RVG VV Nrn. 2300, 3100, Vorbem 3 Abs. 4; RVG § 15a Abs. 2
Leitsatz
Ein Dritter kann sich nicht auf die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr auf die Verfahrensgebühr berufen, wenn die weiteren Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG nicht vorliegen.
OLG Hamm, Beschl. v. 31.8.2017 – II-6 WF 167/17
1 Sachverhalt
In dem diesem Verfahren zugrunde liegenden Verfahren ist der Beteiligte zu 2) von seiner Tochter auf Zahlung von Kindesunterhalt im Wege des Stufenantrages in Anspruch genommen worden. Für diesen Antrag ist der Tochter Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der Beteiligten zu 1) bewilligt worden. Mit Versäumnisbeschluss hat das AG den Beteiligten zu 2) antragsgemäß zur Zahlung von Kindesunterhalt an seine Tochter verpflichtet und die Kosten des Verfahrens dem Beteiligten zu 2) auferlegt. Auf den Einspruch des Beteiligten zu 2) hat das AG mit Endbeschluss den Versäumnisbeschluss aufrechterhalten und auch die weiteren Kosten des Verfahrens dem Beteiligten zu 2) auferlegt. Weiterhin hat das AG den Verfahrenswert auf 7.156,00 EUR festgesetzt.
Hiernach haben die Beteiligten zu 1) beantragt, ihre in diesem Verfahren entstandenen Gebühren und Auslagen gegen die Staatskasse festzusetzen. Die aus der Staatskasse an die Beteiligten zu 1) zu zahlenden Gebühren und Auslagen sind mit insgesamt 1.013,50 EUR festgesetzt worden. Weiterhin haben die Beteiligten zu 1) beantragt, ihre Wahlanwaltsvergütung i.H.v. insgesamt 1.516,27 EUR (1,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV i.H.v. 592,80 EUR, 1,2-Terminsgebühr nach Nr. 3104 VV i.H.v. 547,20 EUR, Auslagenpauschale i.H.v. 20,00 EUR, Fahrtkosten und Abwesenheitsgelder i.H.v. insgesamt 114,18 EUR, zuzüglich der Umsatzsteuer) gegen den Beteiligten zu 2) festzusetzen. Dabei haben sie angegeben, nach einem Verfahrenswert von 4.008,00 EUR vorgerichtliche Gebühren gem. Nr. 2300 VV i.H.v. 393,90 EUR erhalten zu haben. Das AG hat die von dem Beteiligten zu 2) an die Beteiligten zu 1) zu erstattenden Kosten mit 268,40 EUR festgesetzt. Dabei hat es die von den Beteiligten zu 1) bereits erhaltene Verfahrenskostenhilfevergütung i.H.v. 1.013,50 EUR in Abzug gebracht und auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV die erhaltene vorgerichtliche Geschäftsgebühr von 393,90 EUR in hälftiger Höhe angerechnet. Gegen diesen Beschluss wenden sich die Beteiligten zu 1) mit ihrer Beschwerde. Sie wenden ein, die hälftige Anrechnung der Geschäftsgebühr nach Nr. 2300 VV auf die Verfahrensgebühr sei zu Unrecht erfolgt. Der Beteiligte zu 2) könne sich auf die Anrechnung nicht berufen, weil die Voraussetzungen des § 15a Abs. 2 RVG nicht vorlägen. Das AG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und diese dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG, §§ 126, 104 Abs. 3, 567 ff. ZPO zulässige Beschwerde der Beteiligten zu 1) gegen den Kostenfestsetzungsbeschluss des AG hat auch in der Sache Erfolg und führt zur Abänderung der angefochtenen Entscheidung.
Das AG hat mit dem angefochtenen Beschluss die den Beteiligten zu 1) im Rahmen der Wahlanwaltsvergütung noch zustehenden Gebühren und Auslagen zu niedrig festgesetzt. Denn die Anrechnung der gem. Nr. 2300 VV entstandenen Geschäftsgebühr in hälftiger Höhe auf die Verfahrensgebühr nach Nr. 3100 VV ist zu Unrecht erfolgt.
Zwar wird die Geschäftsgebühr gem. Nr. 2300 VV nach Vorbem. 3 Abs. 4 VV grds. zur Hälfte auf die Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV angerechnet. Jedoch steht im Streitfall dieser Anrechnung § 15a Abs. 2 RVG entgegen. Danach kann ein Dritter sich auf die Anrechnung nur berufen, soweit er den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt hat, wegen eines dieser Ansprüche gegen ihn ein Vollstreckungstitel besteht oder beide Gebühren in demselben Verfahren gegen ihn geltend gemacht werden. Der Beteiligte zu 2) ist Dritter im Sinne der zitierten Vorschrift. Er hat weder den Anspruch auf eine der beiden Gebühren erfüllt noch besteht gegen ihn ein Vollstreckungstitel oder werden beide Gebühren gegen ihn geltend gemacht, so dass die Voraussetzungen der Anrechnung nicht erfüllt sind.
Soweit das AG in dem Nichtabhilfebeschluss die Ansicht vertritt, der Beteiligte zu 2) könne sich auf eine Anrechnung deshalb berufen, weil der Beteiligte zu 1) einen eigenen Anspruch nach § 126 ZPO und nicht den Anspruch seiner Partei nach §§ 103 ff. ZPO geltend mache, gibt es dafür keinen rechtlichen Anhalt; eine derartige Einschränkung ist § 15a Abs. 2 RVG nicht zu entnehmen.
Damit ergibt sich bei einem Verfahrenswert von 7.156,00 EUR folgende Berechnung der Wahlanwaltsvergütung der Beteiligten zu 2):
1,3 Verfahrensgebühr, Nr. 3100 VV |
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592,80 EUR |
1,2 Terminsgebühr, Nr. 3104 VV |
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547,20 EUR |
Pauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
Fahrtkosten, Nr. 7003 VV, |
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insgesamt: |
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49,60 EUR |
Abwesenheitsgelder, Nr. 7005 VV, |
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insgesamt: |
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64,58 EUR |
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1.274,18 EUR |
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19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
242,09 EUR |
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1.516,27 EUR |
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abzgl. erhaltener VKH-vergütung: |
– 1.013,50 EUR |
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502,77 EUR |
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AGS 6/2018, S. 306 - 307