GKG §§ 45 Abs. 2, 3, 47 Abs. 1 S. 1
Leitsatz
- Die Streitwerte von Berufung und Anschlussberufung werden addiert. Das gilt auch, wenn die Anschlussberufung im Laufe des Berufungsverfahrens zurückgenommen wird. Voraussetzung ist lediglich, dass die Vorinstanz über die den Gegenstand der Anschlussberufung bildende Forderung entschieden hat.
- Hat das erstinstanzliche Gericht über eine Hilfsaufrechnung entschieden und wird hiergegen Berufung eingelegt, dann ist der Wert der Hilfsaufrechnung auch dann im Berufungsverfahren hinzuzurechnen, wenn über die Hilfsaufrechnung wegen Rücknahme der Berufung insoweit nicht mehr entschieden wird.
OLG Schleswig, Beschl. v. 19.12.2013 – 1 W 67/13
1 Sachverhalt
Die Klägerin hat in der ersten Instanz vor dem AG in der Hauptsache beantragt, die Beklagte aus einem Werkvertrag zur Zahlung in Höhe von 2.687,87 EUR zu verurteilen. Die Beklagte hat beantragt, die Klage abzuweisen. Sie hat zur Rechtsverteidigung insbesondere den Einwand der außerordentlichen Kündigung des Vertrages sowie der Verwirkung des Anspruchs erhoben und hilfsweise mit Gegenansprüchen in Höhe von insgesamt 1.561,33 EUR aufgerechnet. Das AG hat der Klage wegen der vollständig erfolgreichen Hilfsaufrechnung in der Hauptsache nur in Höhe von 1.126,54 EUR stattgegeben und sie im Übrigen abgewiesen.
Hiergegen wendet sich die Klägerin mit ihrer Berufung, mit welcher sie den ursprünglichen Klageantrag weiter verfolgt hat.
Die Beklagte hat beantragt, die Berufung der Klägerin zurückzuweisen, und gegen das Urteil Anschlussberufung eingelegt mit dem Ziel, die Klage ohne Berücksichtigung der Hilfsaufrechnung abzuweisen. Sie hat im Verlauf des Berufungsverfahrens mit Zustimmung der Klägerin die Anschlussberufung zurückgenommen. Das LG hat daraufhin den Streitwert für das Berufungsverfahren auf insgesamt 4.249,20 EUR festgesetzt.
Die hiergegen gerichtete Beschwerde der Beklagten hatte keinen Erfolg.
2 Aus den Gründen
Der Streitwert für die Berufung bemisst sich gem. §§ 47 Abs. 1, 45 Abs. 2 GKG nach der Differenz zwischen zugesprochener und beantragter Zahlung, das sind 1.561,33 EUR. Da die Beklagte mit der Anschlussberufung nach ihrem Antrag erreichen möchte, dass sie die Gegenansprüche im Wert von 1.561,33 EUR behält, die ihr von der Vorinstanz gem. § 322 Abs. 2 ZPO aberkannt wurden und nicht zur Zahlung von 1.126,54 EUR verurteilt wird, beträgt der Streitwert für die Anschlussberufung 2.687,87 EUR. Diese Streitwerte sind zu addieren, so dass der Streitwert für das Berufungsverfahren 4.249,20 EUR beträgt.
Bei der vorliegenden Konstellation ist aufgrund des eindeutigen Wortlauts des § 47 Abs. 1 GKG kein Raum für die Anwendung des § 45 Abs. 3 GKG.
In Lit. und obergerichtlicher Rspr. wird zwar vertreten, dass für den Streitwert des Berufungsrechtszuges gem. § 45 Abs. 3 GKG (früher § 19 Abs. 3 GKG) keine Zusammenrechnung der Streitwerte erfolgt, wenn in diesem Rechtszug keine Entscheidung über die hilfsweise zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung ergeht (OLG Stuttgart, Beschl. v. 4.11.2004 – 13 U 93/04, NJW-RR 2005, 507; OLG Düsseldorf, Urt. v. 20.11.1997 – 10 U 38/93, NJW-RR 1998, 643; Zöller, ZPO, 30. Aufl., § 3 Rn 16 "Aufrechnung").
Die Rechtspraxis dieser OLG steht allerdings im Widerspruch zu der Rspr. des BGH. Dieser hat in seinem Beschl. v. 28.9.1978 (VII ZR 52/78, MDR 1979, 133) ausdrücklich ausgeführt, dass sich der Streitwert des Rechtsmittelverfahrens nach § 14 Abs. 2 S. 2 GKG richtet und § 19 Abs. 3 letzter Hs. GKG nicht eingreift, wenn das Rechtsmittel vor Stellung von Anträge zurückgenommen wird. Er ist hiervon in seinem Beschl. v. 26.9.1990 (VIII ZA 5/90, NJW-RR 1991, 127) auch nicht abgewichen, sondern hat lediglich festgestellt, dass eine Wertaddition der zur Aufrechnung gestellten Forderung in der Berufungsinstanz in dem Fall einer unstatthaften Berufung voraussetzt, dass die Vorinstanz über die zur Aufrechnung gestellte Gegenforderung eine der Rechtskraft fähige Entscheidung erlassen hat. Diese Voraussetzung ist vorliegend gegeben.
AGS 7/2014, S. 337 - 338