I. Die gesetzliche Neuregelung
In Bußgeldsachen sieht das Gesetz für die Tätigkeit vor der Verwaltungsbehörde und für die Tätigkeit im erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahren drei verschiedene Gebührenrahmen vor. Je nach Höhe des Bußgelds, hinsichtlich dessen der Anwalt verteidigt, entstehen unterschiedlich hohe Gebühren.
Nach der bisherigen Fassung des Gesetzes wurde gestaffelt nach
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Bußgeldern unter 40,00 EUR (Nrn. 5101, 5102, 5107, 5108 VV) |
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Bußgeldern von 40,00 EUR bis 5.000,00 EUR (Nrn. 5103, 5104, 5109, 5110 VV) |
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Bußgeldern über 5.000,00 EUR (Nrn. 5105, 5106, 5111, 5112 VV). |
Obwohl die "Punktegrenze" bereits zum 1.5.2014 von 40,00 EUR auf 60,00 EUR angehoben worden ist (§ 28 Abs. 3 Nr. 3a) bb) StVG), hat der Gesetzgeber aus unverständlichen Gründen über ein Jahr benötigt, das RVG entsprechend anzupassen. Am Samstag, den 25.7.2015, ist das Gesetz zur Stärkung des Rechts des Angeklagten auf Vertretung in der Berufungsverhandlung und über die Anerkennung von Abwesenheitsentscheidungen in der Rechtshilfe in Kraft getreten, nachdem es am Freitag, den 24.7.2015, im Bundesgesetzblatt verkündet wurde. Mit Art. 5 dieses Gesetzes ist in den Nrn. 5101, 5103, 5107 und 5109 VV der "Grenz"-Betrag von 40,00 EUR auf 60,00 EUR angehoben worden. Damit gilt nunmehr folgende Staffelung:
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Bußgelder unter 60,00 EUR (Nrn. 5101, 5102, 5107, 5108 VV) |
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Bußgelder von 60,00 bis 5.000,00 EUR (Nrn. 5103, 5104, 5109, 5110 VV) |
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Bußgelder über 5.000,00 EUR (Nrn. 5105, 5106, 5111, 5112 VV). |
II. Auswirkungen
1. Betroffene Verfahren
Betroffen von der Änderung sind nur das Verfahren vor der Verwaltungsbehörde (Teil 5 Abschnitt 1, Unterabschnitt 1 VV; Vorbem. 5.1.2 Abs. 1 VV) und das erstinstanzliche gerichtliche Verfahren (Teil 5 Abschnitt 1, Unterabschnitt 2 VV).
Keine Auswirkungen hat die Änderung auf das Rechtsbeschwerdeverfahren und das Verfahren auf Zulassung der Rechtsbeschwerde (Teil 5 Abschnitt 1, Unterabschnitt 3 VV; § 16 Nr. 11 RVG). Die Gebühren in diesen Verfahren waren schon immer unabhängig von der Höhe des verhängten Bußgelds.
Betroffen sind dagegen die Wiederaufnahmeverfahren, da für diese Verfahren nach Vorbem. 5.1.3 Abs. 2 VV die Gebühren des erstinstanzlichen gerichtlichen Verfahrens gelten.
2. Betroffene Bußgeldrahmen
Von den vorgenannten Verfahren wiederum sind nur die Verfahren mit den beiden unteren Bußgeldrahmen betroffen, also die bisherigen Verfahren von unter 40,00 EUR und von 40,00 bis 5.000,00 EUR. An dem Bußgeldrahmen von über 5.000,00 EUR hat sich nichts geändert.
Auch in den beiden unteren Gebührenrahmen wirkt sich die Änderung aber nur in Teilbereichen aus.
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Bei Bußgeldern unter 40,00 EUR ändert sich nicht. Es bleibt bei den untersten Gebührenrahmen. |
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Bei Bußgeldern von 60,00 EUR und mehr ändert sich ebenfalls nichts. Es bleibt bei den mittleren Gebührenrahmen. |
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Lediglich bei den Bußgeldern von 40,00 EUR bis unter 60,00 EUR ändert sich der Gebührenrahmen. Hier sind jetzt nicht mehr die mittleren Gebührenrahmen maßgebend, sondern die unteren Gebührenrahmen. |
3. Betroffene Gebühren
Betroffen von der Änderung sind zum einen die Verfahrensgebühren der Nrn. 5101, 5103, 5107 und 5109 VV.
Des Weiteren sind die Terminsgebühren der Nrn. 5102, 5104, 5108, 5110 VV betroffen.
Ebenso wirkt sich die Änderung auf die Zusätzliche Gebühr der Nr. 5115 VV aus, da diese sich von der jeweiligen Verfahrensmittelgebühr ableitet.
Dagegen hat die Änderung keinen Einfluss auf die Grundgebühr (Nr. 5100 VV), da diese unabhängig von der Höhe des drohenden oder verhängten Bußgelds ist.
Ebenfalls keine Auswirkungen hat die Gesetzesänderung auf die zusätzliche Verfahrensgebühr der Nr. 5116 VV bei Einziehung und verwandten Maßnahmen.
III. Übergangsfälle
1. Überblick
Aufgrund der Änderung der Bußgeldrahmen wird es in nächster Zeit zu zahlreichen Übergangsfällen kommen, in denen sich die Frage stellt, ob noch nach altem Recht die höheren Gebührentatbestände anzuwenden sind oder bereits die geringeren Gebührenbeträge nach neuem Recht.
Mangels besonderer Regelung gilt § 60 Abs. 1 RVG. Entscheidend ist der unbedingte Auftrag oder die gerichtliche Bestellung oder Beiordnung.
Da das Gesetz am 25.7.2015 in Kraft getreten ist, ist dies also der maßgebende Stichtag.
2. Normalfall
Entscheidend ist das Datum der Auftragserteilung (bzw. Bestellung oder Beiordnung). Bei Aufträgen bis einschließlich zum 24.7.2015 ist noch nach altem Recht abzurechnen. Für spätere Aufträge gilt dagegen bereits neues Recht.
Beispiel 1
Der Anwalt war im Juni 2015 mit der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren vor der Verwaltungsbehörde beauftragt worden. Am 31.7.2015 ist ein Bußgeldbescheid über 40,00 EUR ergangen.
Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG gilt noch die alte Gesetzesfassung und damit die alte Staffelung. Der Anwalt erhält eine Verfahrensgebühr nach Nr. 5103 VV.
1. |
Grundgebühr, Nr. 5100 VV |
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100,00 EUR |
2. |
Verfahrensgebühr, Nr. 5103 VV |
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160,00 EUR |
3. |
Postentgeltpauschale, Nr. 7002 VV |
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20,00 EUR |
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Zwischensumme |
280,00 EUR |
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4. |
19 % Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
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53,20 EUR |
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Gesamt |
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333,20 EUR |
Beispiel 2
Der Anwalt war am 31.7.2015 mit der Verteidigung in einem Bußgeldverfahren vor...