Leitsatz
Bei der Bemessung der Beschwer eines Wohnungseigentümers, der erfolglos einen Beschluss über die Entlastung des Verwalters angefochten hat, tritt der Wert, den die künftige vertrauensvolle Zusammenarbeit mit dem Verwalter hat, regelmäßig zu dem Wert etwaiger Ersatzansprüche gegen diesen hinzu (Bestätigung von Senat, Beschl. v. 31.3.2011 – V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026).
BGH, Beschl. v. 17.3.2016 – V ZB 166/13
1 Sachverhalt
Die Parteien bilden eine Wohnungseigentümergemeinschaft. In der Versammlung beschlossen die Wohnungseigentümer zu dem Tagesordnungspunkt (TOP) 4a mehrheitlich die Jahresabrechnung 2011 sowie zu TOP 4b die Entlastung des Verwalters. Die Abrechnung enthält Kosten von 5.311,89 EUR für eine Reparatur der Aufzugsanlage.
Der Kläger, der meint, die Wohnungseigentümer hätten einen Beschluss über die Durchführung der Reparatur fassen müssen, will mit der Klage erreichen, dass die Beschlüsse zu TOP 4a und 4b für ungültig erklärt werden.
Das AG hat die Klage abgewiesen. Die dagegen gerichtete Berufung des Klägers ist von dem LG als unzulässig verworfen worden. Mit der Rechtsbeschwerde möchte der Kläger die Durchführung des Berufungsverfahrens erreichen.
Das Berufungsgericht hält die nach § 511 Abs. 2 Nr. 1 ZPO erforderliche Beschwer von mehr als 600,00 EUR für nicht erreicht. Der Kläger wende sich ausschließlich gegen die in die Jahresabrechnung eingestellten Kosten für die Reparatur der Aufzugsanlage von 5.311,89 EUR. Maßgeblich für die Beschwer sei der hiervon auf seinen Miteigentumsanteil entfallende Betrag von 244,08 EUR. Entsprechendes gelte für die Anfechtung des Beschlusses über die Entlastung des Verwalters. Eine Erhöhung der Beschwer unter dem Gesichtspunkt der vertrauensvollen Zusammenarbeit mit dem Verwalter sei nicht gerechtfertigt, denn der Kläger greife den Beschluss über die Entlastung des Verwalters ausschließlich wegen der von diesem verursachten Aufzugskosten an. Die Beschwer des Klägers betrage daher nur 488,16 EUR (2 x 244,08 EUR).
2 Aus den Gründen
Die Rechtsbeschwerde hat Erfolg.
1. Sie ist gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 1, § 522 Abs. 4 ZPO statthaft und auch im Übrigen zulässig, weil die Sicherung einer einheitlichen Rspr. eine Entscheidung des Rechtsbeschwerdegerichts erfordert (§ 574 Abs. 2 Nr. 2 Fall 2 ZPO). Dieser Zulässigkeitsgrund ist unter anderem gegeben, wenn das Berufungsgericht dem Rechtsmittelführer den Zugang zu der an sich gegebenen Berufung unzumutbar erschwert. Eine solche Erschwerung liegt zwar nicht in jedem Fehler bei der Bemessung der Beschwer und auch nicht in jeder Überschreitung des dem Gericht eingeräumten – weiten – Ermessens (vgl. Senat, Beschl. v. 9.7.2015 – V ZB 198/14, NJW-RR 2015, 1492 Rn 6; Beschl. v. 19.6.2013 – V ZB 182/12, NJW-RR 2013, 1034 Rn 5 m.w.N.). Hier hat das Berufungsgericht den Zugang zu der Berufung aber unzumutbar erschwert, weil es die Beschwer aufgrund von rechtlichen Erwägungen festgesetzt hat, die mit der Rspr. des BGH nicht im Einklang stehen.
2. Die Rechtsbeschwerde ist begründet. Die Berufung des Klägers durfte nicht als unzulässig verworfen werden, weil seine Beschwer den Betrag von 600,00 EUR übersteigt.
a) Ohne Rechtsfehler nimmt das Berufungsgericht zunächst an, dass der Kläger durch die Abweisung seiner Klage gegen die Beschlussfassung zu TOP 4a in Höhe von 244,08 EUR beschwert ist. Wendet sich ein Wohnungseigentümer gegen den Ansatz einer Kostenposition in der Jahresabrechnung, bestimmt sich seine Beschwer grundsätzlich nach dem Nennwert, mit dem diese Position in seiner Einzelabrechnung angesetzt ist (vgl. Senat, Beschl. v. 9.7.2015 – V ZB 198/14, NJW-RR 2015, 1492 Rn 11). Dies ist hier der für die Reparatur der Aufzugsanlage auf den Miteigentumsanteil des Klägers entfallende Betrag von 244,08 EUR.
b) Rechtsfehlerhaft ist dagegen die Annahme des Berufungsgerichts, der Kläger sei durch die Abweisung des die Beschlussfassung zu TOP 4b betreffenden Teils der Klage ebenfalls nur in Höhe von (weiteren) 244,08 EUR beschwert.
aa) Der Senat hat bereits entschieden, dass sich das Interesse an der Entlastung oder Nichtentlastung des Verwalters nicht nur nach den möglichen Ansprüchen gegen diesen bestimmt, wenn die Entlastung wegen solcher Ansprüche verweigert worden ist oder werden soll. Bei der Bemessung des Interesses auch zu berücksichtigen ist der weitere Zweck, den die Entlastung des Verwalters hat, nämlich die Grundlage für die weitere vertrauensvolle Zusammenarbeit in der Zukunft zu legen (Senat, Beschl. v. 31.3.2011 – V ZB 236/10, NJW-RR 2011, 1026 Rn 10). Dessen Wert ist, wenn besondere Anhaltspunkte für einen höheren Wert fehlen, regelmäßig mit 1.000,00 EUR anzusetzen (Senat, Beschl. v. 31.3.2011 – V ZB 236/10, a.a.O., Rn 12).
bb) Anders als das Berufungsgericht meint, ist dieser Zweck eines Entlastungsbeschlusses für die Bemessung der Beschwer auch dann von Bedeutung, wenn die Entlastung des Verwalters aus Gründen versagt werden soll, die in unmittelbarem Bezug zu einer Abrechnungsposition oder einer sonstigen Forderung gegen den Verwalter stehen. Die Entlastung ...