ZPO § 91; RVG VV Nr. 2300
Leitsatz
- Vorprozessual entstandene Anwaltsgebühren können ausnahmsweise dann im Kostenfestsetzungsverfahren geltend gemacht werden, wenn sie Gegenstand eines gerichtlichen Vergleichs sind und die zu erstattenden Gebühren entweder beziffert sind oder ihre Höhe sich eindeutig anhand des Vergleichs bestimmen lässt (Anschluss an OLG Bamberg, Beschl. v. 26.2.2007 – 8 W 1/07).
- Nicht ausreichend ist die bloße Bestimmung einer Kostenquote, selbst wenn im Vergleich klargestellt ist, dass sie auch auf vorgerichtlich entstandene Anwaltsgebühren Anwendung finden soll.
OLG Bamberg, Beschl. v. 26.4.2018 – 4 W 41/18
1 Aus den Gründen
In einem Rechtsstreit haben die Parteien vor dem LG folgenden Vergleich geschlossen:
"1. Der Beklagte zahlt an die Klägerin einen Betrag von 13.600,00 Euro zur Abgeltung der streitgegenständlichen Forderung."
(...)
2. Von den Kosten des Rechtsstreits, den vorgerichtlichen Kosten der Klägerin und des Vergleichs tragen die Klägerin 1/4 und der Beklagte 3/4.
In diesem Zusammenhang wird festgehalten, dass die vorgerichtlichen Kosten der Klägerin nicht Bestandteil der Ziffer 1 des Vergleichs sind."
Der Wert des Rechtsstreits und des Vergleichs wurde vom LG auf 18.187,35 EUR festgesetzt. Dieser Betrag entsprach der Höhe des eingeklagten Werklohns. Daneben hatte die Klägerin außergerichtliche Anwaltskosten i.H.v. 1.412,00 EUR unter Ansatz einer 2,0-Gebühr aus einem Wert von 18.187,35 EUR geltend gemacht.
Mit Kostenfestsetzungsbeschluss hat die zuständige Rechtspflegerin des LG die vom Beklagten an die Klägerin zu erstattenden Kosten festgesetzt. Den Ansatz der außergerichtlichen Kosten lehnte sie ab, da es sich nicht um eine im Streitverfahren entstandene Gebühr handele.
Hiergegen richtet sich die sofortige Beschwerde der Klägerin. Sie verweist auf die im Vergleich unter Nr. 2 getroffene Regelung: Mit dieser hätten die Parteien sicherstellen wollen, dass die Kosten der außergerichtlichen Rechtsverfolgung in der Kostenfestsetzung zu berücksichtigen seien.
Die Rechtspflegerin hat der Beschwerde mit Beschluss nicht abgeholfen und die Akten dem OLG zur Entscheidung vorgelegt.
Aus den Gründen
Die sofortige Beschwerde der Klägerin ist nach § 11 Abs. 1 RPflG, § 104 Abs. 3 ZPO statthaft und gem. §§ 567 Abs. 1 und 2, 569 ZPO zulässig.
In der Sache erweist sich die sofortige Beschwerde allerdings als unbegründet. Das LG hat bei der Festsetzung – jedenfalls im Ergebnis – zu Recht davon abgesehen, die von der Klägerin geltend gemachten außergerichtlichen Kosten festzusetzen.
1. Zutreffend ist der Ausgangspunkt des LG, wonach es sich bei einer vorgerichtlich angefallenen Geschäftsgebühr um eine Kostenposition handelt, welche der Festsetzung im Verfahren gem. §§ 103 ff. ZPO grds. nicht zugänglich ist. Das Kostenfestsetzungsverfahren ist nur für "Prozesskosten" vorgesehen, § 103 Abs. 1 ZPO. Rechtsanwaltsgebühren sind nur insoweit Prozesskosten, als sie eine Tätigkeit des Rechtsanwalts im gerichtlichen Verfahren vergüten. Hintergrund ist, dass das Kostenfestsetzungsverfahren nach seiner Ausgestaltung als stark formalisiertes Massenverfahren auf eine rasche, vereinfachte, anhand der Prozessakten vorzunehmende gebührenrechtliche Überprüfung der Tätigkeit des Rechtsanwalts zugeschnitten ist (Schulz, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., § 103, Rn 1). Tätigkeiten des Rechtsanwalts aber, die außerhalb des Prozessgeschehens – gleichgültig ob vor oder während des Rechtsstreits – vorgenommen werden, sind aus den Prozessakten nicht ersichtlich. Noch viel weniger lässt sich im Kostenfestsetzungsverfahren klären, inwieweit solche außergerichtlichen Tätigkeiten des Rechtsanwalts für die Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung seines Mandanten notwendig gewesen sind (BGH, Beschl. v. 22.12.2004 – XII ZB 94/07, Rn 11, zitiert – wie auch die folgenden Entscheidungen – nach juris; OLG Naumburg, Beschl. v. 1.11.2011 – 10 W 58/11, Rn 11).
Eine – vom LG nicht in Erwägung gezogene – Ausnahme wird aus prozessökonomischen Gründen jedoch dann gemacht, wenn in einem Vergleich ausdrücklich bestimmt ist, dass auch die Gebühren eines Rechtsanwalts für seine außergerichtliche Tätigkeit erstattet werden sollen. Zusätzliche Voraussetzung ist nach überwiegender Meinung aber, dass die zu erstattende Geschäftsgebühr auch der Höhe nach in dem Vergleich eindeutig beziffert wird (BGH, a.a.O., Rn 12; OLG Naumburg, a.a.O., Rn 12; Schulz, in: MüKo-ZPO, 5. Aufl., § 98, Rn 25). Bei der Frage, ob ein derartiger Ausnahmefall angenommen werden kann, ist allerdings zu berücksichtigen, dass das Kostenfestsetzungsverfahren in erster Linie dem Schutz der jeweils kostenpflichtigen Partei dient. Stellt diese im Rahmen eines gerichtlichen Vergleichs die Entstehung und Prozessbezogenheit bestimmter Kosten unstreitig und erklärt sich zur Übernahme solcher Kosten bereit, besteht kein Grund, die Geltendmachung im Kostenfestsetzungsverfahren nicht zuzulassen. Entscheidendes Kriterium ist daher nicht, ob eine Bezifferung vorliegt, sondern ob sich die Regelungen im Kostenvergleich für eine ra...