BGB § 1626a; FamFG § 20; RVG §§ 33 Abs. 3, 56
Leitsatz
- Das getrennte Anhängigmachen eines Sorgerechts- und Umgangsantrags stellt keinen Verstoß gegen das Gebot kostensparender Verfahrensführung dar, wenn sachliche Gründe für die getrennte Verfahrensführung vorliegen.
- Ein sachlicher Grund liegt vor, wenn die Regelung des Umgangs gegenüber der nach § 1626a BGB begehrten Sorgerechtsregelung eine größere Eilbedürftigkeit hat und das Sorgerechtsverfahren hingegen noch weitergehender Ermittlungen bedurfte, ohne dass hier bei Verfahrenseinleitung erkennbar gewesen wäre, dass diese Ermittlungsergebnisse aller Voraussicht nach auch entscheidend für die Umgangssache sein würden.
OLG Brandenburg, Beschl. v. 10.8.2016 – 9 WF 208/16
1 Aus den Gründen
Die nach §§ 56, 33 Abs. 3 RVG statthafte und auch im Übrigen zulässige Beschwerde ist unbegründet.
1. Mit zutreffender Begründung, auf die wegen der Einzelheiten Bezug genommen wird, hat das FamG einen Verstoß der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters gegen den Grundsatz der kostensparenden Verfahrensführung wegen des unterlassenen Hinwirkens auf eine Verbindung der vom Kindesvater getrennt eingeleiteten Verfahren zum Umgangs- und Sorgerecht verneint. Im vorliegenden Fall stellt schon das getrennte Anhängigmachen des Sorgerechtsantrags und des Umgangsantrags durch die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters keinen Verstoß gegen das Gebot kostensparender Verfahrensführung dar.
Zwar kann ein Verfahrensbevollmächtigter gegen den Grundsatz kostensparender Prozessführung verstoßen, wenn er die Regelung der elterlichen Sorge für das Kind und die Regelung des Umgangs zum Gegenstand getrennter Verfahren macht (OLG Hamm FamRZ 2014, 1880 [Ls.] = FamFR 2013, 545 [= AGS 2014, 144]). Denn nach der Rspr. des BGH ist es dem Anwalt grundsätzlich nicht erlaubt ist, einseitig und ohne Sachgrund einen komplexen Lebenssachverhalt zu einzelnen Themenbereichen aufzufächern, um diese dann jeweils eigenen Gebührenabrechnungen zuführen zu können (BGH FamRZ 2004, 535 [= AGS 2004, 145]).
Jedoch kann es durchaus sachliche Gründe für die getrennte Einleitung von Umgangs- und Sorgerechtsverfahren geben (vgl. OLG Bremen FamRZ 2015, 2171; OLG Koblenz FamRZ 2015, 433, 434). Es kommt mithin entscheidend auf die jeweiligen Einzelfallumstände an. Insbesondere wenn die beiden Verfahren nicht in engem rechtlichen Zusammenhang stehen und/oder außerdem nur eines der Verfahren einem besonderen Vorrang- und Beschleunigungsgebot unterliegt, kann die getrennte Verfahrensführung gerechtfertigt sein (OLG Bremen FamRZ 2015, 2171; OLG Koblenz FamRZ 2015, 433, 434; OLG Hamm FamRZ 2014, 1880 [Ls.] = FamFR 2013, 545).
Im vorliegenden Fall hat das FamG mit Recht schon aufgrund der hier gegebenen größeren Eilbedürftigkeit der Regelung des Umgangs gegenüber der nach § 1626a BGB begehrten Sorgerechtsregelung das Vorliegen sachlicher Gründe für die getrennte Einleitung der Verfahren bejaht. Auch in verfahrensrechtlicher Hinsicht zeigt sich im Übrigen eine – wenngleich nur leichte – Unterschiedlichkeit in der Beschleunigung. Zwar unterliegen beide Verfahren dem Beschleunigungsgebot (§ 155 Abs. 1 bzw. § 155a Abs. 1 S. 1 FamFG). Während im Umgangsverfahren dann aber spätestens nach einem Monat ein Termin stattfinden soll, ist eine derart straffe Bindung im Sorgerechtsverfahren des § 1626a BGB jedenfalls nicht im Regelfall vorgesehen (vgl. im Einzelnen den in § 155 Abs. 2 bis Abs. 4 FamFG vorgesehenen Verfahrensablauf). Jedenfalls war aber im zugrundeliegenden (Einzel)Fall geregelte Umgang nach den Angaben des Kindesvaters ins Stocken geraten. Das Sorgerechtsverfahren bedurfte dagegen noch weitergehender Ermittlungen, ohne dass hier bei Verfahrenseinleitung erkennbar gewesen wäre, dass diese Ermittlungsergebnisse aller Voraussicht nach auch entscheidend für die Umgangssache sein würden.
Wenn aber in der getrennten Einleitung beider Verfahren kein Verstoß gegen das Gebot kostensparender Verfahrensführung zu erkennen ist, kann ein solcher erst recht nicht darin liegen, dass die Verfahrensbevollmächtigte des Kindesvaters nicht auf eine Verbindung beider Verfahren hingewirkt hat, was im Übrigen auch mangels Sachdienlichkeit i.S.d. § 20 FamFG für eine Verfahrensverbindung ohne Aussicht auf Erfolg gewesen wäre.
2. Darüber hinaus dürfte selbst bei einem Verstoß der Verfahrensbevollmächtigten des Kindesvaters gegen den Grundsatz der kostensparenden Verfahrensführung die Beschwerde keinen Erfolg haben. Denn dann hätte das AG schon nicht die Verfahrenskostenhilfe in vollem Umfange, vielmehr wegen Mutwilligkeit (§§ 76 Abs. 1 FamFG, 114 ZPO) nur eingeschränkt bewilligen dürfen. Der Urkundsbeamte und die im Festsetzungsverfahren entscheidenden Gerichte sind an die Bewilligung der Verfahrenskostenhilfe und die Beiordnung eines Anwalts selbst dann gebunden, wenn die Verfahrenskostenhilfebewilligung und die Beiordnung unrichtig waren, so dass der Urkundsbeamte Gebühren nicht mit der Begründung kürzen darf, dass ein Verfahren zur Verfügung gestanden hätte, bei dem geringere K...