Leitsatz

  1. Der Gesetzgeber hat ausdrücklich keine Frist festgelegt, innerhalb derer die Erinnerung einzulegen ist, vielmehr hat der Gesetzgeber die unbefristete Erinnerung zugelassen. Daher kann nicht das Gericht eigene Rechtsmittelfristen, etwa von drei Monaten, konstruieren. Insoweit gilt die Bindung der Rspr. an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Gebot der Rechtsmittelklarheit, welches es ausschließt, dass die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von nicht im Gesetz festgelegten ungeschriebene Voraussetzungen abhängt.
  2. Hinzu kommt vorliegend, dass es hier um den erstmaligen Zugang zu einer richterlichen Entscheidung geht, so dass auch die Rechtsweggarantie gem. Art. 19 Abs. 4 S. 1 GG betroffen ist. Die Beschreitung dieses Rechtswegs und der erstmalige Zugang zu einer richterlichen Entscheidung darf nicht von nicht im Gesetz geregelten Voraussetzungen abhängig gemacht werden.
  3. Grundsätzlich soll die Beratung den Unbemittelten in die Lage versetzen, selbst tätig zu werden und auf Grundlage der ihm erteilten Rechtsberatung die erforderlichen Schreiben selbst zu fertigen. Eine Geschäftsgebühr (Nr. 2503 VV) kann daher nur bewilligt werden, wenn die Vertretung (in der Regel: Fertigung von Schriftsätzen an den Gegner) erforderlich i.S.d. § 2 Abs. 1 BerHG war. Dies ist im Vergütungsfestsetzungsverfahren zu prüfen. Erforderlich ist die Vertretung dann, wenn in dem Schreiben Rechtsausführungen zu machen sind. Bei Ausführungen, die ein Antragsteller auch selbst machen kann (Ausführungen nur zum Sachverhalt, Ratenzahlungsangebote) ist eine Vertretung nicht erforderlich. Die Erforderlichkeit einer Vertretung wird nicht dadurch begründet, dass ein anwaltlicher Schriftsatz beim Gegner größeren Eindruck macht als ein selbst gefertigtes Schreiben. Sie wird aber auch nicht dadurch begründet, dass der Antragsteller Probleme hat, die sich nicht aus dem Mangel an Rechtskenntnissen ergeben, etwa wenn er nicht oder nur schlecht deutsch spricht, Schwierigkeiten mit dem Verfassen von Schriftstücken hat oder körperbehindert ist. Beratungshilfe gewährt dem Unbemittelten eine rechtliche Beratung, nicht eine allgemeine Schreib- oder Lebenshilfe. Es ist nicht Aufgabe der Beratungshilfe, die Nachteile auszugleichen, die sich aus der sozialen, persönlichen oder gesundheitlichen Lage des Antragstellers ergeben. Vielmehr soll die Beratungshilfe nur die Nachteile ausgleichen, die sich daraus ergeben, dass sich der Antragsteller wegen Mittellosigkeit keine anwaltliche Beratung leisten kann.

AG Halle (Saale), Beschl. v. 6.3.2014 – 103 II 980/13

1 Sachverhalt

Der antragstellende Rechtsanwalt hatte unter dem 28.1.2013 einen Antrag auf nachträgliche Bewilligung von Beratungshilfe eingereicht und zugleich beantragt, seine Gebühren und Auslagen auf 99,96 EUR festzusetzen. Mit Beschl. v. 24.6.2013 hat die Rechtspflegerin nachträglich Beratungshilfe bewilligt und die dem Rechtsanwalt zustehende Vergütung auf 35,70 EUR festgesetzt. Im Übrigen hat sie den Antrag zurückgewiesen, da die Voraussetzungen für die Bewilligung einer Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV nicht vorlägen. Dieser Beschluss ist dem Rechtsanwalt formlos übersandt worden. Mit Erinnerung vom 30.1.2014, bei Gericht eingegangen am selben Tag, hat der Rechtsanwalt gegen die Vergütungsfestsetzung Erinnerung eingelegt, soweit sein Antrag auf Festsetzung der Vergütung zurückgewiesen wurde. Die Rechtspflegerin hat mit der Erinnerung nicht abgeholfen, da allgemein nach Ablauf von drei Monaten nach Zustellung das unbefristete Erinnerungsrecht als verwirkt anzusehen sei.

2 Aus den Gründen

Die Erinnerung ist zulässig. Insbesondere ist sie nicht verwirkt.

Der Gesetzgeber hat ausdrücklich keine Frist festgelegt, innerhalb derer die Erinnerung einzulegen ist, vielmehr hat der Gesetzgeber die unbefristete Erinnerung zugelassen. Daher kann nicht das Gericht eigene Rechtsmittelfristen, etwas von drei Monaten, konstruieren. Insoweit gilt die Bindung der Rspr. an Recht und Gesetz (Art. 20 Abs. 3 GG) und das Gebot der Rechtsmittelklarheit, welches es ausschließt, dass die Zulässigkeit eines Rechtsmittels von nicht im Gesetz festgelegten ungeschriebene Voraussetzungen abhängt.

Das BVerfG hat insoweit ausgeführt (Plenarbeschluss v. 30.4.2003 -1 PBvU 1/02):

"Wesentlicher Bestandteil des Rechtsstaatsprinzips ist der Grundsatz der Rechtssicherheit. Er wirkt sich im Bereich des Verfahrensrechts unter anderem in dem Postulat der Rechtsmittelklarheit aus. Das rechtsstaatliche Erfordernis der Messbarkeit und Vorhersehbarkeit staatlichen Handelns führt zu dem Gebot, dem Rechtsuchenden den Weg zur Überprüfung gerichtlicher Entscheidungen klar vorzuzeichnen (…). Die rechtliche Ausgestaltung des Rechtsmittels soll dem Bürger insbesondere die Prüfung ermöglichen, ob und unter welchen Voraussetzungen es zulässig ist. Sind die Formerfordernisse so kompliziert und schwer zu erfassen, dass nicht erwartet werden kann, der Rechtsuchende werde sich in zumutbarer Weise darüber Aufklärung verschaffen können, müsste die Rechtsordnung zumindest für eine das Defizit ausglei...

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