ZPO § 91 Abs. 2 S. 1, Hs. 2
Leitsatz
- Klagt eine Partei im eigenen Gerichtsstand, so sind die Reisekosten ihres Rechtsanwalts, der weder am Gerichtsort noch am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässig ist ("Rechtsanwalt am dritten Ort"), zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht erforderlich. Es sind deshalb nur diejenigen Reisekosten zu erstatten, die aus dem Auseinanderfallen von Gerichtsort einerseits und Geschäfts- oder Wohnsitz der Partei andererseits entstehen (Fortführung von BGH, Beschl. v. 22.2.2007 – VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 [= AGS 2008, 260] u. v. 22.4.2008 – XI ZB 20/07).
- Die Beauftragung eines spezialisierten auswärtigen Rechtsanwalts am dritten Ort ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nur dann ausnahmsweise notwendig, wenn ein vergleichbarer ortsansässiger Rechtsanwalt nicht beauftragt werden kann (Fortführung von BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – I ZB 29/02, NJW 2003, 901 [= AGS 2003, 368]).
BGH, Beschl. v. 20.12.2011 – XI ZB 13/11
1 Sachverhalt
Der im Bezirk des LG Baden-Baden ansässige Kläger hat die beklagte Bank vor dem LG Baden-Baden auf Schadensersatz wegen fehlerhafter Anlageberatung im Zusammenhang mit dem Kauf von Anteilen an einem Medienfonds in Anspruch genommen. Das LG hat der Klage überwiegend stattgegeben und der Beklagten die Kosten des Rechtsstreits auferlegt. Das Berufungsgericht hat das Urteil des LG geringfügig abgeändert und die Kosten des Berufungsverfahrens ebenfalls der Beklagten auferlegt. Ihre Nichtzulassungsbeschwerde gegen diese Entscheidung hat die Beklagte zurückgenommen.
Im gesamten Verfahren hatte sich der Kläger von Prozessbevollmächtigten vertreten lassen, die in Berlin ansässigen waren. Diese Anwälte hatte der Kläger wegen ihrer Spezialisierung auf Fälle des Kapitalanlagerechts beauftragt. Die Anwälte hatten bereits zuvor bundesweit zahlreiche weitere Anleger desselben Medienfonds erfolgreich vertreten. Zum Kostenausgleich hat der Kläger u.a. Reisekosten seiner Prozessbevollmächtigten für einen Verhandlungstermin beim LG Baden-Baden in Höhe von 438,01 EUR nebst Umsatzsteuer angemeldet.
Das LG hat diese Kosten in vollem Umfang festgesetzt. Auf die sofortige Beschwerde der Beklagten hat das Beschwerdegericht den Kostenfestsetzungsbeschluss des LG abgeändert und lediglich die fiktiven Reisekosten eines am Wohnsitz des Klägers ansässigen Prozessbevollmächtigten in Höhe von 63,45 EUR festgesetzt. Mit der vom Beschwerdegericht zugelassenen Rechtsbeschwerde verfolgt der Kläger sein Begehren weiter.
2 Aus den Gründen
Die gem. § 574 Abs. 1 S. 1 Nr. 2 ZPO statthafte und auch im Übrigen zulässige Rechtsbeschwerde ist unbegründet.
1. Das Berufungsgericht hat seine Entscheidung im Wesentlichen damit begründet, dass die Beauftragung eines an einem dritten Ort, also weder am Wohn- oder Geschäftsort der Partei noch am Gerichtsort ansässigen Rechtsanwalts in Fällen, in denen eine Partei im eigenen Gerichtsstand klage oder verklagt werde, zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung i.S.d. § 91 Abs. 2 S. 1, Hs. 2 ZPO regelmäßig nicht als erforderlich anzusehen sei. Dessen Reisekosten seien folglich mit Ausnahme der fiktiven Reisekosten eines am Wohn- oder Geschäftsort der Partei ansässigen Rechtsanwalts zum Gerichtsort nicht zu erstatten. Dies gelte auch dann, wenn die Partei einen Rechtsanwalt ihres Vertrauens bereits vorgerichtlich mit ihrer Interessenvertretung beauftragt gehabt habe. Eine Ausnahme von diesem Grundsatz liege nicht vor, da die Brauchbarkeit der vom Kläger eingewandten Spezialisierung seiner Anwälte wegen der im Kostenfestsetzungsverfahren geltenden typisierenden Betrachtung im Einzelfall nicht geprüft werden könne. Gerichtsbekannt hätten sowohl am Sitz des LG als auch in unmittelbarer Nähe des Wohnortes des Klägers zahlreiche geeignete Rechtsanwälte mit Spezialkenntnissen im Bereich des Kapitalanlagerechts für eine ordnungsgemäße Vertretung des Klägers zur Verfügung gestanden.
2. Diese Ausführungen halten rechtlicher Überprüfung stand.
Die über den zuerkannten Betrag hinaus geltend gemachten Reisekosten des Prozessbevollmächtigten des Klägers sind nicht erstattungsfähig, weil sie zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung nicht notwendig waren (§ 91 Abs. 1 S. 1, Abs. 2 S. 1, Hs. 2 ZPO).
a) Die Beauftragung eines auswärtigen Rechtsanwalts, der zwar beim Prozessgericht auftreten kann, dort aber nicht zugelassen ist, ist zur zweckentsprechenden Rechtsverfolgung grundsätzlich nicht notwendig, wenn die Partei – wie hier – in ihrem eigenen Gerichtsstand klagt (BGH, Beschl. v. 12.12.2002 – I ZB 29/02, NJW 2003, 901 [= AGS 2003, 368], v. 22.2.2007 – VII ZB 93/06, NJW-RR 2007, 1071 [= AGS 2008, 260] u. v. 22.4.2008 – XI ZB 20/07 m.w.Nachw.).
b) Die Rechtsbeschwerde macht demgegenüber geltend, dass vorliegend besondere Gegebenheiten die Einschaltung der auswärtigen Prozessbevollmächtigten erforderlich gemacht hätten. Im Verfahren gehe es um einen Medienfonds, mithin um eine Spezialmaterie des Kapitalanlagerechts, in die sich die Prozessbevollmächtigten des Klägers, die weit über hundert weiter...