... gibt es doch. Das LAG Baden-Württemberg (Beschl. v. 3.5.2012 – 5 Ta 3/12) hat sie vor Kurzem erfunden.
Im zugrunde liegenden Fall hatte ein gekündigter Arbeitnehmer Kündigungsschutzklage erhoben und darüber hinaus noch weitere Anträge gestellt, deren Wert das ArbG mit insgesamt 51.044,08 EUR bemessen hat. Infolge der Eröffnung des Insolvenzverfahrens über das Vermögen der Arbeitgeberin wurde das Verfahren unterbrochen und später vom Insolvenzverwalter aufgenommen. Der Kläger änderte nunmehr seine Anträge und beantragte die Feststellungen diverser Forderung zur Insolvenztabelle. Nach Abschluss des Verfahrens setzte das Arbeitsgericht den Streitwert auf 51.044,08 EUR fest. Hiergegen hatte der Insolvenzverwalter Beschwerde erhoben.
Das LAG schätzte den Wert der ursprünglichen Klageforderungen auf 53.960,75 EUR (wobei der Vollständigkeit halber erwähnt werden muss, dass es sich dabei um dieselbe Gebührenstufe handelt). Den Wert der Anträge nach Fortsetzung des ausgesetzten Verfahrens bemaß das Gericht dagegen nur mit 12.979,32 EUR und erließ folgenden Beschluss:
"Der für die Gerichtsgebühren maßgebende Wert vor Aufnahme des Rechtsstreits gegen den Insolvenzverwalter wird auf 53.960,75 EUR und danach auf 12.979,32 EUR festgesetzt."
Voller Stolz über seine Entscheidung veröffentlichte die Kammer diese auch, und zwar mit folgenden amtlichen Leitsätzen:
- Für die Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts gem. § 63 Abs. 2 GKG kommt es gem. § 40 GKG ausschließlich auf den Zeitpunkt der Einleitung des Rechtszuges an.
- § 40 GKG wird jedoch für den Fall der Aufnahme eines unterbrochenen Rechtsstreits gegen den Insolvenzverwalter mit einer geänderten Klage auf Feststellung von Forderungen zur Insolvenztabelle durch § 182 InsO verdrängt. In diesem Fall ist daher ein Stufenstreitwert zu bilden (Festsetzung des für die Gerichtsgebühren maßgebenden Werts vor und ab der Aufnahme des Rechtsstreits gegen den Insolvenzverwalter mit unterschiedlicher Streitwerthöhe).
Schon der erste Satz lässt einen Kostenrechtler schaudern. Dort ist von "den Gerichtsgebühren" die Rede. Schaut man einmal in das GKG, so stellt man fest, dass im erstinstanzlichen arbeitsgerichtlichen Verfahren nicht mehrere Gerichtsgebühren erhoben werden, sondern nur eine einzige. Die Höhe dieser Gebühr beläuft sich zwar auf 2,0. Es handelt sich aber nicht um zwei Gebühren, die gesondert erhoben werden, sondern um eine einzige Gebühr, die mit einem Gebührensatz von 2,0 erhoben wird.
Fällt aber nur eine einzige Gebühr an, dann kann es für diese eine Gebühr auch nur einen einzigen Wert geben, sollte man jedenfalls meinen.
Das LAG Baden-Württemberg belehrt uns eines besseren. Dieses Gericht bringt es fertig, für ein und dieselbe Gebühr zwei Werte festzusetzen, die es nach Zeitabschnitten staffelt.
Wie eine einzige Gebühr nach zwei verschiedenen Werten berechnet werden soll, bleibt ebenso das Geheimnis des LAG wie die Frage, wie ein und dieselbe Gebühr sich in unterschiedlichen Zeitabschnitten nach unterschiedlichen Werten berechnen soll.
Das Gesetz sieht nur eine einzige Gebühr vor. Folglich kann diese Gebühr auch nur einen einzigen Wert haben. Diesen Wert, nach dem der Kostenbeamte die Gebühr zu berechnen und zu erheben hat, hat das Gericht festzusetzen. Nicht mehr und nicht weniger.
Leider ist in der Praxis immer wieder zu beobachten, dass solche gestaffelten Wertfestsetzungen vorgenommen werden, die völlig unsinnig und widersinnig sind.
Eine Gebühr für das Verfahren im Allgemeinen deckt – wie ihr Name bereits sagt – das gesamte Verfahren ab. Mag auch im Verlaufe des Verfahrens der Wert schwanken, ist dies für die Gerichtsgebühren völlig unerheblich. Ungeachtet dessen wird die Gerichtsgebühr nur nach einem einzigen Wert ermittelt, nämlich gem. § 39 GKG nach dem Gesamtwert aller Gegenstände, die im Laufe des Verfahrens anhängig waren, wobei jeder Gegenstand zum Zeitpunkt seiner Anhängigkeit zu bewerten ist (§ 40 GKG).
Weshalb das LAG Seiten füllt, um sich mit einer Wertberechnung nach Aufnahme des ausgesetzten Verfahrens zu befassen, die niemanden interessiert, ist nicht nachzuvollziehen.
Wenn Gerichte sich mit solchen sinnlosen Bewertungsfragen befassen, ist es nicht verwunderlich, dass sie über Arbeitsüberlastung klagen.
Ach ja, fast hätte ich das vergessen: Das Verfahren endete durch Vergleich, sodass nach Vorbem. 8 Abs. 1 GKG-Kost.Verz. gar keine Gerichtsgebühr angefallen ist, und zwar weder vor noch nach Unterbrechung des Verfahrens.
Autor: Norbert Schneider
Norbert Schneider