RVG § 15a; RVG VV Vorbem. 3 Abs. 4, Nrn. 2300, 3100
Leitsatz
Schließen die Parteien einen Vergleich, wonach der Beklagte sich verpflichtet, dem Kläger 90 % der diesem entstandenen vorprozessualen Geschäftsgebühr zu ersetzen, so muss sich der Kläger im Kostenfestsetzungsverfahren 90 % der hälftigen Geschäftsgebühr anrechnen lassen.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 8.12.2011 – 15 W 91/11
1 Sachverhalt
Die Klägerin hatte auf Zahlung von 40.400,00 EUR geklagt sowie auf Ersatz ihrer vorgerichtlichen Anwaltskosten (2,0-Geschäftsgebühr nebst Auslagen und Umsatzsteuer) in Höhe von 2.341,92 EUR. Die Parteien schlossen sodann einen Vergleich, wonach in der Hauptsache 36.360,00 EUR zu zahlen waren und auf die vorgerichtlichen Kosten 2.107,73 EUR. Beide Beträge entsprachen jeweils 90 % des eingeklagten Betrages. Mit dieser Maßgabe sind auch die Kosten des Rechtsstreits verteilt worden; lediglich für die erste Instanz blieb es bei der vollen Kostentragung der Beklagten. Im nachfolgenden Kostenfestsetzungsverfahren entstand Streit darüber, ob und in welchem Umfang die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr auf Klägerseite anzurechnen sei. Das LG hat keine Anrechnung vorgenommen.
Der sofortigen Beschwerde hat das LG unter Berufung auf die Entscheidungen des OLG Naumburg v. 18.2.2010 (2 W 5/10, JurBüro 2010, 298) und v. 23.2.2010 (2 W 13/10, JurBüro 2010, 299) nicht abgeholfen und sie dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
2 Aus den Gründen
Die zulässige sofortige Beschwerde hat in der Sache Erfolg.
Entgegen der Auffassung des LG ist die außergerichtliche Geschäftsgebühr mit 90 % eines Gebührensatzes von 0,75 auf die Verfahrensgebühr anzurechnen.
Der Einwand der Anrechnung der anteiligen Gebühr i.S.d. Vorbem. 3 Abs. 4 VV kann gem. § 15a Abs. 2 RVG unter anderem erhoben werden, wenn die vorgerichtlich entstandene Geschäftsgebühr gegen den Kostenpflichtigen tituliert ist, da dem Anspruchsberechtigten in diesem Fall ein vollstreckbarer Titel zusteht (Winkler in: Mayer/Kroiß, RVG, § 15a, Rn 19).
Das ist vorliegend der Fall. In dem Vergleich, den die Parteien vor dem Senat geschlossen haben, wurde die außergerichtlich angefallene Geschäftsgebühr mit einem Anteil von 90 % tituliert. Dass die Titulierung die außergerichtlich angefallenen Rechtsverfolgungskosten betrifft, ergibt sich daraus, dass die Klägerin die außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten in Höhe von 2.341,92 EUR als Nebenforderung mit ihrer Klage geltend gemacht hat und die Parteien sich darüber geeinigt haben, dass die Beklagte zu 1) davon 90 %, mithin 2.107,73 EUR, ausgleicht. Im Übrigen ist zwischen den Parteien auch unstreitig, dass es sich bei der im Vergleich titulierten Forderung um 90 % der außergerichtlichen Rechtsverfolgungskosten handelt.
Die hier getroffene Entscheidung steht den Beschlüssen des OLG Naumburg v. 18.2.2010 (2 W 5/10, JurBüro 2010, 298) u. v. 23.2.2010 (2 W 13/10, JurBüro 2010, 299 [= AGS 2010, 211]) nicht entgegen. Denn in den dort behandelten Fällen ging es jeweils um einen Vergleich, in dem der zur Abgeltung zu zahlende Betrag nicht aufgegliedert war und insbesondere keinen bezifferten Einzelbetrag der Geschäftsgebühr auswies. Daher war in diesen Fällen auch nicht erkennbar, ob und ggf. in welcher Höhe der Gesamtabgeltungsbetrag auf vorgerichtliche Kosten entfiel.
Der vorliegende Fall unterscheidet sich indes maßgeblich. Denn in dem Vergleich zwischen der Klägerin und der Beklagten zu 1) sind die Hauptforderung und die Nebenforderung getrennt aufgeführt, so dass unzweifelhaft ersichtlich und im Übrigen auch unstreitig ist, dass die Verpflichtung der Beklagten zu 1) zur Zahlung von 2.107,73 EUR einen Anteil von 90 % der außergerichtlichen Rechtsanwaltskosten betrifft. Von einer Titulierung i.S.v. § 15a Abs. 2, Alt. 2 RVG ist nach Abschluss eines Prozessvergleichs dann auszugehen, wenn der Vergleich einen bezifferten Einzelbetrag als auf die Geschäftsgebühr entfallend benennt (OLG Karlsruhe, Beschl. v. 15.4.2010 – 13 W 159/09, NJW-Spezial 2010, 379 [= AGS 2010, 209]; OLG Hamm, Beschl. v. 3.8.2010 – 25 W 113/10, RVGreport 2010, 467; vgl. auch OLG Koblenz, Beschl. v. 24.8.2010 – 14 W 460/10, JurBüro 2010, 585 [= AGS 2010, 465]). Das ist – wie vorstehend aufgezeigt – der Fall, da Hauptforderung und Nebenforderung getrennt ausgewiesen werden. Unschädlich ist vorliegend, dass in dem Vergleich dieser Betrag nicht noch zusätzlich als auf die Geschäftsgebühr entfallend bezeichnet ist. Denn es ist zwischen den Parteien nicht nur unstreitig, dass dieser Vergleichsbetrag die Geschäftsgebühr abgelten sollte, sondern dies ergibt sich auch daraus, dass mit der Klage 2.341,92 EUR außergerichtliche Rechtsanwaltskosten als Nebenforderung geltend gemacht und in dem Vergleich 90 % dieser Nebenforderung als gesonderter Zahlbetrag ausgewiesen wurden.
Damit ergibt sich folgende Berechnung:
Außergerichtliche Kosten der Klägerin
1,3-Verfahrensgebühr gem. Nr. 3100 VV |
1.359,80 EUR |
abzüglich 90 % der 0,75-Geschäftsgebühr |
-657,45 EUR |
1,2-Terminsgebühr gem. Nr. 3104 VV |
1.255,20 EUR |
Entgelt für Post- und Telekommunikatio... |