Leitsatz
- Eine PKH-Gewährung und Beiordnung ist für jedermann erkennbar grob gesetzeswidrig und damit nichtig, soweit sie sich zusätzlich zum Klageverfahren auch auf das vorgeschaltete Verwaltungsverfahren erstreckt.
- Die Auswertung von medizinischen Unterlagen und eines psychiatrischen Gutachtens stellen auch im Schwerbehindertenrecht an einen Anwalt erhebliche Anforderungen.
- Eine Erledigungsgebühr Nrn. 1006, 1005 VV fällt an, wenn der Rechtsanwalt ein Teilanerkenntnis annimmt und im Übrigen das Verfahren für erledigt erklärt (vgl. LSG Erfurt vom 24.11.2014 – L 6 SF 1078/14 B und vom 8.5.2012 – L 6 SF 466/12 B).
LSG Thüringen, Beschl. v. 27.1.2015 – S 6 SF 1533/14 B
1 Sachverhalt
Der 1970 geborene Kläger hatte bei der Beklagten die Feststellung seiner Schwerbehinderung beantragt. Gegen die ablehnenden Bescheide hatte der ihn auch im Widerspruchsverfahren vertretende Beschwerdeführer beim SG Klage erhoben und Prozesskostenhilfe unter seiner Beiordnung beantragt. Das SG zog diverse medizinische Unterlagen bei und holte ein psychiatrisches Gutachten des Sachverständigen ein, wonach ein Grad der Behinderung (GdB) von 30 vorliegt. Daraufhin erklärte sich die Beklagte bereit, dem Kläger einen GdB von 30 zuzuerkennen. Das SG bewilligte dem Kläger Prozesskostenhilfe "ab 27.5.2010" und ordnete den Beschwerdeführer bei. In der 10 Minuten dauernden mündlichen Verhandlung nahm dieser nach der Niederschrift für den Kläger "dieses Anerkenntnis der Beklagten" an und erklärte den Rechtsstreit für erledigt.
In seinem Antrag beantragte der Beschwerdeführer für das Verfahren die Festsetzung einer Vergütung von 1.040,66 EUR (erhaltene Beratungshilfe 99,96 EUR):
Geschäftsgebühr Nr. 2401, 2400 VV |
120,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 3102 VV |
250,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Einigungsgebühr Nrn. 1006, 1005 VV |
190,00 EUR |
Fahrtkosten Nr. 7003 VV 180 km x 0,30 EUR |
54,00 EUR |
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV |
20,00 EUR |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV |
40,00 EUR |
Zwischensumme |
874,00 EUR |
Umsatzsteuer |
166,06 EUR |
Gesamtbetrag |
1.040,06 EUR |
Die Urkundsbeamtin der Geschäftsstelle setzte die Vergütung auf 718,76 EUR fest:
Geschäftsgebühr Nrn. 2401, 2400 VV |
120,00 EUR |
Verfahrensgebühr Nr. 3103 VV |
170,00 EUR |
Terminsgebühr Nr. 3106 VV |
200,00 EUR |
Fahrtkosten Nr. 7003 VV 180 km x 0,30 EUR |
54,00 EUR |
Tage- und Abwesenheitsgeld Nr. 7005 VV |
20,00 EUR |
Post- und Telekommunikation Nr. 7002 VV |
40,00 EUR |
Umsatzsteuer |
114,76 EUR |
Gesamtbetrag |
718,76 EUR |
Sie führte u.a. aus, der Beschwerdeführer habe aufgrund der Tätigkeit im Verwaltungsverfahren einen geringeren Aufwand gehabt. Die Mittelgebühr der Nr. 3103 VV sei angemessen. Eine Erledigungsgebühr komme nicht in Betracht, weil keine über die Klageeinlegung hinausgehende Tätigkeit vorliege.
In seiner dagegen geführten Erinnerung hat der Beschwerdeführer vorgetragen, die Verfahrensdauer (ca. drei Jahre) hätte sogar eine weit höhere Verfahrensgebühr als 170,00 EUR gerechtfertigt. Er habe aufgrund seiner Annahme des Anerkenntnisses und der Erledigungserklärung auch Anspruch auf die Erledigungsgebühr.
Der Beschwerdegegner hat ebenfalls Erinnerung eingelegt und beantragt, die Vergütung auf 433,16 EUR festzusetzen. Eine Erstattung der Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV komme trotz der fehlerhaften Festsetzung nicht in Betracht. Die Terminsgebühr könne angesichts der Dauer der Verhandlung nur in Höhe der halben Mittelgebühr und die Pauschale Nr. 7002 VV in Höhe von 20,00 EUR festgesetzt werden. Eine Erledigungsgebühr scheide aus.
Das SG hat sodann die Vergütung des Beschwerdeführers auf 433,16 EUR festgesetzt. Eine Geschäftsgebühr Nr. 2400 VV sei trotz des offensichtlich unrichtigen Bewilligungsdatums im PKH-Beschluss nicht anzusetzen. Die offensichtlich falsche Datenbenennung würde gegen § 119 der ZPO verstoßen. Es sei nicht davon auszugehen, dass dies i.S.d. "Verbots einer reformatio in peius" nicht zulässig sei. Die Reduzierung der Verfahrensgebühr auf 170,00 EUR sei angesichts des unterdurchschnittlichen Umfangs und der unterdurchschnittlichen Schwierigkeit der anwaltlichen Tätigkeit zutreffend. Die Terminsgebühr sei angesichts der kurzen Dauer der mündlichen Verhandlung auf 100,00 EUR zu mindern. Eine Erledigungsgebühr komme mangels qualifizierter anwaltlicher Mitwirkung (Annahme eines Anerkenntnisses) nicht in Betracht. Die Pauschale Nr. 7002 VV komme nur einmal in Betracht.
Gegen diesen Beschluss hat der Beschwerdeführer beim SG Beschwerde eingelegt und sich zur Begründung auf die Ausführungen in seiner Erinnerung bezogen.
Das SG hat der Beschwerde nicht abgeholfen und sie dem LSG vorgelegt. Mit Beschl. v. 26.1.2015 hat der Senatsvorsitzende das Verfahren dem Senat übertragen.
2 Aus den Gründen
Anzuwenden ist das RVG i.d.F. bis zum 31.7.2013 (a.F.), denn der Kläger hatte seinen Auftrag zur Erledigung vor diesem Zeitpunkt erteilt. Nach § 60 Abs. 1 S. 1 RVG ist die Vergütung nach bisherigem Recht zu berechnen, wenn der unbedingte Auftrag zur Erledigung derselben Angelegenheit i.S.d. § 15 RVG vor dem Inkrafttreten ...