RVG § 4a; ZPO §§ 78, 122 Abs. 1 Nr. 3
Leitsatz
- Eine isolierte Aufhebung der Rechtsanwaltsbeiordnung im Wege bewilligter Prozesskostenhilfe ist möglich, wenn die bedürftige Partei eine Erfolgshonorarvereinbarung mit ihrem Prozessbevollmächtigten getroffen hat und gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Beiordnung der Geltendmachung der Vergütung entgegenstehen würde.
- In Höhe der Differenz zwischen den PKH-Gebühren und den Wahlanwaltsgebühren kann auch mit der bedürftigen Partei eine wirksame Vergütungsvereinbarung geschlossen werden.
OLG Hamm, Beschl. v. 12.1.2018 – I-7 W 21/17
1 Sachverhalt
Das LG hatte der Klägerin Prozesskostenhilfe unter Beiordnung von Rechtsanwalt H bewilligt. Zu diesem Zeitpunkt hatte die Klägerin mit ihrem Prozessbevollmächtigten bereits eine Erfolgshonorarvereinbarung abgeschlossen.
Der Prozessbevollmächtigte der Klägerin beantragte mit Blick auf die Erfolgshonorarvereinbarung, die Beiordnung der Kanzlei aufzuheben. Diesen Antrag wies das LG zurück und half der sofortigen Beschwerde nicht ab. Das OLG hat der Beschwerde stattgegeben.
2 Aus den Gründen
1. Die sofortige Beschwerde ist zulässig.
Vorliegend ist mit dem LG davon auszugehen, dass die sofortige Beschwerde im Namen des Prozessbevollmächtigten der Klägerin eingelegt worden ist. Die Statthaftigkeit einer solchen Beschwerde gegen die Ablehnung der Aufhebung der Beiordnung folgt aus §§ 78c Abs. 3 analog, 567 Abs. 1 Nr. 1 ZPO (OLG Koblenz, Beschl. v. 10.10.2016 – 13 WF 957/16; OLG Bamberg, Beschl. v. 10.4.2000 – 7 WF 23/00; BeckOK-ZPO/Reichling, 26. Ed., 15.9.2017, ZPO § 121 Rn 61 – für eine unmittelbare Herleitung aus § 127 Abs. 2 S. 2 ZPO: OLG Dresden, Beschl. v. 24.8.1998 – 7 W 1039/98, NJW-RR 1999, 643).
2. Darüber hinaus ist die sofortige Beschwerde begründet. Die Beiordnung des Antragstellers ist aufzuheben.
a) Zunächst bestehen entgegen der Auffassung des LG grds. keine Bedenken gegen die isolierte Aufhebung der Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten. Zwar ist gem. § 121 Abs. 1 ZPO einer Partei dann, wenn eine Vertretung durch Anwälte vorgeschrieben ist, ein zur Vertretung bereiter Rechtsanwalt ihrer Wahl von Amts wegen auch ohne Antrag beizuordnen. Die Regelung ist insoweit zwingend, als die bedürftige Partei auch dann einen Anspruch auf eine Beiordnung hat, wenn sie – wie im Falle eines Insolvenzverwalters – selber Rechtsanwalt ist (vgl. BGH, Beschl. v. 25.4.2002 – IX ZB 106/02; Beschl. v. 26.10.2006 – IX ZB 176/05; BeckOK-ZPO/Reichling, 26. Ed., 15.9.2017, ZPO § 121 Rn 10, 14). Bei verständiger Würdigung der Vorschrift kann, sofern die ordnungsgemäße Prozessführung anderweitig gesichert ist, damit allerdings nicht einhergehen, dass eine Beiordnung gegen den Willen der Partei erfolgt (vgl. dazu auch Thüringer OLG, Beschl. v. 9.10.2017 – 7 W 429/17).
Auch an anderer Stelle zeigt das Gesetz, dass die Bewilligung von Prozesskostenhilfe nicht nur einheitlich der Aufhebung unterliegt. So ist durch das Gesetz zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.8.2013 (BGBl 2013 Teil I Nr. 55) der § 124 Abs. 2 ZPO eingefügt worden und damit die Möglichkeit, die Prozesskostenhilfe für einzelne Beweiserhebungen teilweise aufzuheben, wenn die Beweiserhebung angesichts des bisherigen Prozessverlaufes keine Aussicht auf Erfolg bietet oder mutwillig erscheint.
Demzufolge haben andere Gerichte trotz Bewilligung von Prozesskostenhilfe von der Beiordnung eines Prozessbevollmächtigten abgesehen (so LG Berlin, Beschl. v. 8.3.2017 – 6 O 154/15; LG Regensburg, Beschl. v. 27.12.2016 – 4 O 1322/16) bzw. die Beiordnung nach § 48 Abs. 2 BRAO nachträglich aufgehoben, ohne dass damit zwingend die Beiordnung eines neuen Prozessbevollmächtigten verbunden gewesen wäre (u.a. OLG Celle, Beschl. v. 5.2.2007 – 6 W 2/07; vgl. auch OVG Lüneburg, Beschl. v. 17.8.2017 – 2 LA 484/17 [= AGS 2017, 581]; OLG Koblenz, Beschl. v. 10.10.2016 – 13 WF 957/16; OLG Nürnberg, Beschl. v. 13.1.2003 – 4 W 66/03; OLG Dresden, Beschl. v. 24.8.1998 – 7 W 1039/98, NJW-RR 1999, 643; auch LG Ulm, Beschl. v. 10.7.2017 – 6 O 198/14; OLG Dresden, Beschl. v. 29.8.2017 – 4 U 699/17; OLG Jena, Beschl. v. 9.10.2017 – 7 W 429/17).
b) Im Einzelfall muss eine isolierte Aufhebung zudem möglich sein, wenn – wie hier – die bedürftige Partei eine Erfolgshonorarvereinbarung mit ihrem Prozessbevollmächtigten getroffen hat und gem. § 122 Abs. 1 Nr. 3 ZPO die Beiordnung der Geltendmachung der Vergütung entgegenstehen würde.
Durch Art. 14 Nr. 3 des Gesetzes zur Änderung des Prozesskostenhilfe- und Beratungshilferechts vom 31.8.2013 (BGBl 2013 Teil I Nr. 55) ist § 4a Abs. 1 S. 3 RVG neu eingefügt worden.
Das Änderungsgesetz wurde maßgeblich von haushalterischen Beweggründen bestimmt. Die finanzielle Belastung der Länderhaushalte durch die Ausgaben für Prozesskosten- und Verfahrenskostenhilfe sollte reduziert werden. Es sollte aber gleichzeitig sichergestellt werden, dass der Zugang zum Recht gerichtlich wie außergerichtlich allen Bürgern unabhängig von Einkünften und Vermögen offensteht (Gesetzentwurf der Bundesregierung für ein Gesetz zur...