RVG § 33 Abs. 4 S. 3 u. 4; ZPO § 574

Leitsatz

Zwar ist nach § 33 Abs. 4 S. 4 Hs. 1 RVG das Beschwerdegericht an die Zulassung der Beschwerde gegen einen Beschluss über die Wertfestsetzung für die Rechtsanwaltsgebühren grundsätzlich gebunden. Die Regelung des § 33 Abs. 4 S. 3 RVG, dass eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet, ist aber vorrangig und kann durch die Zulassung nicht überspielt werden. Eine Entscheidung, die von Gesetzes wegen der Anfechtung entzogen ist, bleibt auch bei einer – irrigen – Zulassung nicht anfechtbar.

BGH, Beschl. v. 27.10.2016 – III ZB 17/16

1 Aus den Gründen

I. Das OLG hat mit dem angefochtenen Beschluss nach § 33 Abs. 1 RVG den Wert des Gegenstands der anwaltlichen Tätigkeit der Prozessbevollmächtigten der Streithelferin – abweichend vom Gegenstandswert des Berufungsverfahrens (85.417,00 EUR) – auf 2.204,00 EUR festgesetzt. Hiergegen richtet sich die vom OLG nach § 574 ZPO zugelassene Rechtsbeschwerde.

II. Die Rechtsbeschwerde ist unzulässig. Zwar hat das OLG die Beschwerde zugelassen und ist nach § 33 Abs. 4 S. 4 Hs. 1 RVG (siehe auch § 574 Abs. 3 S. 2 ZPO) das Beschwerdegericht an die Zulassung grundsätzlich gebunden. Allerdings bestimmt § 33 Abs. 4 S. 3 RVG, dass eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes nicht stattfindet. Diese Regelung ist vorrangig und kann durch die Zulassung nicht überspielt werden. Eine Entscheidung, die von Gesetzes wegen der Anfechtung entzogen ist, bleibt auch bei einer – irrigen – Zulassung nicht anfechtbar (vgl. nur BGH, Beschl. v. 9.6.2010 – XII ZB 75/10, NJW-RR 2011, 142 Rn 4 f zu § 56 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 33 Abs. 4 S. 3 RVG [= AGS 2010, 387]; siehe auch OLG Köln JurBüro 2012, 651, 652 a.E. [= AGS 2012, 518]; Bischof, RVG, 6. Aufl., § 33 Rn 44; Müller-Rabe/Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., § 56 Rn 33; Schneider/Thiel, in: Anwaltkommentar RVG, 7. Aufl., § 33 Rn 147, § 56 Rn 45, 51). Dies entspricht der Rechtslage bezüglich der entsprechenden Regelungen im GKG (siehe zu § 66 Abs. 3 S. 3 bzw. § 68 Abs. 1 S. 5 GKG: BGH, Beschl. v. 6.10.2009 – VI ZB 18/08, juris Rn 4 u. v. 18.4.2013 – I ZB 77/12, juris Rn 10, 14).

Die der zitierten Rspr. widersprechende Auffassung der Streithelferin, § 33 Abs. 4 S. 3 RVG beziehe sich nur auf die Beschwerde nach § 33 Abs. 3 RVG, nicht aber auf eine Rechtsbeschwerde nach § 574 ZPO, ist unzutreffend. Zunächst ist vom Wortlaut her auch eine Rechtsbeschwerde eine Beschwerde. Nach § 33 Abs. 3 S. 1 u. 2 RVG ist im Übrigen eine Beschwerde zulässig, wenn entweder der Wert des Beschwerdegegenstands 200,00 EUR übersteigt oder wenn sie das Ausgangsgericht wegen grundsätzlicher Bedeutung zulässt. Ist allerdings das Beschwerdegericht ein oberster Gerichtshof, ist die Beschwerde nach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG unzulässig beziehungsweise eine Zulassung unstatthaft. Würde man der Auffassung der Streithelferin folgen, wonach § 33 Abs. 4 S. 3 RVG die Zulässigkeit einer vom Berufungsgericht zugelassenen Rechtsbeschwerde nicht ausschließt, käme man zu dem widersprüchlichen Ergebnis, dass im Fall des § 33 Abs. 3 S. 2 RVG nach der speziellen Regelung des § 33 Abs. 4 S. 3 RVG eine Zulassung der Beschwerde trotz Grundsatzbedeutung an den BGH nicht statthaft ist, gleichzeitig nach der allgemeinen Regelung in § 574 Abs. 2 Nr. 1 ZPO eine Zulassung aber möglich wäre. Der Gesetzgeber wollte aber mit § 33 Abs. 4 S. 3 RVG auch die Rechtsbeschwerde ausschließen. § 33 Abs. 4 RVG ist an die Regelung in § 66 Abs. 3 GKG angepasst (vgl. BT-Drucks 15/1971, 196). § 66 Abs. 3 S. 3 GKG entspricht § 5 Abs. 2 S. 3 GKG a.F. (vgl. BT-Drucks 15/1971, 157). Die durch Art. 32 Nr. 1 Buchst. a des ZPO-Reformgesetzes vom 27.7.2001 (BGBl I 1887, 1916) neu gefasste Bestimmung des § 5 Abs. 2 S. 3 GKG a.F. ("Eine Beschwerde an einen obersten Gerichtshof des Bundes findet nicht statt.") "schließt auch die Rechtsbeschwerde aus, weil für die Entscheidung hierüber der BGH zuständig sein soll" (so ausdrücklich BT-Drucks 14/4722, 139). Folgerichtig wurde bereits im Anwendungsbereich des § 5 Abs. 2 S. 3 GKG a.F. eine Rechtsbeschwerde als nicht statthaft angesehen, auch wenn das Ausgangsgericht sie zugelassen hatte (vgl. nur BGH, Beschl. v. 1.10.2002 – IX ZB 271/02, NJW 2003, 70).

2 Anmerkung

Die Entscheidung ist im Ergebnis zutreffend.

Die Statthaftigkeit scheitert allerdings nicht an § 33 Abs. 4 S. 3 RVG. Diese Vorschrift betrifft entgegen der Auffassung des BGH nur die "einfache" Erstbeschwerde. Diese Vorschrift soll ausschließen, dass gegen eine erstmalige Wertfestsetzung Beschwerde erhoben werden kann, wenn der BGH das übergeordnete Gericht ist.

Hier ist eine Rechtsbeschwerde erhoben worden. Diese Rechtsbeschwerde scheitert schlichtweg daran, dass das GKG eine Rechtsbeschwerde nicht kennt und auch keine Verweisung auf die ZPO enthält. Ein Rechtsmittel, das das GKG nicht kennt, kann man daher auch nicht zulassen.

Auch eine weitere Beschwerde wäre hier nicht statthaft gewesen. Auch diese wäre aber nicht an § 33 Abs. 4 S. 3 RVG gescheitert, sondern daran, dass eine weiter...

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