sie für die Anwaltschaft ist, ist – jedenfalls in der Begründung – unzutreffend.
Es fehlen bereits die erforderlichen Feststellungen zum Sachverhalt, nämlich zur Auftragslage. Insoweit kommt es nämlich darauf an, ob der Anwalt bereits bedingt für den Fall der Zurückverweisung mit der Durchführung des Verfahrens nach Zurückverweisung beauftragt war oder nicht.
War der Anwalt zuvor noch nicht zur Vertretung im erneuten Berufungsverfahren beauftragt, dann kommt es weder auf die Zurückverweisung noch auf die Kenntnis darüber an, sondern ausschließlich auf das Datum der Auftragserteilung für die Vertretung im erneuten Berufungsverfahren.
War dem Anwalt dagegen bereits vorab der Auftrag erteilt worden, im Falle der Zurückverweisung auch im weiteren Berufungsverfahren für den Auftraggeber tätig zu werden, so gilt allgemeines BGB, und zwar § 158 BGB. Mit Eintritt der Bedingung kommt das Rechtsgeschäft zustande. Auf eine Kenntnis des Bedingungseintritts durch eine der Vertragsparteien stellt das BGB nicht ab. Dies wäre auch gar nicht praktikabel. Auf die Kenntnis welchen Vertragspartners soll denn dann abgestellt werden – des Anwalts oder des Auftraggebers? In diesem Fall wäre daher die Frist von zwei Kalenderjahren bei Bedingungseintritt noch nicht abgelaufen gewesen.
Norbert Schneider
AGS 6/2014, S. 267 - 268