1. Überblick
Aufgrund der Änderung der Bußgeldrahmen wird es in nächster Zeit zu zahlreichen Übergangsfällen kommen, in denen sich die Frage stellt, ob noch nach altem Recht die höheren Gebührentatbestände anzuwenden sind oder bereits die geringeren Gebührenbeträge nach neuem Recht.
Mangels besonderer Regelung gilt § 60 Abs. 1 RVG. Entscheidend ist der unbedingte Auftrag oder die gerichtliche Bestellung oder Beiordnung.
Da das Gesetz am 25.7.2015 in Kraft getreten ist, ist dies also der maßgebende Stichtag.
2. Normalfall
Entscheidend ist das Datum der Auftragserteilung (bzw. Bestellung oder Beiordnung). Bei Aufträgen bis einschließlich zum 24.7.2015 ist noch nach altem Recht abzurechnen. Für spätere Aufträge gilt dagegen bereits neues Recht.
Beispiel 1
Der Anwalt war im Juni 2015 mit der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt worden. Am 31.7.2015 ist ein Bußgeldbescheid über 40,00 EUR ergangen.
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG gilt noch die alte Gesetzesfassung und damit die alte Staffelung. Der Anwalt erhält eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 VV.
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
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100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
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160,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
280,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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53,20 EUR |
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Gesamt |
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333,20 EUR |
Beispiel 2
Der Anwalt war am 31.7.2015 mit der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt worden. Die Höhe des drohenden Bußgelds beträgt 40,00 EUR.
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG gilt jetzt die neue Gesetzesfassung und damit die neue Staffelung. Der Anwalt erhält lediglich eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5101 VV.
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV |
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65,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
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Zwischensumme |
185,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
35,15 EUR |
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Gesamt |
|
220,15 EUR |
Soweit der Anwalt eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV verdient, gilt die gleiche Abgrenzung. Es kommt nicht auf den Tag der Einstellung oder anderweitigen Erledigung des Verfahrens an, sondern auch hier auf den Tag der Auftragserteilung.
Beispiel 3
Wie Beispiele 1 und 2; das Verfahren wird im September 2015 eingestellt.
In beiden Fällen entsteht eine Zusätzliche Gebühr nach Nr. 5115 VV i.V.m. der jeweiligen Verfahrensgebühr. Dass die Einstellung erst nach der Gesetzesänderung erfolgt, ist unerheblich.
I. Abrechnung Beispiel 1
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
|
160,00 EUR |
3. |
Verfahrensgebühr, Nrn. 5115, 5103 VV |
|
160,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
440,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
83,60 EUR |
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Gesamt |
|
523,60 EUR |
II. Abrechnung Beispiel 2
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV |
|
65,00 EUR |
3. |
Verfahrensgebühr, Nrn. 5115, 5101 VV |
|
65,00 EUR |
4. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
250,00 EUR |
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5. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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47,50 EUR |
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Gesamt |
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297,50 EUR |
3. Bedingter Auftrag
Ist der Auftrag zur Verteidigung in einer Bußgeldsache unter einer Bedingung erteilt worden, so ist nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG der Zeitpunkt des Bedingungseintritts (§ 158 BGB) maßgebend. Ein solcher Fall kann insbesondere dann auftreten, wenn das Mandat unter der Bedingung erteilt worden ist, dass der Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz erteile.
Beispiel 4
Der Mandant hatte den Anwalt am 21.7.2015 aufgesucht und ihn unter der Bedingung, dass sein Rechtsschutzversicherer Deckungsschutz erteile, mit der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt. Die Deckungsschutzzusage ist am 31.7.2015 erteilt worden. Die Höhe des drohenden Bußgelds beträgt 40,00 EUR.
Hier liegt ein bedingter Auftrag vor. Maßgebend ist daher nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG der Bedingungseintritt (§ 158 BGB). Bedingung für den Verteidigungsauftrag war die Zusage des Rechtsschutzversicherers. Diese ist erst am 31.7.2015 ereilt worden, also zu einem Zeitpunkt, zu dem schon die Neufassung galt. Abzurechnen ist lediglich die Verfahrensgebühr der Nr. 5101 VV.
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
|
100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5101 VV |
|
65,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
|
20,00 EUR |
|
Zwischensumme |
185,00 EUR |
|
4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
|
35,15 EUR |
|
Gesamt |
|
220,15 EUR |
4. Einstellung und Fortsetzung des Verfahrens
Wird ein Verfahren zunächst nicht nur vorläufig eingestellt und später nach der Gesetzesänderung fortgeführt, bleibt es beim alten Recht, da es sich nach wie vor um dieselbe Angelegenheit handelt. Das gilt selbst dann, wenn zwischenzeitlich mehr als zwei Kalenderjahre vergangen sein sollten. Die Vorschrift des § 15 Abs. 5 S. 2 RVG ist nicht anwendbar, da das Verfahren mit einer vorläufigen Einstellung nicht erledigt ist.
Beispiel 5
Der Anwalt war im Januar 2015 mit der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren (Höhe des Bußgelds: 40,00 EUR) vor dem Amtsgericht beauftragt worden. Das Gericht hat das Verfahren im Februar 2015 nach § 46 Abs. 1 OWiG i.V.m. § 205 S. 1 StPO vorläufig eingestellt, da ...