In jüngster Zeit mehren sich die Berichte der Kollegen, wonach allem Anschein nach gezielt und massenhaft um Beratungshilfe nachgesucht werde. Dabei handele es sich um originäre Antragstellungen – also solche ohne eine vorherige Beratungsleistung –, aber vordringlich auch um nachträgliche Antragstellungen binnen der 4-Wochen-Frist, also um solche Sachverhalte, denen ein unmittelbares Aufsuchen einer Beratungsperson vorausgegangen ist. Dabei – so die Praxis – würden häufig ähnliche Sachverhalte und gleichlautende (Auto?-)Texte bei der Antragstellung verwendet. Doch lässt sich eine Sachbearbeitung in der Beratungshilfe standardisieren? Oder liegt hier (auch) eine Grauzone in der Beratungshilfepraxis vor? Diese Fragen muss man sich jedenfalls angesichts solcher Berichte stellen.
Voraussetzung der Beratungshilfe ist, dass ein tatsächliches Rechtsproblem vorliegt. Rechtswahrnehmung bedeutet, dass nicht jeder allgemeine Rat von der Beratungshilfe abgedeckt sein soll, auch wenn das Rechtsgebiet grds. in den Bereich des Beratungshilfegesetzes fällt, sondern nur wenn es notwendig ist und es sich um hierbei um Probleme handelt, bei denen juristischer Rat unumgänglich ist. Dies ergibt sich eindeutig auch aus der Begründung der Beratungshilfereform. Reine Schreibhilfen, Lesehilfen, Verständigungshilfen, Verständnishilfen etc., also allgemeine Lebenshilfe, sollen vom Beratungshilfegesetz nicht erfasst sein. Beratungshilfe dient auch nicht zur Klärung allgemeiner Rechtsfragen. Die Beratungshilfe ist auch nicht zur Erledigung von Privatkorrespondenz da, auch nicht für sprachliche Übersetzungen oder geistige Verständnisvermittlung. Beratung in wirtschaftlichen Fragen und solchen der privaten Lebensführung, der Technik oder der Gesundheit zählen nicht zur Beratungshilfe, wenn nicht Rechtsfragen im Vordergrund stehen. Wirtschafts- oder Lebensberatung, Hilfe im Leben, psychologische Ratschläge, insbesondere aber alle sozialen Dienste, bei denen nicht Rechte im Vordergrund stehen, sind ebenfalls nicht Gegenstand der Beratungshilfe. Angesichts solcher "engen" Voraussetzungen, die das Gesetz bzw. die Rspr. und Lit. vorgeben, erscheint es schwer vorstellbar, dass "massenhaft" um Beratungshilfe mittels gleichlautender Texte nachgesucht wird. In einem solchen Fall liegt – zumindest für den Autor – eher der Verdacht nahe, dass hier eine rechtliche Grauzone ausgenutzt werden soll. Voraussetzung für die Beratungshilfe (s.o.) ist ein echtes, vordringliches und akutes (eigenes) Rechtsproblem. Ein Rechtsproblem ist dabei für jeden Antragsteller individuell und lässt sich nicht "nach Schema F" abwickeln. Es mag angesichts der wirklich geringen Beratungshilfegebühren zwar sympathisch (und vielleicht auch verständlich) anmuten, solche Fälle effizient und optimiert zu bearbeiten, die Behandlung nach gleichen Mustern sollte für den Mandanten aber eher Anlass zur Sorge sein, dass gerade "seinem" Sachverhalt nicht die notwendige Aufmerksamkeit entgegengebracht wird.
An ähnliche Konstellationen erinnert sich der Autor noch aus seiner praktischen Sachbearbeitungsphase. Es gab immer wieder "Tsunamiwellen" von Beratungshilfeanträgen. Teilweise wurde auf entsprechenden Internetseiten für eine "kostenfreie" Überprüfung von Bescheiden geworben oder gar ein "gesetzlicher Anspruch auf Beratungshilfe" für "Hartz-IV"-Bezieher gesehen. Teilweise wurden "Warnmeldungen" sogar von einer Rechtsanwaltskammer herausgegeben, nachdem eine nahezu "bundesweite" (nach eigenen Angaben versehentliche) Antragstellung ein und desselben Bürgers (über seinen Rechtsanwalt) erfolgte. Aber jede dieser Wellen ebbte schlussendlich ab – insbesondere nachdem man diesen mehr Aufmerksamkeit schenkte.
Letztlich bleibt eines festzustellen: Die automatisierte Antragstellung nach Schema "F" war selten von Erfolg gekrönt. Sofern solchen Antragstellungen – tendenziell – angebliche Kostenfreiheit zugrunde lag, wären sie sogar als mutwillig einzustufen.