Einführung
Haben wir nicht alle gelegentlich den Eindruck eines Déjà-vu? Genau ein solches durfte der Autor dieses Beitrages vermuten, nachdem ihn verschiedene Kollegen hinsichtlich aktueller Fallgestaltungen in der Praxis des Beratungshilferechts als Herausgeber und Autor eines Fachbuches zu diesem Thema um seine Einschätzung gebeten haben. Vielfachantragstellung um Beratungshilfe mittels standardisierter Autotexte – erinnern wir uns noch? Dieser Beitrag soll sich als praktische Einschätzung mit einer solchen Konstellation auseinandersetzen.
I. Allgemeines
Wie ein Priester immer wieder den Lobgesang anstimmt, muss sich auch im Beratungshilferecht immer wieder das "Credo" der gesetzlichen Konzeption vor Augen geführt werden. Die Beratungshilfe ist Ausfluss aus dem Prinzip des sozialen Rechtstaates und wurde eingeführt, um zu anderen Hilfsmöglichkeiten hinzuzutreten und vor allem dort wirksam zu werden, wo anderweitige Hilfe ganz fehlt. Es soll die Chancengleichheit bei der Rechtsdurchsetzung auch für finanziell Minderbemittelte und damit den Gleichheitsgrundsatz nach Art. 3 GG wahren. Durch staatliche Rechtsbetreuung soll jedem Bürger möglichst weitgehend Chancengleichheit bei der Wahrnehmung seiner Rechte unabhängig von seinen Einkommens- und Vermögensverhältnissen gewährleistet werden. Beratungshilfe dient aber nicht dazu, eine Eigenarbeit zu ersparen oder gar eine Besserstellung bedürftiger Parteien zu bewirken. Eine eigene "Rechtsabteilung" auf Staatskosten ist ebenso wenig geschuldet wie eine zugangslose Hilfestellung oder eine Lösung für jedes alltägliche Problem oder die Gewährung "tatsächlicher" Hilfestellungen. Das BVerfG hat mittlerweile mehrfach entschieden, dass es zulässig sei, die staatliche Wohltat der Beratungshilfe von Zugangsvoraussetzungen abhängig zu machen. Diese Zugangsvoraussetzungen sind unter anderem in § 1 BerHG normiert. Hilfe für die Wahrnehmung von Rechten außerhalb eines gerichtlichen Verfahrens und im obligatorischen Güteverfahren wird danach auf Antrag (nur!) gewährt, wenn
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der Rechtsuchende die erforderlichen Mittel nach seinen persönlichen und wirtschaftlichen Verhältnissen nicht aufbringen kann, |
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nicht andere Möglichkeiten für eine Hilfe zur Verfügung stehen, deren Inanspruchnahme dem Rechtsuchenden zuzumuten ist, |
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die Inanspruchnahme der Beratungshilfe nicht mutwillig erscheint. |
Sowohl Beratungsperson als auch Gerichte haben diese Zugangsvoraussetzungen zu prüfen. Dies gebietet bereits der sorgsame Umgang mit Staatsmitteln – letztlich also mit Steuermitteln.
II. Kann ein Rechtsproblem standardisiert werden?
In jüngster Zeit mehren sich die Berichte der Kollegen, wonach allem Anschein nach gezielt und massenhaft um Beratungshilfe nachgesucht werde. Dabei handele es sich um originäre Antragstellungen – also solche ohne eine vorherige Beratungsleistung –, aber vordringlich auch um nachträgliche Antragstellungen binnen der 4-Wochen-Frist, also um solche Sachverhalte, denen ein unmittelbares Aufsuchen einer Beratungsperson vorausgegangen ist. Dabei – so die Praxis – würden häufig ähnliche Sachverhalte und gleichlautende (Auto?-)Texte bei der Antragstellung verwendet. Doch lässt sich eine Sachbearbeitung in der Beratungshilfe standardisieren? Oder liegt hier (auch) eine Grauzone in der Beratungshilfepraxis vor? Diese Fragen muss man sich jedenfalls angesichts solcher Berichte stellen.
Voraussetzung der Beratungshilfe ist, dass ein tatsächliches Rechtsproblem vorliegt. Rechtswahrnehmung bedeutet, dass nicht jeder allgemeine Rat von der Beratungshilfe abgedeckt sein soll, auch wenn das Rechtsgebiet grds. in den Bereich des Beratungshilfegesetzes fällt, sondern nur wenn es notwendig ist und es sich um hierbei um Probleme handelt, bei denen juristischer Rat unumgänglich ist. Dies ergibt sich eindeutig auch aus der Begründung der Beratungshilfereform. Reine Schreibhilfen, Lesehilfen, Verständigungshilfen, Verständnishilfen etc., also allgemeine Lebenshilfe, sollen vom Beratungshilfegesetz nicht erfasst sein. Beratungshilfe dient auch nicht zur Klärung allgemeiner Rechtsfragen. Die Beratungshilfe ist auch nicht zur Erledigung von Privatkorrespondenz da, auch nicht für sprachliche Übersetzungen oder geistige Verständnisvermittlung. Beratung in wirtschaftlichen Fragen und solchen der privaten Lebensführung, der Technik oder der Gesundheit zählen nicht zur Beratungshilfe, wenn nicht Rechtsfragen im Vordergrund stehen. Wirtschafts- oder Lebensberatung, Hilfe im Leben, psychologische Ratschläge, insbesondere aber alle sozialen Dienste, bei denen nicht Rechte im Vordergrund stehen, sind ebenfalls nicht Gegenstand der Beratungshilfe. Angesichts solcher "engen" Voraussetzungen, die das Gesetz bzw. die Rspr. und Lit. vorgeben, erscheint es schwer vorstellbar, dass "massenhaft" um Beratungshilfe mittels gleichlautender Texte nachgesucht wird. In einem solche...