RVG §§ 9, 10; BGB §§ 194 ff., 242
Leitsatz
Unterlässt ein Rechtsanwalt schuldhaft die Abrechnung vereinnahmter Vorschüsse, so ist es ihm nach Treu und Glauben verwehrt, sich gegenüber dem Anspruch des Mandanten auf Abrechnung und Rückzahlung des nicht verbrauchten Vorschusses auf die Einrede der Verjährung zu berufen.
LG Karlsruhe, Urt. v. 11.6.2012 – 1 S 11/12
1 Sachverhalt
Die Klägerin begehrt als Rechtsschutzversicherer vom Beklagten, der als Rechtsanwalt in einer Verkehrsunfallsache den Versicherungsnehmer der Klägerin vertreten hatte, die Rückzahlung eines am 27.3.2003 an diesen verauslagten Vorschusses i.H.v. 940,50 EUR netto.
Der damalige gegnerische Haftpflichtversicherer regulierte die dem Beklagten entstandenen Rechtsanwaltsgebühren und zahlte an diesen unter dem 16.6.2003 einen Betrag in Höhe von 709,34 EUR aus. Dies brachte die Klägerin durch eine Anfrage bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer am 7.9.2010 durch dessen Antwort v. 15.9.2010 in Erfahrung. Der Beklagte, der seinen Kanzleisitz mehrfach verlegte, bezahlte weder den Vorschuss zurück, noch nahm er gegenüber der Klägerin eine Abrechnung des Mandats vor.
Auf ein Anschreiben der Klägerin v. 5.8.2005, in dem u.a. um eine Abrechnung unter Berücksichtigung des Kostenvorschusses gebeten wurde, reagierte der Beklagte, indem er die Klägerin an den Mandanten verwies, dem angeblich sämtliche Unterlagen übergeben worden seien.
Zwischen den Parteien ist streitig, ob den Beklagten weitere – mit Nichtwissen bestrittene – Anschreiben der Klägerin v. 8.1.2004, 4.10.2004, 4.2.2005, 5.10.2009 u. v. 2.2.2010 erreicht haben.
Das AG hat die Klage abgewiesen und Verjährung infolge grob fahrlässiger Unkenntnis der Klägerin gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB angenommen. Das Unterlassen der bereits im Jahre 2005 gebotenen Nachfrage bei dem gegnerischen Haftpflichtversicherer stelle eine schwere Obliegenheitsverletzung dar.
Hiergegen richtet sich die Berufung der Klägerin, mit der sie ihren erstinstanzlichen Zahlungsantrag weiter verfolgt. Die Berufung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Die Klägerin kann sowohl gem. den §§ 675 Abs. 1, 667 BGB als auch über § 812 Abs. 1 S. 2, 1. Alt. BGB jeweils i.V.m. § 17 Abs. 3 S. 1 ARB 2000 Herausgabe bzw. Rückzahlung des verauslagten Vorschusses in Höhe von 940,50 EUR verlangen. Es kann dahinstehen, ob infolge grob fahrlässiger Unkenntnis der Klägerin Verjährung eingetreten ist. Jedenfalls ist es der Beklagten in Ausprägung des Grundsatzes von Treu und Glauben gem. § 242 BGB verwehrt, sich auf diese Einrede zu berufen, da er die Verjährung durch eine zum Schadenersatz verpflichtende Handlung mit verursacht hat (vgl. zu dieser Fallgruppe: Palandt/Ellenberger, BGB, 71. Aufl., § 212, Überblick vor § 194 Rn 21 m.w.Nachw.)
Unstreitig hat der Beklagte in Gestalt des am 27.3.2003 gem. § 17 BRAGO verauslagten Vorschusses in Höhe von 940,50 EUR etwas aus der entgeltlichen Geschäftsbesorgung erlangt, §§ 667, 812 Abs. 1 BGB.
Dies geschah bei der bereicherungsrechtlich gebotenen wertenden Betrachtung durch eine Leistung des Versicherungsnehmers der Klägerin, weil nur dieser, nicht aber jene in vertragliche Beziehung mit dem Beklagten stand (vgl. Harbauer, Rechtsschutzversicherung, 8. Aufl. 2010, ARB 2000, § 17 Rn 7 ff.; Feuerich/Weyland, BRAO, 7. Aufl. 2008, § 44 Rn 29) und sich die Rückabwicklung erbrachter Leistungen im jeweiligen Vertragsverhältnis vollzieht.
Dadurch, dass unter dem 16.6.2003 die tatsächlich angefallenen Rechtsanwaltsgebühren des Beklagten in Höhe von 709,34 EUR von dem gegnerischen Haftpflichtversicherer zum Ausgleich gebracht wurden, fiel der rechtliche Grund für das Erhaltendürfen des Vorschusses nachträglich weg.
Diese dem Versicherungsnehmer der Klägerin zustehenden Ansprüche sind gem. § 17 Abs. 8 S. 1 ARB 2000 auf diese übergegangen.
2. Selbst wenn man zugunsten des Beklagten unter Zugrundelegung der dreijährigen Verjährungsfrist des § 195 BGB von grob fahrlässiger Unkenntnis der Klägerin gem. § 199 Abs. 1 Nr. 2 BGB (vgl. hierzu: BGH NJW-RR 2009, 544) und speziell für den Fall des Unterlassens einer Nachfrage: BGH NJW-RR 2010, 681) im Jahr 2005 ausgeht und demzufolge Verjährung der aufgezeigten Ansprüche eingetreten wäre, könnte sich der Beklagte hierauf nicht berufen. Dieser hat es – trotz ausdrücklicher Aufforderung – pflichtwidrig und schuldhaft unterlassen, über das Mandat und insbesondere über den erhaltenen Vorschuss abzurechnen, so dass er die Forderung als unverjährt gelten zu lassen hat (so auch: OLG Frankfurt RuS 1990, 341; AG Hamburg RuS 1996, 316; AG Eschweiler RuS 2000, 246; LG Hannover, Urt. v. 29.8.2003 – 12 S 42/03).
Bezahlt der Rechtsschutzversicherer den vom Rechtsanwalt angeforderten Vorschuss (§§ 9 RVG, 17 BRAGO) an diesen, so hat dieser auch abzurechnen (§§ 8 Abs. 1 S. 1, 10 RVG, 16, 18 BRAGO) und einen sich gegebenenfalls ergebenden Überschuss zurückzuerstatten (vgl. Harbauer, a.a.O., § 5 Rn 178).
Dem entspricht es, dass der Rechtsschutzversicherer in diesem Fall vom Rechtsanwalt die erforderlichen Auskünfte verlangen kann (vgl. Feuerich/Weyland, a.a....