Leitsatz
Eine Lebensversicherung muss dann nicht zur Prozessführung eingesetzt werden, wenn das Kapital aufgrund der vertraglichen Gestaltung, etwa durch eine entsprechende Fälligkeit, Zweckbindung oder durch sonstige Regelungen für die Alterssicherung bestimmt und geeignet ist und ohne das einzusetzende Kapital eine angemessene Altersversorgung nicht gewährleistet ist.
OLG Hamm, Beschl. v. 30.9.2015 – II-8 WF 158/15
1 Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde ist zulässig und auch in der Sache begründet. Entgegen dem angefochtenen Beschluss geht der Senat nicht davon aus, dass es der Antragsgegnerin gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 115 Abs. 3 S. 1 ZPO zumutbar ist, für die Verfahrenskosten den das Schonvermögen übersteigenden Rückkaufswert der Lebensversicherung bei der K einzusetzen. Ob eine Lebensversicherung für die Verfahrenskosten einzusetzen ist, ist nach der Entscheidung des BGH v. 9.6.2010 – XII ZB 55/08 jeweils anhand der Umstände des konkreten Einzelfalls zu beantworten. Für einen Ausschluss der Verwertungspflicht ist zum einen zu verlangen, dass die Lebensversicherung der Alterssicherung dienen soll, wofür allein eine entsprechende Absicht nicht ausreicht. Vielmehr ist diese Voraussetzung nur erfüllt, wenn das Kapital aufgrund der vertraglichen Gestaltung, etwa durch eine entsprechende Fälligkeit, Zweckbindung oder durch sonstige Regelungen für die Alterssicherung bestimmt und geeignet ist.
Für die am 21.4.1970 geborene Antragsgegnerin dürfte der Bezug der Regelaltersrente mit 67 Jahren und damit am 1.5.2037 einsetzen. Die Fälligkeit der Lebensversicherung bei der K tritt am 1.12.2035 ein, also in einem Alter der Antragsgegnerin von rund 65 Jahren 6 Monaten. Vor diesem Hintergrund ist aufgrund der vertraglichen Gestaltung sichergestellt, dass der Antragsgegnerin das Kapital erst im Alter – und nicht etwa deutlich früher – zur Verfügung stehen wird.
Darüber hinaus setzt ein Ausschluss der Verwertungspflicht voraus, dass ohne das einzusetzende Kapital die angemessene Altersversorgung der Antragsgegnerin nicht gewährleistet ist. Hiervon geht der Senat nach jetziger Einschätzung aus. Die Antragsgegnerin hat nach der Auskunft zum Versorgungsausgleich zum Ende der Ehezeit (31.3.2015) aus allen Zeiten 15,7662 Entgeltpunkte erlangt, die im Hinblick auf die Durchführung des Versorgungsausgleichs um 5,3194 Entgeltpunkte zu vermindern und um 9,1853 Entgeltpunkte zu erhöhen sind. Dies führt im Ergebnis zu 19,6321 Entgeltpunkten, was nach dem Rentenwert zum Ende der Ehezeit einer Bruttorente von rd. 560,00 EUR entsprechen würde. Allerdings beläuft sich die restliche Lebensarbeitszeit der Antragsgegnerin – gerechnet vom Ende der Ehezeit – noch auf etwa 22 Jahre. Wie viele Entgeltpunkte die Antragsgegnerin in diesem Zeitraum noch hinzuerwerben wird, lässt sich allenfalls grob abschätzen. Aus dem Versicherungsverlauf gem. der Auskunft der M ist zu erkennen, dass die Antragsgegnerin in der Vergangenheit nur in einem relativ kurzen Zeitraum – und zwar von 1990 bis 1994 – durch Pflichtbeitragszeiten etwa 0,8 Entgeltpunkte pro Jahr erworben hat. Nunmehr macht sie geltend, dass ihre Erwerbsfähigkeit aus gesundheitlichen Gründen stark beeinträchtigt sei. Nach Schätzung des Senats kann sie daher maximal 0,5 Entgeltpunkte pro Jahr hinzuerwerben, wobei noch erhebliche Zweifel angebracht sind, ob man dies tatsächlich bis zur Vollendung des 67. Lebensjahres fortschreiben kann. Geht man gleichwohl davon aus, so ergäben sich weitere 22 x 0,5 = 11 Entgeltpunkte, insgesamt also 30,6321 Entgeltpunkte, die zu einer Bruttorente von 876,38 EUR führen würden. Im Hinblick auf diese Rentenhöhe und auch mit Rücksicht auf die Unsicherheiten, was die künftigen Erwerbsmöglichkeiten der Antragsgegnerin anbelangt, erscheint es angemessen, dass sie die Lebensversicherung bei der K (zu erwartendes Kapital 12.828,92 EUR) für die Alterssicherung einsetzt.
2 Hinweis der Schriftleitung
Siehe die gemeinsame Anmerkung nach der nachfolgenden Entscheidung des OLG Koblenz.
AGS 6/2016, S. 303