KostO §§ 30 Abs. 2, 109 Abs. 1 Nr. 2
Leitsatz
Als Geschäftswert für die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses kann im Regelfall ein Bruchteil von 10 % des Nachlasswertes herangezogen werden. Im Einzelfall kann ein höherer Wert anzusetzen sein (hier: 20 % des Bruttonachlasswertes); maßgeblich sind insbesondere Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers sowie die Bedeutung des Zeugnisses für den Nachlass und die Erben.
OLG München, Beschl. v. 19.7.2011 – 31 Wx 308/11
1 Aus den Gründen
Die Beschwerde gegen die Festsetzung des Geschäftswerts für die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses und die eidesstattliche Versicherung ist zulässig. Der Wert des Beschwerdegegenstandes übersteigt 200,00 EUR (§ 31 Abs. 3 S. 1 KostO). Bei dem vom Nachlassgericht festgesetzten Geschäftswert beträgt die Gebühr jeweils 477,00 EUR, bei dem von den Beschwerdeführern für richtig gehaltenen Geschäftswert von 3.000,00 EUR jeweils 26,00 EUR.
Das Rechtsmittel ist jedoch nicht begründet.
1. Für die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses bestimmt sich der Wert nach § 30 Abs. 2 KostO (§ 109 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 KostO), ebenso für die eidesstattliche Versicherung (§ 49 Abs. 2 S. 1 i.V.m. § 109 Abs. 1 Nr. 2 S. 2 KostO). Danach ist der Wert regelmäßig mit 3.000,00 EUR anzunehmen (§ 30 Abs. 2 S. 1 KostO), er kann nach Lage des Falles niedriger oder höher, jedoch nicht über 500.000,00 EUR angenommen werden (§ 30 Abs. 2 S. 2 KostO). Die Annahme eines niedrigeren oder höheren Werts ist nicht auf seltene Ausnahmefälle beschränkt, erfordert aber eine auf den Einzelfall abgestellte Bewertung, bei der alle Umstände berücksichtigt werden können, die den Fall von einem durchschnittlichen unterscheiden. Im Vordergrund stehen die wirtschaftliche Bedeutung des Geschäfts für die Beteiligten, ihr Interesse daran und ihre Vermögenslage (BGH NJW-RR 2009, 228; Korintenberg/Reimann, KostO, 18. Aufl., § 30 Rn 108).
Bei der Wertbestimmung für die Erteilung eines Testamentsvollstreckerzeugnisses kann insbesondere der Wert des der Testamentsvollstreckung unterliegenden Nachlasses berücksichtigt werden, denn er kann einen Gradmesser für die wirtschaftliche Bedeutung des Zeugnisses bilden. Dabei sind Nachlassverbindlichkeiten nicht abzuziehen, wenn ihre Berichtigung zu den Aufgaben des Testamentsvollstreckers gehört. Von Bedeutung sind ferner Umfang und Schwierigkeit der Tätigkeit des Testamentsvollstreckers sowie die Bedeutung des Zeugnisses für den Nachlass und die Erben (BayObLGZ 1991, 313). Dafür kann auch die Art der Testamentsvollstreckung – Abwicklungs-, Dauer- oder Verwaltungsvollstreckung – einen Anhaltspunkt bieten (vgl. BayObLG FamRZ 2004, 1304 m.w.Nachw.; Korintenberg/Lappe, § 109 Rn 17 ff.; Hartmann, KostG, 41. Aufl., § 109 KostO Rn 11; Rohs/Wedewer/Waldner, § 109 KostO Rn 6; Burandt/Rojahn/Seiler, Erbrecht BGB, § 2368 Rn 42). Ein Bruchteil von 10 % des Nachlasswerts kann im Regelfall als Richtwert herangezogen werden (BayObLGZ 1991, 313), die Umstände des Einzelfalles können aber auch den Ansatz eines höheren Wertes angezeigt erscheinen lassen (vgl. Rohs/Wedewer/Waldner, § 109 Rn 6; Korintenberg/Lappe, § 109 Rn 22).
2. Zu Recht hat das Nachlassgericht hier rund 20 % des Bruttonachlasswerts von knapp 1,4 Mio. EUR als Wert für die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses und die dazu erforderliche eidesstattliche Versicherung angesetzt. Angesichts der Zusammensetzung des umfangreichen Nachlasses kommt dem Zeugnis und der mit ihm verbundenen Legitimationswirkung für die zu Testamentsvollstreckern ernannten beiden Miterben besondere Bedeutung zu. Zum Nachlass gehören, wie sich aus der Vermögensaufstellung des Betreuers des Erblassers ergibt, neben Bankguthaben und Wertpapieren insbesondere Anteile an mehreren Gesellschaften und Fonds. Zudem ist der Nachlass – wie dem Schreiben des Beteiligten zu 1) an das Nachlassgericht zu entnehmen ist – so unübersichtlich, dass sich die Testamentsvollstrecker auch knapp ein Jahr nach dem Ende 2008 eingetretenen Tod des Erblassers noch nicht in der Lage gesehen haben, ein Nachlassverzeichnis zu erstellen; ein solches wurde auch bislang nicht eingereicht. Schließlich hat der Erblasser ausführliche, mehrmals abgeänderte testamentarische Anordnungen getroffen, die von den Testamentsvollstreckern zu beachten sind.
3. Die Einwendungen der Beschwerdeführer greifen nicht durch.
§ 30 Abs. 2 S. 2 KostO eröffnet einen weiten Ermessensspielraum. Darin liegt kein Verstoß gegen das verfassungsrechtliche Bestimmtheitsgebot. Für die Bemessung der Gebühren in Nachlasssachen ist nicht der gerichtliche Zeitaufwand im konkreten Einzelfall maßgeblich; die gerichtlichen Gebühren sind pauschale öffentliche Abgaben (Hartmann, Einl. II A Rn 7). Für die Bestimmung des Wertes nach § 30 Abs. 2 KostO kommt es deshalb auch nicht darauf an, ob Einwände gegen die Erteilung des Testamentsvollstreckerzeugnisses erhoben wurden.