Es ist kaum ein größeres Hin und Her zu beobachten als bei der nachträglichen Antragstellung in der Beratungshilfe. Diese bietet ein enormes Streitpotential zwischen Anwaltschaft, Bürger und Gericht. In der Praxis sind restriktive Handhabungen bei der nachträglichen Antragstellung nicht selten zu beobachten. Dies ist nachvollziehbar, da sich ein Füllhorn an Rspr. hierzu entwickelt hat und die Rspr. naturgemäß uneinheitlich ist. Die Praktiker wissen, dass die überwiegende Anzahl der Rechtsanwälte (zukünftig wohl auch der Beratungspersonen) die nachträgliche Antragstellung daher gänzlich ablehnt und auf eine vorherige Antragstellung – als Zeichen der Klarheit – hinwirkt. Die anwaltliche Standesvertretung – offensichtlich nicht ausreichend instruiert von ihrer Basis – wiederum forderte den Beibehalt der nachträglichen Antragstellung. Das Reformvorhaben sah hier zunächst die Abschaffung vor. Die vom Rechtsausschuss letztlich geänderte und daraufhin vom BT beschlossene Fassung lässt die Option hingegen weiterhin bestehen. Die ohnehin komplizierte Vorgehensweise, der Streit um die Form (schriftlich über das Anwaltsbüro ohne Scheinerteilung? Scheinerteilung? Übersendung an wen? Wann? Erst nach Abschluss oder zuvor?), um die Frist (besteht eine solche? Greift Verwirkung?) und um die Frage des Unterschriftszeitpunktes (Unterzeichnung vor der ersten Tätigkeit?; Unterzeichnung nun nachträglich möglich, aber Nennung des Beratungshilfezeitpunkts) bleibt bestehen und wird sogar noch ergänzt um eine Frist (vier Wochen), die das Verfahren zukünftig zweiteilt und aufwändiger gestaltet. Nicht nur, dass man sich also zukünftig weiter fachlich um die Frage des notwendigen Unterschriftszeitpunktes bzw. stattdessen nun über den Zeitpunkt des Tätigwerdens "in der Beratungshilfe" ("ich habe RA XY am … wegen Beratungshilfe beansprucht": dieser Zeitpunkt sollte nun vor der ersten anwaltlichen Tätigkeit liegen, damit die Eindeutigkeit des "Sondermandats" gewährleistet ist) streiten kann, hinzu kommen dann noch Auseinandersetzungen über die nachträgliche Frist (rechtzeitiger Eingang? Was ist bei unvollständigem Eingang innerhalb der vier Wochen? etc.).
Ein höheres Maß an Sicherheit wird durch die Neuregelung schwerlich gewonnen. Entweder wird die Beratung binnen vier Wochen beendet sein und ein nachträglicher Antrag gestellt werden. Hier bleibt es bei der bisherigen Problematik. Wird allerdings eine Vertretung notwendig und muss der Rechtsanwalt – oder die Beratungsperson – hier "schnell" handeln, riskiert er ebenfalls weiterhin, "kein Honorar" zu erhalten, wenn das Gericht – binnen der Vier-Wochen-Frist – den nachträglichen Antrag dann nicht genehmigt. Abgemildert wird die Problematik zwar dadurch, dass das neue Recht nun die Option der Geltendmachung gegenüber der Partei vorsieht, wenn die Voraussetzungen vorliegen. Ein Restrisiko verbleibt dem Anwalt hingegen (z.B. wenn die Voraussetzungen für die Geltendmachung der Wahlanwaltsvergütung nicht eingehalten wurden; aber auch deshalb, weil der Staat oft ein sichererer Kostenschuldner ist als der bedürftige Mandant selbst). Während bislang der nachträgliche Antrag erst am Ende, also nach Beendigung der Angelegenheit und Fälligkeit der Gebühren gestellt werden konnte, sieht die neue Rechtslage eine Frist von vier Wochen vor. Während bei bisheriger Regelung zumindest der Bürger auf der sicheren Seite war, dass sein Rechtsanliegen "beendigt" wird, wird dieser zukünftig das Problem haben, dass der Rechtsanwalt – oder die Beratungsperson – innerhalb der Vier-Wochen-Frist im Falle einer Ablehnung das Mandat sicher nicht oder nicht kostenlos beenden wird. Für den rechtsuchenden Bürger stellt daher die Neuregelung einen eklatanten Eingriff gegenüber der bisherigen Lage, zumindest eine vom Gesetzgeber im Übrigen beabsichtigte Risikoverlagerung dar.