RVG VV Nr. 4100, 4104, 4105
Leitsatz
Aus dem Wortlaut der Nr. 4100 VV ergibt sich, dass nach den Änderungen durch das 2. KostRMoG neben der Grundgebühr gleichzeitig stets die Verfahrensgebühr für den Verfahrensabschnitt anfällt, in dem der Rechtsanwalt erstmalig mit der Sache befasst wird.
LG Duisburg, Beschl. v. 3.6.2014 – 34 Qs 52/13
1 Aus den Gründen
Die gem. §§ 56 Abs. 2, 33 Abs. 3 S. 2 RVG zulässige Beschwerde gegen den Beschluss des AG ist begründet.
Das AG hat den Antrag des Pflichtverteidigers auf Festsetzung der Verfahrensgebühr Nr. 4105 VV für das vorbereitende Verfahren nebst anteiliger Umsatzsteuer zu Unrecht zurückgewiesen.
Die Verfahrensgebühr nach Nr. 4105 VV ist angefallen. Denn der Verteidiger hat im Ermittlungsverfahren tatsächlich Aktivitäten entfaltet, die über die mit der Grundgebühr abgegoltenen Tätigkeiten, also den einmalig mit der Übernahme des Mandats anfallenden Arbeitsaufwand, hinausgehen. Die Nrn. 4104, 4105 VV umfassen die gesamte Verteidigertätigkeit, insbesondere jede Antragstellung (Hartmann, KostG, 38. Aufl. 2008, Vorbem. 4.1.2 VV, Rn 5). Die Verteidigerbestellung erfolgte hier vor dem Eingang der Anklageschrift bei Gericht und damit im vorbereitenden Verfahren. Der Verteidiger hat beantragt, Termin zur mündlichen Verhandlung (Haftprüfung) anzuberaumen. Damit hat er eine Tätigkeit ausgeübt, die über die Entgegennahme der Information und die Akteneinsicht hinausgeht.
Zudem fällt die Verfahrensgebühr zeitgleich neben der Geschäftsgebühr an. Dies ergibt sich aus der durch das Zweite Gesetz zur Modernisierung des Kostenrechts hinzugesetzten Formulierung in Nr. 4100 VV, wonach die Grundgebühr "neben der Verfahrensgebühr für die erstmalige Einarbeitung in den Rechtsfall" entsteht. Die Grundgebühr kann danach grundsätzlich nicht selbstständig anfallen, sondern regelmäßig nur neben einer Verfahrensgebühr. Für die Tätigkeit in einem jeden gerichtlichen Verfahren entsteht eine Verfahrensgebühr als Ausgangsgebühr (BT-Drucks 17/11471 (neu), S. 281). Die Grundgebühr soll den zusätzlichen Aufwand entgelten, der für die erstmalige Einarbeitung anfällt. Sie hat daher den Charakter einer Zusatzgebühr, die den Rahmen der Verfahrensgebühr erweitert (BT-Drucks 17/11471 (neu), S. 281).
Aus dem Wortlaut (die Grundgebühr entsteht neben der Verfahrensgebühr und nicht neben einer Verfahrensgebühr) ergibt sich, dass neben der Grundgebühr gleichzeitig stets die Verfahrensgebühr für den Verfahrensabschnitt anfällt, in dem der Rechtsanwalt erstmalig mit der Sache befasst wird. Wird der Rechtsanwalt auch in weiteren Verfahrensstadien tätig, können weitere Verfahrensgebühren anfallen (etwa neben der Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren auch die Verfahrensgebühr für das gerichtliche Verfahren). Der Anfall der Verfahrensgebühr für das vorbereitende Verfahren ist nicht von dem weiteren Verlauf des Verfahrens abhängig. Anderenfalls würden bereits angefallene Verfahrensgebühren durch Fortführung des Verfahrens rückwirkend wieder entfallen. Dies sieht das Gesetz hingegen nicht vor.
Der Rechtsanwalt als Verteidiger eines inhaftierten Beschuldigten erhält die jeweilige Gebühr mit einem Zuschlag (Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl. 2013, Nrn. 4104–4105 VV, Rn 13). Die Gebühr Nr. 4105 VV RVG mit Zuschlag beträgt für einen gerichtlich bestellten oder beigeordneten Rechtsanwalt 161,00 EUR zuzüglich Umsatzsteuer.
Entnommen von www.burhoff.de
2 Anmerkung
Dass nach Inkrafttreten des 2. KostRMoG mit Wirkung seit dem 1.8.2013 das Vordergericht noch die Auffassung vertreten konnte, die Abgeltungsbereiche von Verfahrens- und Grundgebühr schlössen einander aus, kann nur Rechtsunkenntnis signalisieren: Die Abgrenzung des Abgeltungsbereichs der Grundgebühr zur Verfahrensgebühr war umstritten, ist es aber seit der Klarstellung des Gesetzgebers seit fast einem Jahr nicht mehr. Das LG hat das AG demnach zutreffend korrigiert.
Vor Inkrafttreten des 2. KostRMoG war überwiegend in der Kommentarliteratur angenommen worden, dass sich die Abgeltungsbereiche von Verfahrensgebühr und Grundgebühr gegenseitig ausschließen. Zunächst sollte die Grundgebühr entstehen. Erst wenn der Abgeltungsbereich beendet sei, begann danach der Anwendungsbereich der Verfahrensgebühr. Begründet wurde dies damit, dass die Grundgebühr anderenfalls keinen eigenen Abgeltungsbereich mehr gehabt hätte, weil ja sämtliche Tätigkeiten, die zum Entstehen der Grundgebühr führen, zugleich auch die Verfahrensgebühr auslösen. Der Gesetzgeber habe insoweit gewollt, dass die Grundgebühr einen eigenen Abgeltungsbereich hat, nämlich die Vergütung der erstmaligen Akteneinsicht und der mit der Übernahme des Mandats zusammenhängenden Tätigkeiten. Auch in der Rspr. war dies bis zum Inkrafttreten des 2. KostRMoG überwiegend vertreten worden. Die gegenteilige Auffassung hatte den Gesetzgeber allerdings immer schon richtig verstanden und angenommen, dass bei Einarbeitung in den Fall nicht nur die Grundgebühr, sondern zugleich auch die Verfahrensgebühr entstehe.
Vom Gesetzgeber war von vornherein beabsichtigt, dass Gr...