ZPO § 91; RVG VV Nr. 3403
Leitsatz
Beauftragt eine Prozesspartei ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung einer vom Prozessgegner eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde, entsteht der Anspruch auf eine Gebühr nach Nr. 3403 VV, wenn der Rechtsanwalt diese Prüfung durchführt, um beurteilen zu können, ob die Hinzuziehung eines beim BGH postulationsfähigen Rechtsanwalts geboten ist.
OLG Düsseldorf, Beschl. v. 2.10.2017 – I-10 W 398/17
1 Aus den Gründen
Zu Recht hat die Rechtspflegerin beim LG die streitbefangene Position im Kostenfestsetzungsbeschluss angesetzt.
Beauftragt eine Prozesspartei ihren zweitinstanzlichen Prozessbevollmächtigten mit der Prüfung der Erfolgsaussichten einer vom Prozessgegner eingelegten Nichtzulassungsbeschwerde und führt dieser die Prüfung durch, um beurteilen zu können, ob die Hinzuziehung eines beim BGH postulationsfähigen Rechtsanwalts geboten ist, so entsteht hierfür der Anspruch des Anwalts auf eine Gebühr nach Nr. 3403 VV, die im Falle des Obsiegens vom Prozessgegner zu erstatten ist, sofern nicht auch ein beim BGH zugelassener Verfahrensbevollmächtigter bestellt wird (OLG Naumburg AGS 2013, 488 f.). Voraussetzung ist, dass der Prozessbevollmächtigte einen entsprechenden Auftrag hatte und sich mit der Nichtzulassungsbeschwerde auseinandergesetzt hat (OLG Köln, Beschl. v. 22.9.2016 – 17 W 234/16, juris Rn 2 [= AGS 2017, 491]). Dies ist nach den Ausführungen des Prozessbevollmächtigten des Beklagten zu 1) erfolgt. Damit ist – unbeschadet der Rücknahme der Nichtzulassungsbeschwerde vor deren Begründung – die Gebühr entstanden und auch erstattungsfähig. Anders wäre der Fall zu beurteilen, wenn der Prozessbevollmächtigte des Beklagten zu 1) die Nichtzulassungsbeschwerde lediglich entgegengenommen und dem Beklagten zu 1) nur mitgeteilt hätte (OLG Saarbrücken, Beschl. v. 22.5.2014 – 9 W 11/14, juris Rn 3 [= AGS 2014, 324]).
2 Anmerkung
I.
Wird im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren der nicht postulationsfähige Anwalt der Vorinstanz für den Beschwerdegegner tätig, so erhält dieser nach der Rspr. des BGH nur eine 0,8-Verfahrensgebühr nach Nr. 3403 VV für eine Einzeltätigkeit, u.U. auch nur eine 0,3-Verfahrensgebühr nach Nr. 3404 VV.
Erforderlich ist aber eine Tätigkeit im Verfahren der Nichtzulassungsbeschwerde. Beschränkt sich die Tätigkeit des Verfahrensbevollmächtigten des vorherigen Rechtszuges auf die Entgegennahme der Rechtsmittelschrift, der gerichtlichen Entscheidung über die Verlängerung der Begründungsfrist und der Bitte des Verfahrensbevollmächtigten des Rechtsmittelführers, mit der Bestellung eines eigenen Vertreters im Rechtsbeschwerdeverfahren noch zuzuwarten, sowie der Mitteilung dieser Schriften an den Auftraggeber, liegt eine konkret auf das Rechtsbeschwerdeverfahren bezogene Prüfungstätigkeit nicht vor. Diese Tätigkeiten zählen vielmehr nach § 19 Abs. 1 S. 2 Nr. 9 RVG noch als schlichte Abwicklungstätigkeiten zum vorherigen Rechtszug und werden durch die dort entstandenen Gebühren abgegolten (§ 15 Abs. 1 RVG).
Beispiel
Der Anwalt hat den Kläger im erstinstanzlichen Verfahren sowie im Berufungsverfahren vertreten. Beide Gerichte haben der Klage i.H.v. 50.000,00 EUR stattgegeben. Die Revision wurde nicht zugelassen. Der Beklagte legt daraufhin Nichtzulassungsbeschwerde ein. Der Anwalt des Klägers prüft auftragsgemäß, ob etwas zu veranlassen ist, was er aber nicht für erforderlich hält. Die Nichtzulassungsbeschwerde wird zurückgewiesen; die Kosten werden dem Beklagten auferlegt.
Für den vorinstanzlichen Anwalt ist folgende Vergütung entstanden:
0,8-Verfahrensgebühr, Nr. 3403 VV |
930,40 EUR |
(Wert: 50.000,00 EUR) |
|
Postpauschale, Nr. 7002 VV |
20,00 EUR |
Zwischensumme |
950,40 EUR |
Umsatzsteuer, Nr. 7008 VV |
180,58 EUR |
Gesamt |
1.130,98 EUR |
II.
Beauftragt der Beschwerdegegner seinen bisherigen Prozessvertreter oder einen anderen, nicht am BGH zugelassenen Rechtsanwalt mit seiner Vertretung oder Beratung betreffend das weitere Vorgehen in einem Rechtsbeschwerdeverfahren nach § 544 ZPO, stellt dies grundsätzlich eine Maßnahme dar, die geeignet ist, seinen rechtlichen Interessen zu entsprechen. Dies gilt umso mehr für eine im Ausland ansässige Partei. Zu erstatten ist dann allerdings nur eine Gebühr nach Nr. 3403 VV nebst Auslagen.
Vertritt der Anwalt sich im Nichtzulassungsbeschwerdeverfahren selbst, soll eine (fiktive) Verfahrensgebühr nicht nach § 91 Abs. 2 S. 3 ZPO erstattungsfähig sein, insbesondere wenn sich die Tätigkeit in mehreren Nachfragen, wann mit der Entscheidung zu rechnen sei, erschöpft. Dies entspricht der Rechtsprechung zur Vertretung in eigener Sache bei Rechtsmittelrücknahme.
Norbert Schneider
AGS 7/2018, S. 353 - 354