1. Überblick
Der Anwalt erhält im selbstständigen Beweisverfahren die gleichen Gebühren wie in einem sonstigen gerichtlichen Verfahren, also die Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 1 VV.
Soweit ausnahmsweise wegen Anhängigkeit einer Beschwerde das OLG zuständig ist (§ 486 Abs. 1 ZPO), entstehen die Gebühren nach Teil 3 Abschnitt 2 Unterabschnitt 1 VV, also die Gebühren eines Berufungsverfahrens (Vorbem. 3.2.1 Nr. 2 lit. b) VV; arg. e. Vorbem. 3.2 Abs. 2 VV).
Diese Gebühren erhält der Anwalt – vorbehaltlich einer Anrechnung der Verfahrensgebühr nach Vorbem. 3 Abs. 5 VV – gesondert neben den Gebühren eines Hauptsacheverfahrens.
2. Verfahrensgebühr
Im Verfahren vor dem FamG erhält der Anwalt für das Betreiben des Geschäfts (Vorbem. 3 Abs. 2 VV) eine 1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV, die sich unter den Voraussetzungen der Nr. 3101 VV auf 0,8 ermäßigen kann.
Beispiel 4
Die Ehefrau beantragt die Einleitung eines selbstständigen Beweisverfahrens zur Bewertung einer im Alleineigentum des Ehemannes stehenden Immobilie zum Zeitpunkt der Zustellung des Scheidungsantrags. Sie ist der Auffassung, das Grundstück sei 200.000,00 EUR wert, so dass sich unter Berücksichtigung des übrigen Vermögens ein Zugewinn von 20.000,00 EUR ergebe. Der Ehemann ist der Auffassung, das Grundstück habe keinen höheren Wert als 160.000,00 EUR, so dass sich kein Zugewinnausgleich ergebe. Das Gericht holt das beantragte Gutachten ein und setzt den Verfahrenswert auf 20.000,00 EUR fest. Der Anwalt hatte am Sachverständigentermin nicht teilgenommen.
Der Anwalt erhält lediglich eine 1,3-Verfahrensgebühr aus 20.000,00 EUR nebst Auslagen und Umsatzsteuer.
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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964,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
984,60 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer |
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187,07 EUR |
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Gesamt |
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1.171,67 EUR |
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Ist eine Geschäftsgebühr vorausgegangen, so wird diese gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig, höchstens zu 0,75 angerechnet, allerdings nur aus dem (gegebenenfalls geringeren) Gegenstandswert des Beweisverfahrens.
Beispiel 5
Wie Beispiel 4. Der Anwalt war bereits vorgerichtlich hinsichtlich des Zugewinns tätig.
Jetzt ist die Geschäftsgebühr (es soll von der Mittelgebühr ausgegangen werden), gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV hälftig auf die 1,3-Verfahrensgebühr anzurechnen.
I. Außergerichtliche Vertretung
1. |
1,5-Geschäftsgebühr, Nr. 2300 VV |
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1.113,00 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.133,00 EUR |
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3. |
19 % Umsatzsteuer |
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215,27 EUR |
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Gesamt |
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1.348,27 EUR |
II. Selbstständiges Beweisverfahren
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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964,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
gem. Vorbem. 3 Abs. 4 VV anzurechnen, 0,75 aus 20.000,00 EUR |
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556,50 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
428,10 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer |
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81,34 EUR |
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Gesamt |
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509,44 EUR |
3. Terminsgebühr
Nimmt der Anwalt an einem gerichtlichen Erörterungstermin nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 492 Abs. 3 ZPO teil oder an einem Anhörungstermin nach § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG i.V.m. § 411 Abs. 3 ZPO, erhält er eine 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 1 VV).
Die Terminsgebühr entsteht auch, wenn der Anwalt an einem von einem gerichtlich bestellten Sachverständigen anberaumten Termin teilnimmt (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 1 VV).
Beispiel 6
Wie Beispiel 4. Der Anwalt hat am Sachverständigentermin teilgenommen.
Abzurechnen ist wie folgt:
1. |
1,3-Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
|
964,60 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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2. |
1,2-Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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890,40 EUR |
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(Wert: 20.000,00 EUR) |
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3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
1.875,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer |
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356,25 EUR |
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Gesamt |
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2.231,25 EUR |
Schließlich entsteht die 1,2-Terminsgebühr auch dann, wenn der Anwalt an Besprechungen zur Erledigung des Beweisverfahrens oder Vermeidung des Hauptsacheverfahrens mitwirkt (Vorbem. 3 Abs. 3 S. 3 Nr. 2 VV). Durch die Neufassung dieser Vorschrift im Zuge des 2. KostRMoG ist jetzt klargestellt, dass diese Gebühr auch in Verfahren entstehen kann, in denen – wie hier – eine mündliche Verhandlung nicht vorgeschrieben ist.
Die bloße Entscheidung über den Beweisantrag ohne mündliche Verhandlung löst dagegen keine Terminsgebühr aus, da eine mündliche Verhandlung im Beweisverfahren nicht vorgeschrieben ist, und somit die Voraussetzungen der Anm. Abs. 1 Nr. 1 zu Nr. 3104 VV nicht vorliegen.
Auch löst ein schriftlicher Vergleich noch keine Terminsgebühr aus, weil es an einem Verfahren mit vorgeschriebener mündlicher Verhandlung fehlt.
4. Einigungsgebühr
Hinzukommen kann eine Einigungsgebühr (Nr. 1000 VV). Die Höhe der Einigungsgebühr beläuft sich auf 1,5. Zwar führt das selbstständige Beweisverfahren zur Anhängigkeit; jedoch ordnet Nr. 1003 VV ausdrücklich an, dass eine Ermäßigung der Einigungsgebühr im selbstständigen Beweisverfahren nicht vorzunehmen ist.
Das gilt auch dann, wenn bezüglich des Beweisverfahrens ein Antrag auf Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe anhängig ist.