ZPO §§ 114, 144 ff. FamGKG §§ 76, 77 RVG § 48 Abs. 3
Leitsatz
- Der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts richtet sich nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Dieser entfaltet für das Kostenfestsetzungsverfahren Bindungswirkung.
- Eine Bewilligung von Prozess-/Verfahrenskostenhilfe für die Differenzverfahrensgebühr und die Terminsgebühr aus dem nicht anhängigen Vergleichsgegenstand ist grundsätzlich nicht möglich, da mangels Anhängigkeit des vom Mehrvergleich betroffenen Regelungsgegenstandes eine Prüfung der Erfolgsaussichten der Rechtsverfolgung oder der Rechtsverteidigung nicht stattfinden kann.
- Die Bewilligung der Prozess-/Verfahrenskostenhilfe für den Abschluss eines Mehrvergleichs umfasst (von den Fällen des § 48 Abs. 3 RVG abgesehen) nicht die Differenzverfahrens- und Differenzterminsgebühr.
- Der Bewilligungsbeschluss ist dabei zum Zwecke der Ermittlung seiner Reichweite nach dem objektiven Empfängerhorizont auszulegen. Infolge der Anwaltsbeiordnung darf dabei die Rechtskundigkeit des beigeordneten Rechtsanwalts nicht unberücksichtigt bleiben. Danach liegt seit der Neufassung des § 48 Abs. 3 RVG außerhalb dessen Regelungsbereichs nicht mehr die Auslegung nahe, dass mit der Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe alle mit dem Mehrvergleichsabschluss im Zusammenhang stehenden Gebühren von dem Bewilligungsbeschluss umfasst seien.
- Eine Regelungslücke kann nach Änderung des § 48 Abs. 3 RVG durch das 2. KostRMoG nicht mehr angenommen werden; der Gesetzgeber hat in Kenntnis der streitigen Problematik von einer Regelung zugunsten der beigeordneten Rechtsanwälte abgesehen.
OLG Koblenz, Beschl. v. 19.5.2014 – 13 WF 369/14
1 Sachverhalt
Zwischen den beteiligten Eheleuten war vor dem FamG ein Gewaltschutzverfahren anhängig. Dieses wurde im Termin durch gerichtlichen Vergleich zum Abschluss gebracht. Zusätzlich beinhaltet der Vergleich diverse Regelungen zur Vermögensauseinandersetzung. Der Verfahrenswert wurde vom FamG mit 1.500,00 EUR für das Verfahren und 14.500,00 EUR für den Vergleich festgesetzt.
Gleichzeitig wurde der Antragstellerin "Verfahrenskostenhilfe ... für Verfahren und Vergleich bewilligt." Hierauf hat die der Antragstellerin beigeordnete Verfahrensbevollmächtigte beantragt, ihr aus der Staatskasse zu erstattende Kosten in Höhe von 1.583,66 EUR festzusetzen. Darin enthalten waren u.a. eine Differenzverfahrensgebühr und eine Terminsgebühr jeweils aus dem vollen Vergleichswert.
Die Rechtspflegerin hat die Festsetzung antragsgemäß vorgenommen. Die hiergegen erhobene Erinnerung des Bezirksrevisors bei dem LG hat das FamG zurückgewiesen und die gegen diesen Beschluss eingelegten Beschwerde nach Nichtabhilfe dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Das FamG hat seine Entscheidung damit begründet, dass der Antragstellerin auch für den über den Verfahrensantrag hinausgehenden Regelungsgehalt uneingeschränkt Verfahrenskostenhilfe bewilligt worden sei. Der Beschwerdeführer ist demgegenüber der Ansicht, dass die Beiordnung für den Vergleich außerhalb des Sonderfalls des § 48 Abs. 3 RVG lediglich zur Folge habe, dass dem beigeordneten Rechtsanwalt aus dem Vergleichsmehrwert die Einigungsgebühr zu erstatten sei, nicht aber eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr. Die Verfahrensbevollmächtigte der Antragstellerin verteidigt die angefochtene Entscheidung.
Die Beschwerde hatte Erfolg.
2 Aus den Gründen
Gem. §§ 45 ff. RVG waren die aus der Staatskasse zu erstattenden Kosten nur auf 963,90 EUR festzusetzen. Denn die vorliegende Verfahrenskostenhilfebewilligung hat nicht zur Folge, dass der der Antragstellerin beigeordneten Verfahrensbevollmächtigten aus der Staatskasse in Bezug auf den Mehrvergleich auch eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr zu erstatten ist.
1. In welchem Umfang einem beigeordneten Rechtsanwalt bei Abschluss eines Mehrvergleichs eine Vergütung gegen die Staatskasse zusteht, ist umstritten (vgl. den Meinungsstand zusammenfassend OLG Bamberg FamRZ 2011, 1605 und OLG Köln AGS 2013, 350).
a) Ausgangspunkt für die Frage des Umfangs der Kostenerstattung aus der Staatskasse ist die Vorschrift des § 48 Abs. 1 RVG.
Danach richtet sich der Vergütungsanspruch des im Wege der Verfahrenskostenhilfe beigeordneten Rechtsanwalts nach dem Beschluss, durch den Verfahrenskostenhilfe bewilligt und der Rechtsanwalt beigeordnet worden ist. Die Mitwirkung eines Rechtsanwalts an einem Vergleichsabschluss in einem Gerichtstermin löst hinsichtlich des Mehrvergleichs neben der Einigungsgebühr gem. Nr. 3101 und 3104 VV auch eine Verfahrens- und eine Terminsgebühr aus. Die Frage nach der Erstattungsfähigkeit – zweifelsfrei angefallener – Gebühren aus der Staatskasse ist daher in erster Linie eine solche nach der Auslegung des Bewilligungsbeschlusses.
Hiernach unterliegt es zunächst keinem Zweifel, dass das Gericht berechtigt ist, die Bewilligung von Verfahrenskostenhilfe auf alle mit dem Vergleichsschluss zusammenhängende Gebühren (also auch die Verfahrens- und die Einigun...