Leitsatz
- Vertritt der Anwalt sowohl den Kläger als auch den Drittwiderbeklagten, so liegt für ihn nur eine Gebührenangelegenheit vor, so dass er seine Gebühren und Auslagen nur einmal erhält.
- Soweit Klage und Widerklage verschiedene Streitgegenstände betreffen, sind die Werte von Klage und Widerklage allerdings zu addieren. Eine Gebührenerhöhung nach Nr. 1008 VV entsteht in diesem Falle nicht.
OLG Köln, Beschl. v. 1.4.2015 – 17 W 37/15
1 Sachverhalt
Der Kläger nahm die Beklagte auf Zahlung in Anspruch. Im Verlauf des Rechtsstreits erhob die Beklagte negative Feststellungsklage als Drittwiderklage. Für den Drittwiderbeklagten bestellte sich derselbe Prozessbevollmächtigte, der bereits den Kläger vertrat. Der Rechtsstreit endete mit einem Vergleich. Danach haben der Kläger und der Drittwiderbeklagte als Gesamtschuldner 88 % der Kosten des Rechtsstreits zu tragen, die Beklagte 12 %. Den Streitwert hat das LG auf bis zu 110.000,00 EUR festgesetzt.
Der Kläger und der Drittwiderbeklagte haben separate Kostenfestsetzungsanträge gestellt (4.615,89 EUR bzw. 5.663,21 EUR). Zur Begründung der separaten Kostenfestsetzungsanträge berufen sie sich auf eine Entscheidung des OLG Stuttgart (NJW 2013, 63 = AGS 2013, 324). Sie sind der Ansicht, bei der Verfolgung des Klageanspruchs für die Klägerin und der Abwehr der negativen Feststellungsklage für den Drittwiderbeklagten handele es sich nicht um dieselbe Angelegenheit im gebührenrechtlichen Sinne. Der anwaltlichen Tätigkeit für den Kläger einerseits und derjenigen für den Drittwiderbeklagten andererseits fehle es an einer übereinstimmenden Zielsetzung. Vielmehr sei diese sogar konträr. Während mit der Klage die Durchsetzung eines Anspruchs verfolgt worden sei, sei es bei der Drittwiderklage darum gegangen, einen Anspruch abzuwehren.
Dieser Rechtsansicht tritt die Beklagte entgegen. Sie beruft sich hierzu auf Entscheidungen des OLG München (JurBüro 1995, 138) und des LG Düsseldorf (AGS 2010, 321). Sie ist der Ansicht, es handele sich nur um eine Angelegenheit i.S.d. § 15 Abs. 2 RVG. Entscheidend sei nicht die Gleichartigkeit der geltend gemachten Ansprüche, sondern es komme darauf an, ob diese Gegenstand eines einzigen Prozesses seien. Verschiedene Gegenstände stellten im selben Verfahren lediglich eine einzige Angelegenheit dar.
Der Rechtspfleger hat das Kostenfestsetzungsverfahren unter Hinweis auf ein gerade beim Senat anhängiges Beschwerdeverfahren mit selbiger Rechtsproblematik ausgesetzt. Nachdem seitens des Senats dort eine Entscheidung ergangen war, hat er das Verfahren wieder aufgenommen und einen Kostenfestsetzungsbeschluss erlassen. Bei der Kostenausgleichung hat er zugunsten des Klägers bzw. des Driftwiderbeklagten zusammen lediglich 5.633,21 EUR an Kosten berücksichtigt. Seine Festsetzung lautet dahingehend, dass der Kläger und der Drittwiderbeklagte 4.201,32 EUR an die Beklagte zu erstatten haben.
Der sofortigen Beschwerde des Klägers und des Drittwiderbeklagten hat der Rechtspfleger nicht abgeholfen und die Sache dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO i.V.m. § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auch im Übrigen unbedenklich zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache nur teilweise Erfolg. Die Beklagte kann von Klägerin und dem Drittwiderbeklagten 4.037,11 EUR erstattet verlangen.
Obwohl der Rechtspfleger das Beschwerdeverfahren zu Recht bis zur Entscheidung des Senats in einer rechtlich gleich gelagerten Parallelsache ausgesetzt hatte, hat er sich an dessen Ausführungen bei Erlass des Kostentestsetzungsbeschlusses unverständlicherweise nicht gehalten, hat insbesondere § 22 Abs. 1 RVG missachtet. Zum Nachteil des Klägers bzw. des Drittwiderbeklagten hat er die Kostenausgleichung nunmehr so vorgenommen, als hätte deren Prozessbevollmächtigter nur eine einzige Partei vertreten.
1. Soweit der Prozessbevollmächtigte des Klägers zugleich den Drittwiderbeklagten im Rechtsstreit vertreten hat, liegt eine einzige gebührenrechtliche Angelegenheit mit zwei Gegenständen vor.
a) Das RVG verwendet den Begriff der Angelegenheit, der im Übrigen nicht weiter gesetzlich definiert ist, in einem besonderen gebührenrechtlichen Sinne. Angelegenheit ist danach der Rahmen, der eine Vielzahl von anwaltlichen Tätigkeiten in einer gebührenrechtlichen Einheit zusammenschließt Dabei sollen alle Tätigkeiten, die innerhalb der Gebühreneinheit "Angelegenheit" entfaltet werden, durch die einmal entstandenen Gebühren abgegolten werden (§ 15 Abs. 1 u. 2 RVG). Die Angelegenheit ist also das Mittel, dessen sich das Gesetz bedient, um das durch die Gebühren abgegoltene Tätigkeitsquantum – den Abgeltungsbereich der Gebühren – in Ergänzung der besonderen Gebührenvorschriften zu bezeichnen, Der Begriff der Angelegenheit ist im Gesetz deshalb nicht bestimmt, weil die in Betracht kommenden Lebenssachverhalte zu vielseitig sind, um diesen konkreter zu beschreiben. Dabei ist die Angelegenheit nicht identisch mit dem "Gegenstand” der anwaltlichen Tätigkeit i.S.d. § 7 Abs. 1 RVG. Vielmehr ist die Angelegenheit ...