Leitsatz
Für den Anfall einer Gebühr nach Nrn. 2504 ff. VV reicht es aus, dass der im Wege der Beratungshilfe tätig gewordene Anwalt den Gläubigern des Schuldners einen sog. Nullplan angeboten hat.
LG Aachen, Beschl. v. 1.3.2016 – 3 T 374/15
1 Sachverhalt
Der Rechtsuchenden wurde Beratungshilfe "wegen Insolvenzanmeldung" bewilligt. In der Folge wurde die Beteiligte zu 1) für die Rechtsuchende Frau P tätig und hat Schriftwechsel mit den Gläubigern geführt. Nach Abschluss der Angelegenheit hat die Beteiligte zu 1) für die Vertretung der Rechtsuchenden in einem Schuldenbereinigungsverfahren vor Insolvenzanmeldung eine Gebühr nach Nr. 2506 VV zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 666,40 EUR abgerechnet. Aus der zur Akte gereichten Gläubigerübersicht ergibt sich, dass den Gläubigern keine Zahlungen angeboten wurden.
Das AG hat eine Gebühr nach Nr. 2503 VV zuzüglich Umsatzsteuer in Höhe von insgesamt 121,38 EUR festgesetzt. Zur Begründung ist vermerkt, dass der Berechtigungsschein für die Angelegenheit "Insolvenzanmeldung" ausgestellt worden sei. Eine Gebühr für die Schuldenbereinigung nach Nr. 2506 VV könne deshalb nicht abgerechnet werden. Gegen diesen Beschluss hat die Beteiligte zu 1) Erinnerung eingelegt. Die zuständige Richterin hat die Erinnerung zurückgewiesen und sich zum einen die Argumentation des angefochtenen Beschlusses zu Eigen gemacht. Ergänzend wurde ausgeführt, die Beteiligte zu 1) habe die Gebühr nach Nr. 2506 VV nicht verdient, da die Beteiligte zu 1) zwar den nach § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO für den Insolvenzantrag erforderlichen außergerichtlichen Einigungsversuch vorgenommen, dabei jedoch nur einen sogenannten "Nullplan" angeboten habe. Hiergegen hat die Beteiligte zu 1) Beschwerde eingelegt, der nicht abgeholfen wurde.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die nach den §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 RVG grundsätzlich statthafte sofortige Beschwerde begegnet in formeller Hinsicht keinen Bedenken; insbesondere ist der Beschwerdewert von 200,00 EUR aus § 33 Abs. 3 RVG erreicht. Das zulässige Rechtsmittel hat auch in der Sache selbst Erfolg.
Entgegen der Auffassung des AG umfasst die bewilligte Beratungshilfe die Durchführung des Schuldenbereinigungsverfahrens. Zudem ist der Gebührentatbestand von Nr. 2506 VV erfüllt.
Nach § 305 Abs. 1 S. 1 InsO hat der Schuldner des Verbraucherinsolvenzverfahrens eine Bescheinigung vorzulegen, aus der sich ergibt, dass eine außergerichtliche Einigung mit den Gläubigern auf der Grundlage eines Plans erfolglos versucht wurde; der Plan ist dem Insolvenzantrag beizufügen. Nach allgemeiner Auffassung ist es insoweit insolvenzrechtlich ausreichend, dass ein sogenannter Nullplan vorgelegt wird – d.h. ein Plan, bei dem mit wirklichen Zahlungen an die Gläubiger nicht zu rechnen ist (vgl. BGH v. 10.10.2013 – IX ZB 97/12).
Wenn – wie hier – der Schuldnerin Beratungshilfe "wegen Insolvenzanmeldung" bewilligt wurde, umfasst die Bewilligung auch den vorgenannten Einigungsversuch, da dieser nebst der darüber auszustellenden Bescheinigung notwendige Voraussetzung der Insolvenzanmeldung ist. Die verwendete Bezeichnung "wegen Insolvenzanmeldung" ist offen formuliert. Dies kann jedoch nicht zu Lasten des Schuldners bzw. des für ihn tätigen Anwalts gehen. Nach § 6 Abs. 1 BerHG stellt das AG den Berechtigungsschein "unter genauer Bezeichnung der Angelegenheit" aus. Verwendet das AG gleichwohl eine weite Formulierung, so deckt der Beratungshilfeschein alle Tätigkeiten ab, die sich unter die von dem Rechtspfleger verwendete Formulierung subsumieren lassen.
Welche Gebühren bei einer einmal erfolgten Bewilligung von Beratungshilfe tatsächlich angefallen sind, ist im vorliegenden Gebührenfestsetzungsverfahren zu klären. Nach ständiger Rspr. der Kammer (vgl. Beschl. v. 22.7.2013 – 3 T 116/13 u. v. 29.9.2014 – 3 T 250/14) erfüllt auch der Versuch einer Einigung mit den Gläubigern auf der Grundlage eines sogenannten Nullplans die gesetzlichen Voraussetzungen von Nr. 2506 VV, nämlich einer "Tätigkeit mit dem Ziel einer außergerichtlichen Einigung mit den Gläubigern über die Schuldenbereinigung auf der Grundlage eines Plans (§ 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO)" bei 11–15 Gläubigern.
Die Kammer verkennt nicht, dass die Frage, ob auch ein Nullplan die Gebühren von Nrn. 2504 ff. VV auslöst, von zwei Oberlandesgerichten anders gesehen wird. Der Beschluss des OLG Bamberg vom 6.8.2010 – 4 W 48/10 wird zwar in einzelnen Kommentaren zustimmend zitiert (vgl. Hartmann, 45. Aufl., RVG VV 2503–2507 Rn 4; Riedel/Sußbauer, 10. Aufl., RVG VV 2504–2507 Rn 6), ist nach Auffassung der Kammer jedoch schon deshalb nicht besonders aussagekräftig, weil dieser Beschluss wesentlich auf der irrigen Auffassung des OLG Bamberg beruht, ein sogenannter Nullplan erfülle nicht die Voraussetzungen des § 305 Abs. 1 Nr. 1 InsO (so schon der hiesige Beschl. v. 29.9.2014 – 3 T 250/14). Der Beschluss des OLG Stuttgart v. 28.1.2014 – 8 W 35/14 ist in der Lit. nicht unumstritten (vgl. Knerr, ZInsO 2015, 208, zitiert nach juris). Er geht zwar zutreffend davon aus, dass auch ein sogenan...