Werden Kostengesetze geändert, so ist für Übergangsfälle in allen Kostengesetzen auch eine Übergangsregelung enthalten. Diese findet sich für das RVG in § 60 RVG, für das GKG in § 71, für das FamGKG in § 63 usw. Sämtliche Gesetze sind so gestaltet, dass bis zu einem bestimmten Stichtag das alte Recht und ab einem bestimmten Datum das neue Recht anzuwenden ist. Dabei stellt das RVG auf den Tag der Auftragserteilung zur jeweiligen Angelegenheit ab, während GKG und das FamGKG auf den Tag der Einleitung der jeweiligen Instanz abstellen.
Insoweit war die Rechtslage bisher auch stets klar. Kam es zu einer Gesetzesänderung, dann war zu prüfen, ob dem Anwalt der Auftrag zu der abzurechnenden Angelegenheit vor dem Stichtag oder nach dem Stichtag erteilt worden ist. Für die Gerichtskosten kam es darauf an, ob die Instanz vor oder nach dem Stichtag eingeleitet wurde.
Mit dieser klaren Regelung hat der BGH schon im Jahr 2009 gebrochen. Zum 5.8.2009 ist nämlich der neue § 15a RVG eingeführt worden, der regelt, wie in Anrechnungsfällen vorzugehen ist und insbesondere, wie sich die Kostenerstattung in Anrechnungsfällen gestaltet. Während die Verwaltungsgerichtsbarkeit den § 15a RVG als echte Gesetzesänderung versteht und strikt § 60 RVG anwendet (zuletzt Bayerischer VGH, Beschl. v. 14.11.2011 – 2 C 10.2444), ist der BGH von einer "Klarstellung" ausgegangen, sodass er die neue Regelung des § 15a RVG in std. Rspr. nicht nur auf solche Fälle anwendet, in denen der Anwalt nach dem 5.8.2013 beauftragt worden ist, sondern auch auf sog. Altfälle (grundlegend (BGH AGS 2010, 54).
Dieses neue Rechtsinstitut der Klarstellung hat mit Inkrafttreten des 2. KostRMoG weitere Anwendungsfälle erfahren.
So ist in Vorbem. 3 Abs. 3 VV der Gesetzestext neu formuliert worden. Ausweislich der Gesetzesbegründung handelt es sich um eine "Klarstellung". Das wiederum hat das VG Berlin (S. 328 in diesem Heft) zum Anlass genommen, den jetzt klargestellten erweiterten Anwendungsbereich auch in Altfällen gelten zu lassen. A.A. ist allerdings das OVG Nordrhein-Westfalen (AGS 2014, 124), das hier wiederum auf § 60 RVG abstellt.
Darüber hinaus hat der Gesetzgeber in § 17 Nr. 10a und 11 RVG klargestellt, dass in Straf- und Bußgeldsachen das vorbereitende Verfahren bzw. das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende erstinstanzliche gerichtliche Verfahren zwei verschiedene Angelegenheiten sind, sodass zwei Postentgeltpauschalen anfallen. Das AG Kempen (S. 332 in diesem Heft) geht auch hier von einer Klarstellung aus und nimmt damit auch in "Altfällen" zwei Angelegenheiten und damit zwei Postentgeltpauschalen an. Das LG Hildesheim (AGS 2014, 183) wiederum ist der Auffassung, es handele sich um eine Gesetzesänderung, sodass § 60 RVG gelte.
Weitere Fälle werden sicherlich noch folgen.
Eine höchstrichterliche Entscheidung zur Frage, in welchen Fällen das 2. KostRMoG von einer echten Gesetzesänderung auszugehen hat und in welchen Fällen lediglich von einer (rückwirkenden) "Klarstellung", ist noch nicht ergangen.
In Anbetracht dessen, dass es der BGH war, der das Rechtsinstitut der "klarstellenden Gesetzesänderung" erfunden hat, dürfte zu erwarten sein, dass er in den Fällen, in denen der Gesetzgeber von einer Klarstellung spricht, diese auch rückwirkend anwendet.
Der Anwalt sollte jedenfalls versuchen, die klarstellenden neuen Regelungen auch in Altfällen durchzusetzen. Die Erfolgsaussichten sind jedenfalls nicht schlecht, wie die in diesem Heft veröffentlichten Entscheidungen belegen.
Autor: Norbert Schneider
Norbert Schneider
AGS 7/2014, S. II