RVG VV Vorbem. 3 Abs. 3; RVG §§ 52, 49

Leitsatz

Die Geschäftsgebühr, die ein Rechtsanwalt für seine vorgerichtliche Tätigkeit im Wege der Beratungshilfe erhalten hat, ist zur Hälfte auf die Vergütung des Rechtsanwalts aus einem anschließenden gerichtlichen Verfahren nach § 49 RVG (und nicht zunächst auf die Differenz zwischen dieser Vergütung und der Wahlanwaltsgebühr) anzurechnen.

OLG Dresden, Beschl. v. 30.11.2016 – 20 WF 1122/16

1 Sachverhalt

Dem Antragsteller ist im vorliegenden Umgangs- und Sorgeverfahren ratenfreie Verfahrenskostenhilfe unter Beiordnung der nunmehr beschwerdeführenden Verfahrensbevollmächtigten bewilligt worden. Der Wert des Verfahrens ist vom FamG auf 6.000,00 EUR festgesetzt worden.

Die Verfahrensbevollmächtigte des Antragstellers hat für ihre vorgerichtliche Tätigkeit im Wege der Beratungshilfe eine Geschäftsgebühr gem. Nr. 2503 VV i.H.v. 85,00 EUR erhalten.

Die von der Verfahrensbevollmächtigten für ihre Tätigkeit als beigeordnete Rechtsanwältin beantragten Gebühren sind antragsgemäß festgesetzt worden, mit Ausnahme des Abzugs in Höhe einer halben Geschäftsgebühr aus der Beratungshilfevergütung gem. Nr. 2503 VV zuzüglich der gesetzlichen Umsatzsteuer. Insgesamt ist also ein Betrag von (42,50 EUR zuzüglich Umsatzsteuer 8,08 EUR =) 50,58 EUR nicht festgesetzt worden.

Die hiergegen gerichtete Erinnerung hat das FamG zurückgewiesen. Es hat die Beschwerde wegen grundsätzlicher Bedeutung zugelassen.

2 Aus den Gründen

Über die Beschwerde entscheidet nach der Übertragung durch den Einzelrichter der Senat in voller Besetzung.

Die zulässige Beschwerde ist nicht begründet. Zu Recht hat das FamG die Hälfte der im Rahmen der Beratungshilfe verdienten Geschäftsgebühr (Nr. 2503 VV) auf die verdienten Gebühren, die sich nach § 49 RVG berechnen, angerechnet.

Gem. Nr. 2503 Abs. 2 VV ist die Geschäftsgebühr auf Gebühren für ein anschließendes gerichtliches Verfahren zur Hälfte anzurechnen. Ob diese Gebühr zunächst auf die Differenz zwischen der Gebühr des beigeordneten Rechtsanwaltes gem. § 49 RVG und der Gebühr des Wahlanwaltes zu verrechnen ist, ist streitig. Ein Teil der Lit. spricht sich dafür aus, die hälftige Beratungshilfegebühr zunächst auf den Differenzbetrag zu verrechnen, so dass die Gebühr nach § 49 RVG voll festzusetzen und auszuzahlen ist (Fölsch, in: Schneider/Wolf, AnwKomm RVG, 7. Aufl., 2014, VV 2503 Rn 17 ff.; H. Schneider, in: Riedel/Sußbauer, RVG, 10. Aufl., 2015, VV 2503 Rn 12; Pukall, in: Mayer/Kroiß, RVG, 6. Aufl., 2013, Nr. 2503 VV Rn 8; Schons, in: Hartung/Schons/Enders, RVG, 2. Aufl., 2013, 2503 VV Rn 9). Nach a.A. ist die halbe Beratungshilfegebühr bereits auf die Vergütung nach § 49 RVG anzurechnen (Jungbauer, in: Bischof/Jungbauer/Bräuer u.a., RVG, 7. Aufl., 2016, Nr. 2503 VV Rn 13; Mayer, in: Gerold/Schmidt, RVG, 22. Aufl., 2015, VV 2500 –2508 Rn 41; Mümmler, Betrachtungen zum Beratungshilfegesetz, JurBüro 1984, 1125, 1138; LG Berlin, Beschl. v. 22.2.1983, JurBüro 1983, 1060, 1061).

Der Senat hält, wie das FamG, die zweite Auffassung für zutreffend.

Aus der gesetzlichen Verrechnungsanordnung in der zitierten Vorschrift ergibt sich eine Einschränkung dahingehend, dass die Anrechnung zunächst nur auf die Wahlanwaltsvergütung zu erfolgen hat, nicht. Vielmehr sieht sie eine Anrechnung auf "die Gebühren" des anschließenden gerichtlichen Verfahrens vor, also auf alle Gebühren. Das sind auch diejenigen, die sich nach § 49 RVG berechnen.

Auch aus anderen Vorschriften des RVG kann eine solche Einschränkung nicht hergeleitet werden. § 58 Abs. 2 RVG gilt für die Anrechnung von Gebühren nicht. Nach dieser Vorschrift sind Vorschüsse und Zahlungen in Angelegenheiten, in denen sich die Gebühren nach Teil 3 VV bestimmen, zunächst auf die Vergütungen anzurechnen, für die ein Anspruch gegen die Staatskasse nicht oder nur unter den Voraussetzungen des § 50 RVG besteht. Im vorliegenden Fall geht es allerdings nicht um die Anrechnung von Vorschüssen und Zahlungen auf Gebühren, sondern um die Frage, inwieweit eine Gebühr auf eine andere Gebühr anzurechnen ist. § 58 Abs. 2 RVG gibt also für die vorliegende Konstellation nichts her.

§ 15a RVG regelt die hier zu entscheidende Frage ebenfalls nicht. Nach dieser Vorschrift kann der Rechtsanwalt, wenn das RVG die Anrechnung einer Gebühr auf eine andere Gebühr vorsieht, beide Gebühren fordern, jedoch nicht mehr als den um den Anrechnungsbetrag verminderten Gesamtbetrag (Abs. 1). Darum geht es hier nicht. Die Frage ist nicht, welche der beiden Gebühren der Anwalt voll fordern kann, sondern ob die Gebühr überhaupt zu ermäßigen ist. Abs. 2 regelt die Frage, inwiefern sich ein Dritter auf die Anrechnung berufen kann. Die Staatskasse als Schuldner der Gebühren und nicht als Ersatzpflichtiger ist aber nicht Dritter i.S.d. Vorschrift (Fölsch, a.a.O. Rn 17).

Es bleibt daher bei der Anrechnung auf alle Gebühren und damit bereits auf die Gebühr des beigeordneten Anwalts nach § 49 RVG.

3 Anmerkung

Bei Anrechnung der Beratungshilfe-Geschäftsgebühr findet § 58 Abs. 2 RVG keine Anwendung. Die Beratungshilfe-Geschäftsgebühr ist vi...

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