RVG § 47
Leitsatz
Dem im Rahmen der Prozesskostenhilfe beigeordneten Anwalt steht bei Abrechnung nach Rahmengebühren grundsätzlich ein Vorschuss gegen die Landeskasse in Höhe der Mittelgebühren zu. Soweit bei Vorschussanforderung bereits Anhaltspunkte für überdurchschnittliche Kriterien vorliegen, kann auch ein höherer Vorschuss zu bewilligen sein.
BSG, Beschl. v. 25.4.2018 – B 5 R 22/18 B
1 Aus den Gründen
Dem Kläger wurde vom BSG für das Verfahren der Beschwerde gegen die Nichtzulassung der Revision im Beschluss des LSG Prozesskostenhilfe bewilligt und sein Rechtsanwalt, beigeordnet. Der Rechtsanwalt hat mit Schriftsatz v. 4.4.2018 einen Vorschuss (§ 9 RVG) i.H.v. 856,80 EUR (Verfahrensgebühr gem. Nr. 3512 VV i.H.v. 700,00 EUR, Auslagenpauschale gem. Nr. 7002 VV i.H.v. 20,00 EUR sowie Mehrwertsteuer gem. Nr. 7008 VV i.H.v. 136,80 EUR) beantragt.
Gem. § 47 RVG hat ein Rechtsanwalt auf die entstandenen Gebühren und die entstandenen und voraussichtlich entstehenden Auslagen einen Anspruch gegen die Staatskasse auf einen angemessenen Vorschuss. Im Rahmen der Vorschussgewährung wird bei Rahmengebühren in der Regel die Mittelgebühr als angemessen angesehen. Die Angemessenheit ist aber einzelfallbezogen zu betrachten und bei der Festsetzung entsprechend zu berücksichtigen (s. LSG Berlin-Brandenburg, Beschl. v. 2.11.2012 – L 13 SF 206/12 E u. Bayerisches LSG, Beschl. v. 18.1.2010 – L 13 SF 288/09 E).
Als grds. ist festzuhalten, dass das Gebührenbestimmungsrecht gem. § 14 RVG dem Rechtsanwalt obliegt, der unter Abwägung aller Umstände des Einzelfalles und unter Berücksichtigung der Einzelfallkriterien – nicht nur der in § 14 RVG selbst aufgeführten – die Höhe der Rahmengebühr festlegt. Die Festlegung des Rechtsanwalts ist nur dann nicht verbindlich, wenn man zu dem Ergebnis gelangt, dass die Gebührenbestimmung unbillig ist. Die von der Rspr. herangezogene sogenannte Mittelgebühr erspart in der Regel eine aufwendige Billigkeitsprüfung. Das heißt jedoch nicht, dass nur sie der Billigkeit entspricht. Vielmehr ist zu beachten, dass im Allgemeinen Abweichungen bis zu 20 % noch als billig und damit verbindlich angesehen werden, vgl. Mayer, in: Gerold/Schmidt, 21. Aufl., 2013 zu RVG, § 14 Rn 12.
Die Mittelgebühr soll gelten und damit zur konkreten billigen Gebühr in den Normalfällen werden, d.h. in den Fällen, in denen sämtliche, vor allem die nach § 14 Abs. 1 S 1 RVG zu berücksichtigenden Umstände durchschnittlicher Art sind, also übliche Bedeutung der Angelegenheit, durchschnittlicher Umfang und durchschnittlicher Schwierigkeitsgrad der anwaltlichen Tätigkeit, wirtschaftliche Verhältnisse des Auftraggebers, die dem Durchschnitt der Bevölkerung entsprechen.
Jedes Bemessungskriterium des § 14 RVG kann Anlass sein, von der Mittelgebühr nach oben oder unten abzuweichen, soweit ein Umstand vom Durchschnitt abweicht.
Bedeutung der Angelegenheit
Vorliegend handelt es sich darum, den Bescheid der Beklagten v. 11.11.2011 in der Fassung des Widerspruchsbescheides v. 29.2.2012 aufzuheben und dem Kläger Erwerbsminderungsrente zu gewähren. Die Bedeutung der Angelegenheit ist für den Kläger von überdurchschnittlicher Art, da es um die Gewährung von Erwerbsminderungsrente, also um Lohnersatzleistungen, geht.
Umfang und Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit
Rechtsanwalt W. hat mit Schreiben v. 24.1.2018 Wiedereinsetzung in den vorigen Stand beantragt und um Akteneinsicht gebeten. Der 5. Senat hat mit Beschl. v. 6.2.2018 die Wiedereinsetzung in den vorigen Stand gewährt. Mit Schreiben v. 25.2.2018 wurde beantragt, die Frist zur Begründung der Nichtzulassungsbeschwerde um einen Monat zu verlängern. Nach erfolgter Akteneinsicht hat der Rechtsanwalt mit Schreiben v. 2.4.2018 eine 25-seitige Begründung eingereicht.
Der Umfang und die Schwierigkeit werden als überdurchschnittlich eingeschätzt, da sich in der Akte Befundberichte und Gutachten befinden, mit welchen sich der Rechtsanwalt auseinandergesetzt hat.
Vermögens- und Einkommensverhältnisse des Klägers
Der Kläger bezieht laufende Leistungen der Eingliederungshilfe nach dem SGB XII, so dass die Vermögens- und Einkommensverhältnisse als unterdurchschnittlich zu bewerten sind.
Haftungsrisiko
Es liegt ein leicht erhöhtes Haftungsrisiko vor.
Als erstattungsfähige Kosten sind daher zugrunde zu legen:
Gebühr |
EUR |
Verfahrensgebühr, § 49 RVG, Nr. 3512 VV |
700,00 |
Pauschale für Post- und Telekommunikationsdienstleistungen, Nr. 7002 VV |
20,00 |
19 % Umsatzsteuer auf die Vergütung, Nr. 7008 VV |
136,80 |
Gesamtbetrag |
856,80 |
Die abschließende Festsetzung nach Beendigung des Verfahrens bleibt gem. § 55 i.V.m. § 8 RVG vorbehalten.
AGS 6/2018, S. 290