Die Erinnerung ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht verwirkt.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich keine Frist festgelegt, innerhalb derer die Erinnerung einzulegen ist, vielmehr hat der Gesetzgeber die unbefristete Erinnerung zugelassen. Daher kann nicht das Gericht eigene Rechtsmittelfristen, etwas von drei Monaten, konstruieren. Insoweit gilt die Bindung der Rspr. an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Gebot der Rechtsmittelklarheit, welches es ausschließt, dass die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von nicht im Gesetz festgelegten ungeschriebene Voraussetzungen abhängt.

Das BVerfG hat insoweit ausgeführt (Plenarbeschluss v. 30.4.2003 -1 PBvU 1/02):

"Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wirkt sich im Bereich des Verfahrensrechts unter anderem in dem Postulat der Rechtsmittelklarheit aus. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (…). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist. Sind die Formerfordernisse so kompliziert und schwer zu erfassen, dass nicht erwartet werden kann, der Rechtsuchende werde sich in zumutbarer Weise darüber Aufklärung verschaffen können, müsste die Rechtsordnung zumindest für eine das Defizit ausgleichende Rechtsmittelbelehrung sorgen (…). Diese kann aber zuverlässig nur erteilt werden, wenn die Zulässigkeitsvoraussetzungen des jeweiligen Rechtsbehelfs in der Rechtsordnung geregelt sind."

Hinzu kommt vorliegend, dass es hier um den erstmaligen Zugang zu einer richterlichen Entscheidung geht, so dass auch die Rechtswegegarantie gem. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG betroffen ist. Die Beschreitung dieses Rechtsweges und der erstmalige Zugang zu einer richterlichen Entscheidung darf nicht von nicht im Gesetz geregelten Voraussetzungen abhängig gemacht werden.

Ob es Extremfälle geben kann, bei welchen nach langem Zeitablauf eine Erinnerung tatsächlich verwirkt ist, braucht vorliegend nicht entschieden zu werden. Nach einem Ablauf von wie vorliegend noch nicht einmal einem Jahr kann jedenfalls eine Verwirkung nicht angenommen werden.

Die Erinnerung ist auch begründet ... (wird ausgeführt) …

AGS 6/2014, S. 292 - 293

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