ZPO § 103; StPO § 405 Abs. 1 S. 1; RVG VV Nrn. 1000 ff., 4143
Leitsatz
Für den ausschließlich als Adhäsionsklägervertreter tätigen Rechtsanwalt entsteht die Gebühr nach Nr. 4143 VV, die nach der Vorbem. 4.3 Abs. 2 VV für den Rechtsanwalt gilt, der in Einzeltätigkeit beauftragt ist. Daneben entsteht im Falle eines Vergleichs die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 ff. VV, die nach der Vorbem. 1 VV auch neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren gelten. Es entstehen jedoch keine Verteidigergebühren nach Teil 4 Abschn. 1 VV.
OLG Dresden, Beschl. v. 9.12.2015 – 2 Ws 547/15
1 Sachverhalt
In der Hauptverhandlung vor der Großen Strafkammer des LG schlossen der Adhäsionskläger und der Adhäsionsbeklagte/Angeklagte im Rahmen der Beweisaufnahme noch vor der Urteilsverkündung einen Vergleich, nach dem der Adhäsionsbeklagte an den Adhäsionskläger unter Nachlassung von Ratenzahlung einen Betrag i.H.v. 4.000,00 EUR zahlt sowie aus einem Streitwert von 4.000,00 EUR die außergerichtlichen Kosten des Adhäsionsklägers und die Kosten des Vergleichs trägt. Der Adhäsionsklägervertreter hatte insgesamt an sieben Verhandlungstagen teilgenommen, wobei an einem dieser Tage für ihn eine in derselben Kanzlei tätige Rechtsanwältin aufgetreten ist.
Der Adhäsionskläger beantragte daraufhin, Gebühren und Auslagen i.H.v. 4.120,42 EUR gegen den Adhäsionsbeklagten festzusetzen. Er machte dabei für die Tätigkeit seines Rechtsanwalts eine Grundgebühr für Verteidiger nach Nr. 4100 VV, die Verfahrensgebühr nach Nr. 4143 VV, Terminsgebühren für sieben Verhandlungstage nach Nr. 4114 VV, die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000–1003 VV, die Kosten für sieben Geschäftsreisen nach Nr. 7003 VV, Tage- und Abwesenheitsgeld nach Nr. 7005 VV für sieben Termine, Pauschalen für Dokumente, Post und Telekommunikation sowie eine Auslagenpauschale für eine Akteneinsicht geltend.
Der Kostenbeamte des LG hat die zu erstattenden Kosten antragsgemäß festgesetzt.
Gegen diesen Beschluss richtet sich der Adhäsionsbeklagte mit seiner sofortigen Beschwerde. Er meint, die Terminsgebühr für die Hauptverhandlung am 6.8.2013 könne nicht geltend gemacht werden, weil statt des Adhäsionsklägervertreters Frau Rechtsanwältin H. den Termin wahrgenommen habe. Die Inanspruchnahme des Adhäsionsbeklagten sei auch der Höhe nach nicht angemessen. Der Adhäsionsklägervertreter habe keine wesentlichen Beiträge geleistet, die auf das Verfahren inhaltlich Einfluss genommen hätten. Der Ansatz der Mittelgebühr sei nicht angemessen.
2 Aus den Gründen
I.
…
II.
1. Der Senat entscheidet durch eines seiner Mitglieder als Einzelrichter, weil die angefochtene Entscheidung von einem Rechtspfleger erlassen wurde (§ 568 Abs. 1 S. 1 ZPO).
2. Der Wert des Beschwerdegegenstands von 200,00 EUR wird überstiegen (§ 567 Abs. 2 ZPO).
3. Die gem. § 104 Abs. 3 S. 1 ZPO, § 11 Abs. 1 RPflG statthafte und auf die Geltendmachung der Verteidigergebühren beschränkte Beschwerde hat Erfolg und führt aus Gründen der Klarstellung zur Aufhebung und Neufestsetzung der von dem Adhäsionsbeklagten zu zahlenden Gebühren und Auslagen.
4. Die Kostenfestsetzung beruht entgegen der Ansicht des Kostenbeamten nicht auf einer mit dem Urt. v. 19.5.2014 ausgesprochenen Kostenentscheidung – das Urteil hat insoweit keine Kostenentscheidung getroffen –, sondern auf dem zwischen dem Adhäsionskläger und dem Adhäsionsbeklagten geschlossenen Vergleich, der eine Kostenvereinbarung enthält. Die Parteien haben damit unter Zugrundelegung des zivilprozessualen Kostenbegriffs eine Regelung über die notwendigen Auslagen des Adhäsionsklägers getroffen.
5. Vor diesem Hintergrund richtet sich das Kostenfestsetzungsverfahren nach §§ 103 f. ZPO. Grundlage für die Festsetzung nach §§ 103 f. ZPO ist der nach § 405 Abs. 1 S. 1 StPO geschlossene und protokollierte Prozessvergleich v. 19.5.2015 als Vollstreckungstitel (§ 794 Abs. 1 Nr. 1 ZPO). Dieser ist nach den kostenrechtlichen Grundsätzen und Regelungen der ZPO auszulegen. Der einheitliche Kostenbegriff in §§ 91 ff. ZPO umfasst Gerichtsgebühren, gerichtliche Auslagen und außergerichtliche Kosten. Zu diesen Kosten zählen die zur Rechtsverfolgung oder Rechtsverteidigung notwendigen Kosten, insbesondere die gesetzlichen Gebühren und Auslagen der Rechtsanwälte, die sich nach dem RVG berechnen (vgl. mit eingehender Begründung KG, Beschl. v. 29.5.2015 – 1 Ws 4/15, juris [= AGS 2016, 6]).
6. Hinsichtlich der gesetzlichen Gebühren entsteht in diesem Fall die Gebühr nach Nr. 4143 VV, die nach der Vorbem. 4.3 Abs. 2 VV für den Rechtsanwalt gilt, der in Einzeltätigkeit beauftragt ist. Daneben entsteht im Falle eines Vergleichs die Einigungsgebühr nach Nrn. 1000 ff. VV, die nach der Vorbem. 1 auch neben den in anderen Teilen bestimmten Gebühren gelten.
Die Verteidigergebühren nach Teil 4 Abschnitt 1 VV entstehen für den ausschließlich als Adhäsionsklägervertreter tätigen Rechtsanwalt hingegen nicht (vgl. LG Meiningen, Beschl. v. 3.2.2009 – 2 Qs 214/08, juris; Uher, in: Bischof/Jungbauer, RVG, 6. Aufl., 2014, Nrn. 4100–4303 VV Rn 126).
Soweit in dem Termin am 6.8.2013 eine in ders...