ZPO § 121
Leitsatz
Wird einer Partei im Laufe des Verfahrens Prozesskostenhilfe bewilligt, darf die Landeskasse auch solche Gerichtskosten nicht mehr einziehen, die schon vor Antragstellung entstanden und fällig geworden sind.
FG Düsseldorf, Beschl. v. 29.5.2017 – 4 Ko 437/17 GK
1 Sachverhalt
Der Erinnerungsführer hatte am 8.12.2014 Klage erhoben. Mit Gerichtskostenrechnung vom 18.12.2014 setzte das FG dem Erinnerungsführer gegenüber Gerichtskosten von 284,00 EUR fest. Am 6.1.2015 beantragte der Erinnerungsführer unter Vorlage einer Erklärung zu seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen und unter Beifügung weiterer Unterlagen Prozesskostenhilfe, die ihm mit Beschl. v. 17.6.2015 ohne Ratenzahlung gewährt wurde. In der mündlichen Verhandlung v. 29.6.2015 erklärten die Beteiligten des Klageverfahrens den Rechtsstreit in der Hauptsache für erledigt. Zugleich wurden in diesem Termin die Kosten des Verfahrens gegeneinander aufgehoben.
Mit Gerichtskostenrechnung v. 20.7.2015 setzte das FG die Gerichtskosten auf 127,00 EUR herab. Vom 4.8.2015 bis zum 9.2.2016 tilgte der Erinnerungsführer diese Kosten ratenweise.
Gegen die Gerichtskostenrechnung vom 20.7.2015 legte der Erinnerungsführer Erinnerung ein, da nach der Gewährung der Prozesskostenhilfe die verbleibende Gebühr nicht mehr habe eingezogen werden dürfen.
Die Bezirksrevisorin als Vertreterin der Staatskasse lehnte eine Abhilfe ab, da die Gewährung der Prozesskostenhilfe nur auf den Zeitpunkt des Antrags auf Prozesskostenhilfe zurückwirke, damit aber nicht die vorher schon mit Klagerhebung entstandene Verfahrensgebühr erfasse. Auf Grund der Kostenentscheidung habe sich die entstandene Verfahrensgebühr ermäßigt. Insoweit werde auf folgende Beschlüsse hingewiesen: FG Köln v. 7.7.2010 – 10 Ko 1033/09, EFG 2010, 1642; Hessisches FG v. 14.6.2012 – 3 Ko 174-175/10, FG Düsseldorf v. 3.7.2015 – 15 Ko 1087/14. Den Beschlüssen des FG Düsseldorf v. 22.10.2013 – 1 Ko 3840/13 GK und v. 4.10.2012, 16 Ko 3213/12 GK sei nicht zu folgen.
Das FG hat der Erinnerung abgeholfen.
2 Aus den Gründen
Die Gerichtskostenrechnung vom 20.7.2015 ist aufzuheben, da sie rechtswidrig ist und den Erinnerungsführer in seinen Rechten verletzt. Soweit und solange dem Erinnerungsführer Prozesskostenhilfe ohne Zahlungsbestimmung bewilligt ist, ist keine Kostenrechnung auf ihn auszustellen (s. auch Tz. 3.1 der Durchführungsbestimmungen zur Prozess- und Verfahrenskostenhilfe sowie zur Stundung der Kosten des Insolvenzverfahrens-DB-PKH).
Gegen den Erinnerungsführer, dem Prozesskostenhilfe ohne Verpflichtung zur Zahlung von Raten bewilligt war, durfte eine Gerichtskostenrechnung nur in den Grenzen des § 142 FGO i.V.m. § 122 Abs. 1 Nr. 1 Buchstabe a) ZPO ergehen. Danach bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass die Landeskasse die rückständigen Gerichtskosten nur nach den Bestimmungen, die das Gericht trifft, gegen die Partei geltend machen kann. Rückständig sind Gerichtskosten, die zu der Zeit, als die Prozesskostenhilfe wirksam wurde, fällig, aber noch nicht bezahlt waren (FG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2013 – 1 Ko 3840/13 GK; OLG Düsseldorf, Beschl. v. 4.10.2001 – 10 W 105/01, JMBI. NW 2002, 115). Das trifft auf die Gerichtskosten zu, die mit Rechnung vom 20.7.2015 festgesetzt, aber schon mit Klageerhebung entstanden waren.
Da die Bewilligung der Prozesskostenhilfe vom Erinnerungsführer eine Ratenzahlung nicht verlangte, fehlte es an einer Bestimmung des Gerichts, gegen den Erinnerungsführer Kosten geltend zu machen.
Soweit vertreten wird, hinsichtlich der rückständigen Gerichtskosten seien nur die Kosten gemeint, die seit Wirksamwerden der Bewilligung der Prozesskostenhilfe entstanden seien (so FG Köln v. 7.7.2010 – 10 Ko 1033/09, EFG 2010, 1642; Hessisches FG v. 14.6.2012 – 3 Ko 174-175/10, FG Düsseldorf v. 3.7.2015 – 15 Ko 1087/14), fehlt dazu eine gesetzliche Grundlage, die es angesichts des gesetzlichen Wortlauts und des Zwecks der Vorschrift, auch einer unvermögenden Partei die Prozessführung zu ermöglichen, erlaube, zwischen Gerichtskosten zu unterscheiden, die vor oder die nach Wirksamwerden der Bewilligung der Prozesskostenhilfe entstanden sind.
Auch aus der Bestimmung des Gerichts in der Form der Prozesskostenhilfebewilligung ergibt sich nichts anderes, denn diese sieht ja gerade keine Zahlungsverpflichtungen des Erinnerungsführers mehr vor.
I.Ü. wird auf die zutreffenden Ausführungen im Beschl. des FG Düsseldorf, Beschl. v. 27.12.2013 – 1 Ko 3840/13 GK, verwiesen.
3 Anmerkung
Die Entscheidung ist zutreffend.
Gem. § 122 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO bewirkt die Bewilligung der Prozesskostenhilfe, dass die Staatskasse die rückständigen und die entstehenden Gerichtskosten nur nach den (Zahlungs-)Bestimmungen, die das Gericht trifft (vgl. § 120 ZPO), gegen die Partei geltend machen kann. Die Regelung ist grundsätzlich in allen Gerichtsbarkeiten anwendbar, in der FGO über § 142 FGO.
Es kommt darauf an, was der Gesetzgeber mit rückständigen und mit entstehenden Gerichtskosten meint.
Rückständige Gerichtskosten i.S.v. § 122 Abs. 1 Nr. 1a) ZPO sind Kost...