The winner is: RVG – RVG versus BGB
Dass dem RVG eine weitaus größere Bedeutung zukam und zukommt als der BRAGO, lässt sich schon daran ablesen, dass die Anzahl der einschlägigen Kommentare seit 2004 geradezu inflationär zugenommen hat, was man im Übrigen auch von den Gerichtsentscheidungen sagen kann.
Spätestens seit dem 1.7.2008 ließ sich die Bedeutung des RVG auch daran ablesen, dass man es zumindest für möglich hielt, dass durch dessen Vorschriften allgemein gültige Vorschriften des BGB außer Kraft gesetzt werden können.
Anderenfalls wäre es sicherlich nicht erforderlich gewesen, sowohl in § 3a Abs. 3 S. 2 RVG als auch in § 4b S. 2 RVG die eigentlich als Selbstverständlichkeit zu empfindende Regelung aufzunehmen, dass die Vorschriften des BGB unberührt bleiben.
Weitestgehend unbeachtet geblieben ist – weil letztendlich ohne weitreichenden Folgen – eine Gesetzesregelung in § 4b RVG, die in der Tat die Vorschriften des BGB – zumindest teilweise – außer Kraft setzt, wie der BGH nun abschließend festgestellt hat.
Während in § 125 BGB unmissverständlich festgelegt wird, dass ein Rechtsgeschäft, welches der durch Gesetz vorgeschriebenen Form ermangelt, nichtig ist, sieht § 4b RVG in S. 1 ebenso unmissverständlich vor, dass eben keine Nichtigkeit eintritt, wenn eine Vergütungsvereinbarung – u.a. – den Formerfordernissen nicht entspricht (vgl. aber § 126b BGB).
Vielmehr soll sich der Vergütungsanspruch des Rechtsanwalts dann "nur" auf die gesetzliche Vergütung beschränken. Dies scheint in der Tat auf den ersten Blick irritierend und auch die Ausführungen in der Gesetzesbegründung sind – wie der BGH zutreffend feststellt – widersprüchlich.
So ist es durchaus nachvollziehbar, dass in der Lit. zum Teil die Auffassung vertreten wurde, eine fehlerhafte Vergütungsvereinbarung sei ungeachtet des Gesetzestextes von § 4b RVG nichtig.
Ein Blick in die Gesetzesbegründung half letztendlich deshalb nicht weiter, weil die alte Regelung in § 4 RVG a.F. eben nicht mit der Neuregelung in § 3a RVG übereinstimmt.
In § 4 RVG a.F. war keineswegs Schriftform i.S.v. § 126 BGB vorgeschrieben, deren Nichteinhaltung dann in der Tat zu einer Nichtigkeit geführt hätte, sondern es wurde lediglich "die Erklärung des Auftraggebers schriftlich" zur Voraussetzung dafür gemacht, dass eine höhere als die gesetzliche Vergütung verlangt werden konnte.
Dieser oft übersehene Unterschied (Schriftform: Unterschriften von beiden Vertragsparteien einerseits und schriftliche Erklärung des Auftraggebers andererseits) mag mit dazu beigetragen haben, dass der Gesetzgeber in der Gesetzesbegründung einen Rückgriff auf die alte Rechtsregelung für möglich hielt, gleichzeitig aber übersah, dass die Neuregelung neue Probleme aufwarf.
Tatsächlich ist der Text von § 4b RVG aber eindeutig, der sich auf § 3a Abs. 1 S. 1 RVG nun einmal wortwörtlich (Textform) bezieht und als Rechtsfolge bei einem Formverstoß nun einmal nicht die Nichtigkeit, sondern die Beschränkung auf die gesetzliche Vergütung ausspricht.
Nachdem sich der BGH hier also eindeutig für einen "Platzvorteil" zugunsten des RVG ausgesprochen hat, macht der bislang in der Lit. (s.o.) beanstandete Hinweis auf die bereicherungsrechtlichen Vorschriften sogar Sinn und entfaltet eine gewisse Notwendigkeit, diese Vorschriften des BGB vom RVG unberührt zu lassen.
Die Aufregung über die Beseitigung des Meinungsstreites (vgl. die Zitate in der besprochenen Entscheidung) sollte sich allerdings in Grenzen halten, weil die Folgen der Entscheidung jedenfalls insoweit – zurückhaltend formuliert – überschaubar bleiben.
Ob man sich nun für eine Nichtigkeit aussprach oder für eine Lösung über die Regelung in § 4b RVG, die Rechtsfolgen blieben die gleichen:
Der Rechtsanwalt verlor – in der Regel – nicht seinen Vergütungsanspruch, sondern wurde lediglich auf die gesetzliche Vergütung verwiesen.
Und dass umgekehrt der Rechtsanwalt, der eine fehlerhafte Vergütungsvereinbarung herbeigeführt hatte, aus seiner gebührenrechtlichen Inkompetenz zu Lasten des Mandanten keine Vorteile herleiten konnte, war stets schon einhellige Meinung und wurde und wird über § 242 BGB herbeigeführt.
Insoweit zitiert der IX. Senat in der Entscheidung vom 5.6.2014 ja auch die Fälle aus der hinlänglich bekannten Rspr., bei denen die gesetzliche Vergütung nunmehr über die eigentlich – fehlerhaft – vereinbarte Vergütung hinausging (vgl. auch hier die Rechtsprechungszitate aus dem besprochenen Urteil).
Wirklich wichtig und eine Besprechung wert ist das Urteil aber allein deswegen, weil noch eine ganze Reihe von anderen Zweifelsfragen angesprochen wird.
Ungeachtet dessen, ob man einen Verstoß gegen die Vorschriften des RVG mit einer Nichtigkeit der Vergütungsvereinbarung – wie im Anwaltkommentar – "ahnden will" oder mit der nachzulesenden Rechtsfolge in § 4b S. 1 RVG, blieb bislang in der Rspr. zumindest in der erforderlichen Eindeutigkeit ungeklärt, wie der Fall zu beurteilen ist, bei dem die gesetzlichen Gebühren auch für eine gerichtliche Tätigkeit des Rechtsanwalts ...