RVG §§ 7, 22 Abs. 2 S. 2; RVG VV Nr. 1008; GKG § 63 Abs. 3
Leitsatz
Liegt der Kostenentscheidung und Streitwertfestsetzung im Hauptsacheverfahren die unzutreffende Annahme zugrunde, der für mehrere Auftraggeber tätige Rechtsanwalt habe diese zum selben Gegenstand vertreten, hat das für die Kostenerstattung Bindungswirkung mit der Folge, dass eine tatsächlich nicht gegebene Gebührenerhöhung nach 1008 VV festzusetzen ist.
OLG Koblenz, Beschl. v. 27.9.2011 – 14 W 532/11
1 Aus den Gründen
Die zulässige sofortige Beschwerde hat umfassend Erfolg.
Betreffend die Erhöhung der Gebühren nach Nr. 1008 VV hat die Rechtspflegerin im Ausgangspunkt Recht. Denn die Prozessbevollmächtigten der Kläger waren für diese zwar in einer Angelegenheit, nicht aber zum selben Gegenstand tätig, sodass an sich die Voraussetzungen für eine Erhöhung nicht vorliegen. Denn der Unterlassungsanspruch und auch der Schmerzensgeldanspruch sind höchstpersönlicher Natur, sodass der Sache nach vier zusammengefasste Klagen der Kläger vorlagen.
Jedoch ist das LG bei der Kostengrundentscheidung und der Streitwertfestsetzung ganz offensichtlich von einem einheitlichen Streitgegenstand (Unterlassung ein Bild zu veröffentlichen; Zahlung eines Schmerzensgeldes an die Kläger als Gesamtgläubiger) ausgegangen. Das ist nach Auffassung des Senats falsch, ergibt sich aber eindeutig aus der Begründung zur Streitwertfestsetzung.
An diese Wertung des Gerichts bei der Kostengrundentscheidung ist der Senat im Kostenfestsetzungsverfahren – entgegen der Auffassung der Rechtspflegerin – gebunden. Im Ergebnis bedeutet dies, dass für die Kostenfestsetzung zu unterstellen ist, die Bevollmächtigten der Kläger seien für diese in der selben Angelegenheit und zu einem Gegenstand anwaltlich tätig geworden.
Demnach erweist sich die Berechnung der Beschwerde als zutreffend, die Kosten sind antragsgemäß festzusetzen.
2 Anmerkung
Minus mal minus gibt plus, hat man schon in der Schule gelernt. Offenbar soll dieser Grundsatz auch im Kostenrecht gelten.
Wenn also ein Gericht im Rahmen der Streitwertfestsetzung falsch entscheidet, dann soll in der Kostenfestsetzung ein weiterer Fehler begangen werden, der den ersten Fehler dann wieder kompensiert. Das kann nicht richtig sein.
Fehlerhafte Streitwertfestsetzungen sind bei deutschen Gerichten an der Tagesordnung. Sie sind mit dem entsprechenden Rechtsbehelf anzufechten und nach Eintritt der Rechtskraft hinzunehmen. Es gilt hier nichts anderes als für sonstige Entscheidungen, die in Rechtskraft erwachsen.
In Rechtskraft erwächst aber nur die Festsetzung des Streitwertes, nach dem die Gerichtsgebühren zu erheben sind. Gem. § 32 Abs. 1 RVG ist der Anwalt an diese Festsetzung gebunden, mag sie richtig oder falsch sein.
Eine weitergehende Bindungswirkung, welche Gebührentatbestände und -erhöhungen angefallen sind, ergibt sich aber aus dem Gesetz nicht. Dies ist unabhängig davon zu beurteilen. Das mag zu unerwünschten Ergebnissen führen, ist aber hinzunehmen.
Den Versuchen der Rechtsprechung, fehlerhafte Wertfestsetzungen im Nachhinein durch "Verbiegung" anderer Vorschriften erträglich zu machen, hat der BGH bereits in anderen Fällen eine Absage erteilt. So hat er klar und unmissverständlich zum Ausdruck gebracht, dass im Falle einer unzutreffenden Wertfestsetzung selbst bei einer späteren Abänderung keine Möglichkeit besteht, eine daraus resultierende – und damit ebenfalls unzutreffende – Kostenentscheidung abzuändern.
Ebenso wie die Gerichte im Kostenfestsetzungsverfahren eine unzutreffende Kostengrundentscheidung, die auf einer fehlerhaften Streitwertfestsetzung beruht, hinzunehmen haben, ist auch bei der Gebührenfestsetzung eine fehlerhafte Wertfestsetzung hinzunehmen.
Norbert Schneider