RVG § 33; RVG VV Nr. 4142
Leitsatz
Zum Gegenstandswert anwaltlicher Tätigkeit im Beschwerdeverfahren zur Abwendung/Aufhebung von Vermögensarrest, wenn der Wert der gepfändeten Gegenstände und Forderungen hinter dem Arresthöchstbetrag zurückbleibt und weitere Sicherungsmaßnahmen keine Aussicht auf Erfolg haben.
OLG Rostock, Beschl. v. 7.6.2018 – 20 Ws 42/18
1 Sachverhalt
Das AG hat auf Antrag der Staatsanwaltschaft "zur Sicherung der dem Verletzten aus den Straftaten erwachsenen steuerrechtlichen Ansprüche oder des staatlichen Anspruchs auf Verfall des Wertersatzes" den dinglichen Arrest i.H.v. 22.427.626,60 EUR in das Gesellschaftsvermögen der O.T.R. GmbH angeordnet.
In Vollziehung des Arrestes wurden durch die Staatsanwaltschaft nachfolgend Bargeld i.H.v. 14.250,00 EUR, zwei Bankguthaben im Gesamtbetrag von 3.437,30 EUR sowie etwaige Ansprüche des Angeschuldigten gegen das Hauptzollamt Stralsund auf Rückzahlung einbezahlter Geldbeträge und gegen die Hinterlegungsstelle des AG Hamburg auf Rückzahlung einer in anderer Sache geleisteten Kaution i.H.v. insgesamt 923.575,53 EUR gepfändet. Weiterhin wurden zwei Rolex-Armbanduhren des Angeschuldigten mit unbekanntem Zeitwert arrestiert. Schließlich wurden der alleinige Gesellschaftsanteil des Angeschuldigten an der O.L. GmbH nebst seiner Ansprüche gegen die Gesellschaft auf Gewinnbeteiligung und Vergütung gepfändet, die sich jedoch nach telefonischer Auskunft der Staatsanwaltschaft nicht als werthaltig erwiesen haben.
Auf die Beschwerde des Angeschuldigten gegen den die beantragte Aufhebung des dinglichen Arrestes ablehnenden Beschluss des LG hat der Senat sowohl die Entscheidung des LG wie auch die Arrestanordnung des AG aufgehoben und die Kosten des Beschwerdeverfahrens sowie die insoweit entstandenen notwendigen Auslagen des Rechtsmittelführers der Staatskasse auferlegt.
Die Staatsanwaltschaft hat daraufhin sämtliche in Vollziehung des Arrestes erfolgten Pfändungen aufgehoben.
Daraufhin hat der auch im Beschwerdeverfahren für den Angeschuldigten tätig gewesene Vollverteidiger beim LG nach § 33 Abs. 1 RVG beantragt, den Gegenstandswert für dieses Verfahren auf 22.427.626,60 EUR festzusetzen. Dem ist die dortige Bezirksrevisorin entgegengetreten. Sie hält unter Bezugnahme auf von ihr zitierte Rspr. lediglich einen Gegenstandswert i.H.v. einem Drittel des in der Arrestanordnung genannten Betrages für berechtigt und sieht im Übrigen die Zuständigkeit für die Festsetzung beim OLG. Die Strafkammer hat die Vorgänge deshalb dem Senat zur Entscheidung vorgelegt.
Der Verteidiger hält hinsichtlich der Höhe des Gegenstandswertes an seinem Antrag fest, sieht die Entscheidungszuständigkeit jedoch ebenfalls beim Beschwerdegericht.
2 Aus den Gründen
1. Der Antrag auf Festsetzung des Gegenstandswertes für das Beschwerdeverfahren ist nach § 33 Abs. 1 RVG zulässig.
Das Rechtsmittelverfahren ist mit der Folge abgeschlossen, dass der Rechtsanwalt seine insoweit entstandenen Gebühren geltend machen kann (§ 8 Abs. 1 S. 2 RVG).
Nachdem für das Beschwerdeverfahren keine Gerichtsgebühr entstanden ist, liegen die Voraussetzungen für eine Wertfestsetzung nach § 33 Abs. 1 RVG vor.
Zuständig für das Festsetzungsverfahren ist das Gericht desjenigen Rechtszuges, in dem die Rechtsanwaltsgebühr entstanden ist, vorliegend mithin das OLG als Beschwerdegericht (§ 33 Abs. 1 RVG). Dort entscheidet grds. der Einzelrichter (§ 33 Abs. 8 S. 1 RVG). Gründe für eine Übertragung des Verfahrens auf den gesamten Senat waren nicht erkennbar (§ 33 Abs. 8 S. 2 RVG).
2. Angefallen ist die Wertgebühr nach Nr. 4142 VV in der ab dem 1.7.2017 geltenden Fassung des Gesetzes zur Reform der strafrechtlichen Vermögensabschöpfung vom 13.4.2017 (BGBl I 2017, S. 872), denn die Arrestanordnung ist seinerzeit nicht allein zum Zwecke der Rückgewinnungshilfe ergangen, sondern auch zur Sicherung des staatlichen Anspruchs auf Verfall von Wertersatz. Dieser dingliche Arrest dauerte nach der Übergangsbestimmung in Art. 316h S. 1 EGStGB ab Inkrafttreten der Neuregelungen zur Reform der Vermögensabschöpfung am 1.7.2017 gem. § 111e Abs. 1, Abs. 4, § 111j Abs. 1 StPO n.F., § 73 Abs. 1, §§ 73c, 73d StGB n.F. als Vermögensarrest fort. Auch bei diesem handelt es sich um eine auf die spätere Einziehung abzielende "Beschlagnahme" i.S.v. Nr. 4142 Abs. 1 VV. Dieser Gebührentatbestand betrifft auch sämtliche Tätigkeiten des Rechtsanwalts im Rahmen von vorläufigen Maßnahmen, die dem Zweck dienen, dem Betroffenen die gesicherten Vermögenswerte später endgültig zu entziehen und es dadurch bei ihm zu einem dauerhaften Vermögensverlust kommen zu lassen (BGH, Beschl. v. 8.3.2018 – 3 StR 163/15, Rn 5 juris m.w.N.; OLG Frankfurt, Urt. v. 11.5.2017 – 1 U 203/17, Rn 53 juris; OLG Stuttgart, Beschl. v. 7.11.2017 – 1 Ws 143/17; Burhoff, in: Gerold/Schmidt, RVG, 23. Aufl., VV 4142 Rn 6; Burhoff/Volpert, RVG Straf- und Bußgeldsachen, 5. Aufl., Nr. 4142 VV Rn 5, S. 1105).
Die Gebühr ist für das erstinstanzliche Verfahren einschließlich des Vorverfahrens entstanden (Nr. 4142 Abs. 3 VV) und auch nicht nach Nr. 4...