BGB § 286; ZPO § 287

Leitsatz

  1. Im Rahmen einer nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schätzung des Schadens, der einem Gläubiger durch die Beauftragung eines Inkassounternehmens entstanden ist, sind die Vergütungssätze des RVG nicht heranzuziehen.
  2. Inkassokosten sind nur bis zu einem Betrag von 10,00 EUR zu erstatten.

AG Essen-Borbeck, Urt. v. 10.4.2012 – 6 C 101/11

1 Aus den Gründen

Die Abweisung im Übrigen betrifft die Inkassokosten, soweit diese einen Betrag von 10,00 EUR übersteigen. Im Rahmen der nach § 287 ZPO vorzunehmenden Schadensschätzung sind die Vergütungssätze des RVG nicht heranzuziehen. Es fehlt an einer Regelungslücke. Bei der Schaffung des RDG war das RVG bekannt, von einer entsprechenden Anwendung bzw. eines Verweises hierauf wurde aber Abstand genommen. Auch eine Marktüblichkeit dieser Berechnungsmethoden ändert hieran nichts, vielmehr wird auf diesem Wege die klare gesetzgeberische Entscheidung, Inkassounternehmen insoweit nicht Rechtsanwälten gleichzusetzen, umgangen.

Demnach ist der dem Gläubiger entstandene Aufwand unter Berücksichtigung seiner Schadensminderungspflicht gem. dem tatsächlich hierfür anfallenden Aufwand zu schätzen. Hier ist zu berücksichtigen, dass die Verfahren bei Inkassobüros standardisiert und weitestgehend automatisiert ablaufen. Das betrifft auch die Meldung an die Schufa. Zudem kann es nicht zum Nachteil des Schuldners gereichen, wenn der Gläubiger seine ureigenste Verantwortung, die Realisierung der Forderung zu überprüfen, delegiert und dadurch Kosten auslöst, die nicht im Verhältnis zum tatsächlichen Aufwand stehen.

Mitgeteilt von Rechtsanwalt Dr. Harald Schneider, Siegburg

2 Anmerkung

Zur Frage, ob und gegebenenfalls in welcher Höhe Inkassokosten als Verzugsschaden zu erstatten sind, gibt es die verschiedensten Rechtsmeinungen. Diese reichen von der völligen Ablehnung der Erstattungsfähigkeit bis hin zur Erstattungsfähigkeit in Höhe der Gebühren, die ein Anwalt für seine entsprechende Mahntätigkeit verlangen könnte. Zwischen diesen Extrempositionen liegen differenzierende Auffassungen, die z.B. bei geringen Streitwerten die Erstattung aus Gründen der Verhältnismäßigkeit bzw. aus Gründen der Schadensminderungspflicht versagen, zum Teil hierbei Anwälte und Inkassounternehmer gleich behandeln. Es gibt Gerichte, die 2,50 EUR pauschal als Inkassokosten für angemessen halten, oder solche, die einen höheren Pauschalbetrag ansetzen oder die ein Inkassoschreiben wie ein Gläubiger-Mahnschreiben behandeln. Andere Gerichte berücksichtigen ein Inkassoschreiben analog einem einfachen Schreiben mit einer 0,3-Gebühr gem. Nr. 2402 VV. Von der Darstellung der vielfältigen Entscheidungen und einer "Standortanalyse" (nachzulesen z.B. in den Verbandsmitteilungen der Spitzenorganisationen der Inkassounternehmer) wird an dieser Stelle abgesehen. Es geht um eine realitäts- und praxisbezogene Analyse der Entscheidung des AG Essen-Borbeck. Das BVerfG (Beschl. v. 7.9.2011 – 1 BvR 1012/11) hat jüngst in einer Entscheidung im Verfassungsbeschwerdeverfahren als h.M. angenommen, dass die Inkassokosten grundsätzlich erstattungsfähig sind, jedoch nur in Höhe der Kosten, die bei alternativer Beauftragung eines Anwalts angefallen wären und mit der Einschränkung, dass der Schuldner nicht von vornherein erkennbar zahlungsunwillig gewesen ist. Es hat eine Entscheidung des AG Brandenburg, das eine Mindermeinung zur Erstattungsfähigkeit von Inkassokosten vertreten und die Berufung nicht zugelassen hat, als verfassungswidrig aufgehoben.

Im Falle des AG Essen-Borbeck, dem die Entscheidung des BVerfG noch nicht bekannt gewesen sein dürfte, hatte der Kläger eine Forderung aus einem Kaufvertrag gegen die Beklagte zunächst mehrfach selbst angemahnt. Da dies erfolglos blieb, beauftragte er ein Inkassounternehmen, das Mitgliedsunternehmen der Schufa Holding AG ist, mit der außergerichtlichen Forderungsbeitreibung. Das Inkassounternehmen versandte drei Mahnschreiben, jeweils mit der Androhung der Eintragung in die Schufa und in andere Auskunfteien für den Fall, dass der Forderung nicht widersprochen wird und keine Zahlung erfolgt. Nachdem auch das keinen Erfolg brachte, leitete der Gläubiger das gerichtliche Mahnverfahren ein, das nach Widerspruch der Schuldnerin dann in das streitige Verfahren überging. Im Mahnverfahren hatte der Kläger die Inkassokosten in Höhe einer 0,65-Gebühr gem. Nr. 2300 VV nebst Auslagenpauschale geltend gemacht. Die Beklagte verteidigte sich im angeordneten schriftlichen Vorverfahren nicht. Das Gericht wies darauf hin, dass ein Versäumnisurteil ergehen könne, falls der Kläger die Schadensposition "Inkassokosten" auf 10,00 EUR reduzieren würde. Der Hinweis lautete:

"Inkassokosten sind regelmäßig dann nicht ersatzfähig, wenn es zum Prozess kommt, da der Gläubiger zur Schadensminderung den Rechtsanwalt sofort hätte beauftragen können (vgl. Grüneberg, in: Palandt, § 286 mit Rechtsprechungsnachweisen)."

Soweit aus besonderen Gründen, die hier nicht erkennbar sind, die Inkassokosten ersatzfähig sein sollten, gilt Folgendes:

Zwar ist in der Rec...

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