Leitsatz
Wird für die Zeit nach der Scheidung eine Nutzungsentschädigung geltend gemacht, handelt es sich um eine sonstige Familiensache gem. § 266 FamFG. Die Wertberechnung für diesen Anspruch richtet sich nach § 35 FamGKG (entgegen OLG Hamm v. 8.1.2013 – II-6 UF 96/12, AGS 2013, 183).
OLG Hamm, Beschl. v. 10.7.2014 – II-1 WF 104/14
1 Aus den Gründen
Die Beschwerde ist gem. den §§ 32 RVG, 59 FamFG zulässig, und hat Erfolg.
1. Das AG hat unter Berufung auf eine Entscheidung des 6. Familiensenats v. 8.1.2013 (II-6 UF 96/12 OLG Hamm) gemeint, die Wertberechnung für den Anspruch auf Nutzungsentschädigung richte sich nach § 48 FamGKG, weil kraft Sachzusammenhangs auch bei Geltendmachung von auf § 745 Abs. 2 BGB gestützten Ansprüchen eine Ehewohnungssache anzunehmen sei.
2. Die Frage der Wertbemessung in diesen Fällen ist kontrovers. Während Giers (in: Keidel, FamFG, 18. Aufl., § 200 FamFG Rn 10), auf den sich der 6. Senat des OLG Hamm in der oben zitierten Entscheidung bezieht, darauf abstellt, dass die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB nicht anders behandelt werden dürfe als ein auf § 1361a Abs. 3 S. 2 BGB gestützter Anspruch, verweist Brudermüller (in: Palandt, BGB, 73. Aufl., § 1568a BGB Rn 9) darauf, dass die Geltendmachung einer Nutzungsentschädigung gem. § 745 Abs. 2 BGB schon deshalb nicht als Ehewohnungssache eingeordnet werden dürfe, weil der Gesetzgeber eine dem § 1361a Abs. 3 entsprechende Regelung der Nutzungsentschädigung im Rahmen des § 1568a BGB ausdrücklich abgelehnt habe. Werde eine Nutzungsentschädigung für die Zeit nach der Scheidung verlangt, handele es sich daher immer um eine sonstige Familiensache gem. § 266 FamFG, die anderen Verfahrensregeln als ein Ehewohnungsverfahren folge und daher mit einem Anspruch auf Wohnungszuweisung gem. § 1568a BGB nicht einmal verbunden werden könne.
Das Argument, dass ein Anspruch, der im Ehewohnungsverfahren nicht geltend gemacht werden kann, nicht den Bewertungsregeln des Ehewohnungsverfahrens folgen kann, überzeugt. Der Senat schließt sich der letztgenannten Auffassung an (so auch Johannsen-Henrich, Familienrecht, 5. Aufl., § 200 FamFG Rn 11; vergleichbar zur Rechtslage vor Einführung des FamFG: OLG Hamm FamRZ 2008, 1208).
2 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend. Wird Nutzungsentschädigung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung verlangt, ist Anspruchsgrundlage § 745 Abs. 2 BGB, nicht mehr § 1361b BGB. Deshalb liegt in diesem Fall auch keine Familiensache der freiwilligen Gerichtsbarkeit vor, sondern eine Familienstreitsache (sonstige Familiensache) nach § 112 Nr. 3 FamFG i.V.m. § 266 Abs. 1 FamFG. Das Verfahren folgt nicht den Regeln des FamFG, sondern denjenigen der ZPO (§ 113 Abs. 1 S. 2 FamFG).
Für diese Verfahren gilt § 48 Abs. 1 FamGKG nicht, sondern § 35 FamGKG, da es sich um eine bezifferte Geldforderung handelt.
Soweit der 6. Familiensenat des OLG Hamm auch Verfahren auf Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft der Scheidung gem. § 48 Abs. 1 FamGKG bewerten will, ist dies unzutreffend. Es liegt bei einem Verfahren auf Nutzungsentschädigung nach Rechtskraft der Scheidung gerade keine Ehewohnungssache i.S.d. § 200 FamFG vor. Daher gilt auch nicht der Grundsatz, dass die Kosten gegeneinander aufzuheben und nur in Ausnahmefällen einem Beteiligten ganz oder zum Teil aufzuerlegen sind (§ 81 FamFG), sondern über § 113 Abs. 1 S. 2 FamFG die §§ 91 ff. ZPO, wonach der unterlegene Teil die Kosten des Verfahrens zu tragen hat.
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Ansprüche auf Nutzungsentschädigung für die Zeit der Trennung sind mit dem Regelwert des § 48 Abs. 1, 1. Alt. FamGKG zu bewerten. Unbilligkeiten können nach § 48 Abs. 3 FamGKG korrigiert werden. |
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Ansprüche auf Zahlung einer Nutzungsentschädigung für die Zeit nach Rechtskraft der Scheidung richten sich dagegen nach dem verlangten Betrag (§ 35 FamGKG). Werden auch zukünftige Zahlungen verlangt, ist gem. § 42 Abs. 1 FamGKG auf die voraussichtliche Dauer der Zahlungsverpflichtung abzustellen. |
Lotte Thiel
AGS 7/2016, S. 336 - 337