RVG §§ 17 Nr. RVG VV Nr. 7002
Leitsatz
Bei den Bußgeldverfahren vor Behörde und Gericht handelt es sich um zwei verschiedene Angelegenheiten, weshalb die Auslagenpauschale dem Verteidiger des Betroffenen doppelt zu gewähren ist.
AG Kempen, Beschl. v. 14.2.2014 – 3 OWi-13 Js 489/13-72/13
1 Sachverhalt
Nachdem das Bußgeldverfahren gegen die Betroffene auf Kosten der Staatskasse eingestellt worden war und der Staatskasse auch die notwendigen Auslagen der Betroffenen auferlegt worden waren, beantragte sie die Festsetzung der ihr entstandenen Kosten, darunter auch jeweils einer Postentgeltpauschale (Nr. 7002 VV) für das Verwaltungsverfahren und das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren.
Entsprechend der Einwendung des Bezirksrevisors wurde die Postentgeltpauschale nicht doppelt, sondern nur einfach in Ansatz gebracht.
Dagegen hat die Betroffene Erinnerung eingelegt, soweit die Kostenpauschale nur einmal berücksichtigt worden ist.
Die Erinnerung hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Zwar ist die Vergütung des Verteidigers entsprechend der Übergangsvorschriften der §§ 60, 61 RVG nach dem Recht vor dem Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz zu berechnen. Dies führt jedoch im Ergebnis nicht dazu, dass die Auslagenpauschale lediglich einfach in Ansatz zu bringen ist.
Nach der bis zum 31.7.2013 geltenden Fassung des § 17 RVG (im Folgenden: § 17 RVG a.F.) war es in Lit. und Rspr. streitig, ob das Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde und das nachfolgende gerichtliche Verfahren verschiedene Angelegenheiten sind. Der BGH entschied noch im Dezember 2012, dass es sich nicht um verschiedene, sondern vielmehr um dieselbe Angelegenheit nach § 15 Abs. 2 S. 1 RVG handle (BGH v. 19.12.2012 – IV ZR 186/11, zfs 2013, 168). Die Lit. hingegen vertrat die Auffassung, dass die Gesetzessystematik sowie der Wille des Gesetzgebers eindeutig davon ausgingen, dass es sich um verschiedene Angelegenheiten handle (Burhoff, in: Burhoff, Kommentar zum RVG Straf- und Bußgeldsachen, 3. Aufl. 2011, Einl. Teil 5 VV Rn 10 m.w.Nachw.). Aus dem Gesetzesentwurf zum Zweiten Kostenrechtsmodernisierungsgesetz (BT-Drucks 17/11471 v. 14.11.2012, S. 267) ergibt sich nunmehr eindeutig, dass die Auffassung der Lit. zur alten Fassung des Gesetzes korrekt war, dass nämlich seitens des Gesetzgebers in behördlichem und gerichtlichem Bußgeldverfahren verschiedene Angelegenheiten zu sehen seien i.S.v. § 17 RVG a.F. Zur Klarstellung und Klärung der Streitfrage, so der Gesetzesentwurf, werde nunmehr eine entsprechende ausdrückliche Formulierung in das Gesetz aufgenommen (§ 17 Nr. 11 RVG). Nach Auffassung des hiesigen Gerichts kann also der von der Rspr. zu § 17 RVG a.F. vertretenen Ansicht nicht gefolgt werden, sondern muss § 17 RVG a.F. entsprechend dem nunmehr überdeutlichen Willen des Gesetzgebers ausgelegt werden.
Somit handelt es sich bei den Bußgeldverfahren vor Behörde und Gericht um zwei verschiedene Angelegenheiten und die Auslagenpauschale ist dem Verteidiger der Betroffenen doppelt zu gewähren.
3 Hinweis der Schriftleitung
A.A. LG Hildesheim.
AGS 7/2014, S. 332